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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Reibung bei der schiefen Fläche.
kel der schiefen Ebene und Reibungswinkel ist, also wenn die schiefe Ebene hoch undFig.
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die Reibung gross ist, endlich wenn Cos (w -- a) klein ist. In letzterer Hinsicht wird
daher eine kleine Kraft zur Bewegung einer Last über eine schiefe Fläche erfordert,
wenn Cos (w -- a) möglichst gross ist. Für den vortheilhaftesten Fall ist dieser
Cosinus = 1, also w -- a = 0 und w = a. Es ist daher am vortheilhaftesten, den
Zugwinkel eben so gross als den Reibungswinkel anzunehmen; die Kraft darf also
nicht parallel zur schiefen Fläche wirken, sondern ihre Richtung muss mit derselben
einen Winkel w bilden, der dem jedesmaligen Reibungswinkel gleich kommt.

§. 470.

Von der vorstehenden Bemerkung kann bei den Fuhrwerken eine vortheilhafteFig.
27.

Anwendung zur Bestimmung der Richtung der Zuglinie für den Fall der vortheilhafte-
sten Bespannung gemacht werden. Es ist bekannt, dass die Zugstränge bei dem Fuhr-
wesen gewöhnlich nicht horizontal, sondern in schiefer Richtung angebracht sind, indem
die Brust der Pferde höher liegt, als der Punkt an dem man die Wage aufzuhängen pflegt.

Der Widerstand, welchen die Pferde bei der Fortschaffung eines Wagens, dessen
Gewicht sammt Ladung Q ist, zu überwältigen haben, beträgt P = m . Q, wo m nach
Verschiedenheit des guten oder schlechten Weges zu bemessen ist. Wir können nun
auch hier m = tang a setzen, und den Widerstand der Strasse auf der horizontalen
Ebene b c mit Reibung in den Widerstand auf der schiefen Fläche a c ohne Reibung
verwandeln, wobei aber [Formel 1] = tang a = m ist.

Es sey e der Punkt, an welchem die Wage hängt, so muss die Richtung der Zug-
stränge nach dem vorhergehenden §. in die Linie c e a fallen, deren Neigung gegen
den Horizont, a e d = a ist. Die Höhe der Wage ober der Strasse sey e f = a; die Ent-
fernung der Brust der Pferde von der Wage oder die Länge der Zugstränge nehmen
wir d e = E, dann die Höhe der Brust a b = H an, so ist a d = H -- a; es muss dem-
nach m = [Formel 2] seyn, oder a = H -- m . E.

Hieraus folgt, dass für den Fall, als m gross oder der Weg schlecht ist, der Werth
für a klein ausfällt, d. h. man muss bei schlechtem Wege die Wage tief hängen; im Ge-
gentheile wird a grösser, also die Wage höher zu hängen seyn, wenn m klein oder der
Weg besser ist.

Beispiel. Es sey H = 4 Fuss und E = 8 Fuss, so ist
bei gutem Wege, wo m = [Formel 3] , die Höhe der Wage a = 4 -- [Formel 4] · 8 = 3,6 Fuss,
bei schlechtem Wege, wo m = [Formel 5] , -- -- a = 4 -- [Formel 6] . 8 = 3 Fuss.

Aus demselben Grunde trifft man bei dem sogenannten schweren Fuhrwerke die
Einrichtung, dass man die Wage sowohl über die Deichsel, als auch unter dieselbe hän-
gen kann, und alle Fuhrleute pflegen, wenn sie aus einem guten Wege in einen schlech-
ten, weichen Weg, in einen Morast oder in eine Vertiefung gerathen, die Wage, wel-
che früher über der Deichsel angebracht war, nunmehr unter dieselbe zu hängen.

Gerstners Mechanik. Band I. 66

Reibung bei der schiefen Fläche.
kel der schiefen Ebene und Reibungswinkel ist, also wenn die schiefe Ebene hoch undFig.
26.
Tab.
27.

die Reibung gross ist, endlich wenn Cos (w — α) klein ist. In letzterer Hinsicht wird
daher eine kleine Kraft zur Bewegung einer Last über eine schiefe Fläche erfordert,
wenn Cos (w — α) möglichst gross ist. Für den vortheilhaftesten Fall ist dieser
Cosinus = 1, also w — α = 0 und w = α. Es ist daher am vortheilhaftesten, den
Zugwinkel eben so gross als den Reibungswinkel anzunehmen; die Kraft darf also
nicht parallel zur schiefen Fläche wirken, sondern ihre Richtung muss mit derselben
einen Winkel w bilden, der dem jedesmaligen Reibungswinkel gleich kommt.

§. 470.

Von der vorstehenden Bemerkung kann bei den Fuhrwerken eine vortheilhafteFig.
27.

Anwendung zur Bestimmung der Richtung der Zuglinie für den Fall der vortheilhafte-
sten Bespannung gemacht werden. Es ist bekannt, dass die Zugstränge bei dem Fuhr-
wesen gewöhnlich nicht horizontal, sondern in schiefer Richtung angebracht sind, indem
die Brust der Pferde höher liegt, als der Punkt an dem man die Wage aufzuhängen pflegt.

