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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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Vorrede.
woraus das technische Publikum gründliche Belehrung zu schöpfen vermag, diess er-
scheint hier aufgenommen, allein die hehandelten Gegenstände sind hiemit keineswegs
erschöpft.

Wir befinden uns in einem Zeitalter, wo technische Wissenschaft und Erfahrung grosse
Fortschritte machen, und wo insbesondere die beiden Hauptpfeiler der Industrie -- Me-
chanik
und Chemie -- eine immer grössere Anwendung finden. Zur Ehre für unsere
Chemiker ist es bekannt, dass Künste und Gewerbe grosse Fortschritte jenen Erfindungen
verdanken, welche aus den chemischen Laboratorien ausgingen. Leider ist diess mit der
Mechanik noch nicht der Fall; die meisten Unternehmungen werden in diesem Fache auf
das Gerathewohl ausgeführt, und tragen häufig schon in ihrem Beginnen den Keim zu ihrer
spätern Auflösung. Im Fache der Mechanik dürfte nicht der zehnte Theil jener für die
Anwendung brauchbarer Schriften, wie in der Chemie zu finden seyn. Vielleicht liegt
der Grund auch darin, dass unsere chemischen Laboratorien bei allen öffentlichen Anstal-
ten weit besser dotirt sind, als die mechanischen Kollegien; die Zahl der Professoren,
welche Chemie vortragen, ist weit grösser, als jene der Professoren der Mechanik. Bei
dieser Zurücksetzung eines so wichtigen Hebels der Industrie, als es die Mechanik vor-
züglich in neuern Zeiten geworden ist, konnte der Erfolg auch nicht bedeutend seyn.
Bis zur Stunde fehlen uns noch genaue, in etwas grössern Masstabe angestellte Versuche
über die wichtigsten hydraulischen Grundsätze; Versuche aber, welche mit grössern
hiefür eigends erbauten Maschinenanlagen vorgenommen worden wären, fanden noch bei
keiner Lehranstalt in ganz Europa Statt.

Unter solchen Umständen glaubte ich, dass es für die Erweiterung vorzüglich unserer
hydraulischen Kenntnisse von grossem Vortheile wäre, wenn Versuche mit aller
möglichen Genauigkeit in grossem Masstabe an einem hiezu geeig-
neten Orte während einer Reihe von Jahren angestellt
, und die Resultate
derselben dem Publikum bekannt gemacht würden. Auf meinen vielen Reisen hat sich
mir keine so vortheilhafte Lokalität dargeboten, als jene an der zweiten Schleusse des
Kanales von Pavia zunächst der Stadt Mailand; dort findet sich, wie §. 146 angeführt
wird, ein zu allen Jahreszeiten gleicher Wasserstand und eine sehr bedeutende disponible
Wassermenge. Auf mein Ansuchen wurde mir die Konzession zur Benützung dieser Was-

Vorrede.
woraus das technische Publikum gründliche Belehrung zu schöpfen vermag, diess er-
scheint hier aufgenommen, allein die hehandelten Gegenstände sind hiemit keineswegs
erschöpft.

Wir befinden uns in einem Zeitalter, wo technische Wissenschaft und Erfahrung grosse
Fortschritte machen, und wo insbesondere die beiden Hauptpfeiler der Industrie — Me-
chanik
und Chemie — eine immer grössere Anwendung finden. Zur Ehre für unsere
Chemiker ist es bekannt, dass Künste und Gewerbe grosse Fortschritte jenen Erfindungen
verdanken, welche aus den chemischen Laboratorien ausgingen. Leider ist diess mit der
Mechanik noch nicht der Fall; die meisten Unternehmungen werden in diesem Fache auf
das Gerathewohl ausgeführt, und tragen häufig schon in ihrem Beginnen den Keim zu ihrer
spätern Auflösung. Im Fache der Mechanik dürfte nicht der zehnte Theil jener für die
Anwendung brauchbarer Schriften, wie in der Chemie zu finden seyn. Vielleicht liegt
der Grund auch darin, dass unsere chemischen Laboratorien bei allen öffentlichen Anstal-
ten weit besser dotirt sind, als die mechanischen Kollegien; die Zahl der Professoren,
welche Chemie vortragen, ist weit grösser, als jene der Professoren der Mechanik. Bei
dieser Zurücksetzung eines so wichtigen Hebels der Industrie, als es die Mechanik vor-
züglich in neuern Zeiten geworden ist, konnte der Erfolg auch nicht bedeutend seyn.
Bis zur Stunde fehlen uns noch genaue, in etwas grössern Masstabe angestellte Versuche
über die wichtigsten hydraulischen Grundsätze; Versuche aber, welche mit grössern
hiefür eigends erbauten Maschinenanlagen vorgenommen worden wären, fanden noch bei
keiner Lehranstalt in ganz Europa Statt.

