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Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826.

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geschickt für die beiden Kreise, worin unser Leben bis
zum Ende bleibt: Staat und Kirche. Jn diese führt
er die Jugend, wie er selbst ihnen angehört; in diese
wird auch das Kind von seiner Familie durch die
Schule übergeben, wie sie selber in ihnen besteht
und aufgeht.

Demnach sind also die Schulen solche Anstalten,
die nicht bloß für die Lehre sondern für die ganze
Bildung der Jugend errichtet sind. Diese Erklä-
rung entspricht der Erfahrung. Denn Schulen finden
wir nicht bei rohen Völkern, die ein geschichtliches
und veredeltes Leben nicht haben, daher auch weder
in einzelnen Personen die Kraft noch in der Gesamt-
heit das Verlangen die Jugend in ein solches durch
besondere Anstalten zu erheben; es ist ihnen genug,
daß dieselbe, was ihr für das einfache, armselige,
unsichere Dasein ihres Stammes nöthig ist an Ein-
sicht und Fertigkeit, zufällig erlerne. Schulanstalten
sind nur in gebildeten Nationen, die einer Entwick-
lung ihrer geistigen Anlagen und damit einer bestimm-
ten Anordnung und Bereicherung ihres gesamten
Lebens sich schon erfreuen, welche also zu erwerben
und zu besitzen ihre Jugend in demselben Maße Recht
und Pflicht hat, als sie Anspruch macht in einem
solchen Volke zu leben und ein Bestandtheil desselben
zu sein. Die gegebene Erklärung paßt auch auf alle
Arten von Schulen: sie sind theils allgemeine oder
niedere, theils besondere oder höhere, je nachdem sie
bestimmt sind entweder diejenige Bildung zu geben,
welche einem jeden nöthig und nützlich ist nach dem
Zustande des Volks und der Zeit, worin er lebt,

geſchickt fuͤr die beiden Kreiſe, worin unſer Leben bis
zum Ende bleibt: Staat und Kirche. Jn dieſe fuͤhrt
er die Jugend, wie er ſelbſt ihnen angehoͤrt; in dieſe
wird auch das Kind von ſeiner Familie durch die
Schule uͤbergeben, wie ſie ſelber in ihnen beſteht
und aufgeht.

Demnach ſind alſo die Schulen ſolche Anſtalten,
die nicht bloß fuͤr die Lehre ſondern fuͤr die ganze
Bildung der Jugend errichtet ſind. Dieſe Erklaͤ-
rung entſpricht der Erfahrung. Denn Schulen finden
wir nicht bei rohen Voͤlkern, die ein geſchichtliches
und veredeltes Leben nicht haben, daher auch weder
in einzelnen Perſonen die Kraft noch in der Geſamt-
heit das Verlangen die Jugend in ein ſolches durch
beſondere Anſtalten zu erheben; es iſt ihnen genug,
daß dieſelbe, was ihr fuͤr das einfache, armſelige,
unſichere Daſein ihres Stammes noͤthig iſt an Ein-
ſicht und Fertigkeit, zufaͤllig erlerne. Schulanſtalten
ſind nur in gebildeten Nationen, die einer Entwick-
lung ihrer geiſtigen Anlagen und damit einer beſtimm-
ten Anordnung und Bereicherung ihres geſamten
Lebens ſich ſchon erfreuen, welche alſo zu erwerben
und zu beſitzen ihre Jugend in demſelben Maße Recht
und Pflicht hat, als ſie Anſpruch macht in einem
ſolchen Volke zu leben und ein Beſtandtheil deſſelben
zu ſein. Die gegebene Erklaͤrung paßt auch auf alle
Arten von Schulen: ſie ſind theils allgemeine oder
niedere, theils beſondere oder hoͤhere, je nachdem ſie
beſtimmt ſind entweder diejenige Bildung zu geben,
welche einem jeden noͤthig und nuͤtzlich iſt nach dem
Zuſtande des Volks und der Zeit, worin er lebt,

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[13/0021] geſchickt fuͤr die beiden Kreiſe, worin unſer Leben bis zum Ende bleibt: Staat und Kirche. Jn dieſe fuͤhrt er die Jugend, wie er ſelbſt ihnen angehoͤrt; in dieſe wird auch das Kind von ſeiner Familie durch die Schule uͤbergeben, wie ſie ſelber in ihnen beſteht und aufgeht. Demnach ſind alſo die Schulen ſolche Anſtalten, die nicht bloß fuͤr die Lehre ſondern fuͤr die ganze Bildung der Jugend errichtet ſind. Dieſe Erklaͤ- rung entſpricht der Erfahrung. Denn Schulen finden wir nicht bei rohen Voͤlkern, die ein geſchichtliches und veredeltes Leben nicht haben, daher auch weder in einzelnen Perſonen die Kraft noch in der Geſamt- heit das Verlangen die Jugend in ein ſolches durch beſondere Anſtalten zu erheben; es iſt ihnen genug, daß dieſelbe, was ihr fuͤr das einfache, armſelige, unſichere Daſein ihres Stammes noͤthig iſt an Ein- ſicht und Fertigkeit, zufaͤllig erlerne. Schulanſtalten ſind nur in gebildeten Nationen, die einer Entwick- lung ihrer geiſtigen Anlagen und damit einer beſtimm- ten Anordnung und Bereicherung ihres geſamten Lebens ſich ſchon erfreuen, welche alſo zu erwerben und zu beſitzen ihre Jugend in demſelben Maße Recht und Pflicht hat, als ſie Anſpruch macht in einem ſolchen Volke zu leben und ein Beſtandtheil deſſelben zu ſein. Die gegebene Erklaͤrung paßt auch auf alle Arten von Schulen: ſie ſind theils allgemeine oder niedere, theils beſondere oder hoͤhere, je nachdem ſie beſtimmt ſind entweder diejenige Bildung zu geben, welche einem jeden noͤthig und nuͤtzlich iſt nach dem Zuſtande des Volks und der Zeit, worin er lebt,

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Zitationshilfe: Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessert_schulzucht_1826/21>, abgerufen am 29.03.2024.