Unter solchen Umständen glaubte ich, dass es für die Erweiterung vorzüglich unserer
hydraulischen Kenntnisse von grossem Vortheile wäre, wenn Versuche mit aller
möglichen Genauigkeit in grossem Masstabe an einem hiezu geeig-
neten Orte während einer Reihe von Jahren angestellt
, und die Resultate
derselben dem Publikum bekannt gemacht würden. Auf meinen vielen Reisen hat sich
mir keine so vortheilhafte Lokalität dargeboten, als jene an der zweiten Schleusse des
Kanales von Pavia zunächst der Stadt Mailand; dort findet sich, wie §. 146 angeführt
wird, ein zu allen Jahreszeiten gleicher Wasserstand und eine sehr bedeutende disponible
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[VII/0013] Vorrede. woraus das technische Publikum gründliche Belehrung zu schöpfen vermag, diess er- scheint hier aufgenommen, allein die hehandelten Gegenstände sind hiemit keineswegs erschöpft. Wir befinden uns in einem Zeitalter, wo technische Wissenschaft und Erfahrung grosse Fortschritte machen, und wo insbesondere die beiden Hauptpfeiler der Industrie — Me- chanik und Chemie — eine immer grössere Anwendung finden. Zur Ehre für unsere Chemiker ist es bekannt, dass Künste und Gewerbe grosse Fortschritte jenen Erfindungen verdanken, welche aus den chemischen Laboratorien ausgingen. Leider ist diess mit der Mechanik noch nicht der Fall; die meisten Unternehmungen werden in diesem Fache auf das Gerathewohl ausgeführt, und tragen häufig schon in ihrem Beginnen den Keim zu ihrer spätern Auflösung. Im Fache der Mechanik dürfte nicht der zehnte Theil jener für die Anwendung brauchbarer Schriften, wie in der Chemie zu finden seyn. Vielleicht liegt der Grund auch darin, dass unsere chemischen Laboratorien bei allen öffentlichen Anstal- ten weit besser dotirt sind, als die mechanischen Kollegien; die Zahl der Professoren, welche Chemie vortragen, ist weit grösser, als jene der Professoren der Mechanik. Bei dieser Zurücksetzung eines so wichtigen Hebels der Industrie, als es die Mechanik vor- züglich in neuern Zeiten geworden ist, konnte der Erfolg auch nicht bedeutend seyn. Bis zur Stunde fehlen uns noch genaue, in etwas grössern Masstabe angestellte Versuche über die wichtigsten hydraulischen Grundsätze; Versuche aber, welche mit grössern hiefür eigends erbauten Maschinenanlagen vorgenommen worden wären, fanden noch bei keiner Lehranstalt in ganz Europa Statt. Unter solchen Umständen glaubte ich, dass es für die Erweiterung vorzüglich unserer hydraulischen Kenntnisse von grossem Vortheile wäre, wenn Versuche mit aller möglichen Genauigkeit in grossem Masstabe an einem hiezu geeig- neten Orte während einer Reihe von Jahren angestellt, und die Resultate derselben dem Publikum bekannt gemacht würden. Auf meinen vielen Reisen hat sich mir keine so vortheilhafte Lokalität dargeboten, als jene an der zweiten Schleusse des Kanales von Pavia zunächst der Stadt Mailand; dort findet sich, wie §. 146 angeführt wird, ein zu allen Jahreszeiten gleicher Wasserstand und eine sehr bedeutende disponible Wassermenge. Auf mein Ansuchen wurde mir die Konzession zur Benützung dieser Was-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/13>, abgerufen am 28.04.2024.