Der Widerstand, welchen die Pferde bei der Fortschaffung eines Wagens, dessen
Gewicht sammt Ladung Q ist, zu überwältigen haben, beträgt P = m . Q, wo m nach
Verschiedenheit des guten oder schlechten Weges zu bemessen ist. Wir können nun
auch hier m = tang α setzen, und den Widerstand der Strasse auf der horizontalen
Ebene b c mit Reibung in den Widerstand auf der schiefen Fläche a c ohne Reibung
verwandeln, wobei aber [Formel 1] = tang α = m ist.

Es sey e der Punkt, an welchem die Wage hängt, so muss die Richtung der Zug-
stränge nach dem vorhergehenden §. in die Linie c e a fallen, deren Neigung gegen
den Horizont, a e d = α ist. Die Höhe der Wage ober der Strasse sey e f = a; die Ent-
fernung der Brust der Pferde von der Wage oder die Länge der Zugstränge nehmen
wir d e = E, dann die Höhe der Brust a b = H an, so ist a d = H — a; es muss dem-
nach m = [Formel 2] seyn, oder a = H — m . E.

Hieraus folgt, dass für den Fall, als m gross oder der Weg schlecht ist, der Werth
für a klein ausfällt, d. h. man muss bei schlechtem Wege die Wage tief hängen; im Ge-
gentheile wird a grösser, also die Wage höher zu hängen seyn, wenn m klein oder der
Weg besser ist.

Beispiel. Es sey H = 4 Fuss und E = 8 Fuss, so ist
bei gutem Wege, wo m = [Formel 3] , die Höhe der Wage a = 4 — [Formel 4] · 8 = 3,6 Fuss,
bei schlechtem Wege, wo m = [Formel 5] , — — a = 4 — [Formel 6] . 8 = 3 Fuss.

Aus demselben Grunde trifft man bei dem sogenannten schweren Fuhrwerke die
Einrichtung, dass man die Wage sowohl über die Deichsel, als auch unter dieselbe hän-
gen kann, und alle Fuhrleute pflegen, wenn sie aus einem guten Wege in einen schlech-
ten, weichen Weg, in einen Morast oder in eine Vertiefung gerathen, die Wage, wel-
che früher über der Deichsel angebracht war, nunmehr unter dieselbe zu hängen.

Gerstners Mechanik. Band I. 66
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[521/0553] Reibung bei der schiefen Fläche. kel der schiefen Ebene und Reibungswinkel ist, also wenn die schiefe Ebene hoch und die Reibung gross ist, endlich wenn Cos (w — α) klein ist. In letzterer Hinsicht wird daher eine kleine Kraft zur Bewegung einer Last über eine schiefe Fläche erfordert, wenn Cos (w — α) möglichst gross ist. Für den vortheilhaftesten Fall ist dieser Cosinus = 1, also w — α = 0 und w = α. Es ist daher am vortheilhaftesten, den Zugwinkel eben so gross als den Reibungswinkel anzunehmen; die Kraft darf also nicht parallel zur schiefen Fläche wirken, sondern ihre Richtung muss mit derselben einen Winkel w bilden, der dem jedesmaligen Reibungswinkel gleich kommt. Fig. 26. Tab. 27. §. 470. Von der vorstehenden Bemerkung kann bei den Fuhrwerken eine vortheilhafte Anwendung zur Bestimmung der Richtung der Zuglinie für den Fall der vortheilhafte- sten Bespannung gemacht werden. Es ist bekannt, dass die Zugstränge bei dem Fuhr- wesen gewöhnlich nicht horizontal, sondern in schiefer Richtung angebracht sind, indem die Brust der Pferde höher liegt, als der Punkt an dem man die Wage aufzuhängen pflegt. Fig. 27. Der Widerstand, welchen die Pferde bei der Fortschaffung eines Wagens, dessen Gewicht sammt Ladung Q ist, zu überwältigen haben, beträgt P = m . Q, wo m nach Verschiedenheit des guten oder schlechten Weges zu bemessen ist. Wir können nun auch hier m = tang α setzen, und den Widerstand der Strasse auf der horizontalen Ebene b c mit Reibung in den Widerstand auf der schiefen Fläche a c ohne Reibung verwandeln, wobei aber [FORMEL] = tang α = m ist. Es sey e der Punkt, an welchem die Wage hängt, so muss die Richtung der Zug- stränge nach dem vorhergehenden §. in die Linie c e a fallen, deren Neigung gegen den Horizont, a e d = α ist. Die Höhe der Wage ober der Strasse sey e f = a; die Ent- fernung der Brust der Pferde von der Wage oder die Länge der Zugstränge nehmen wir d e = E, dann die Höhe der Brust a b = H an, so ist a d = H — a; es muss dem- nach m = [FORMEL] seyn, oder a = H — m . E. Hieraus folgt, dass für den Fall, als m gross oder der Weg schlecht ist, der Werth für a klein ausfällt, d. h. man muss bei schlechtem Wege die Wage tief hängen; im Ge- gentheile wird a grösser, also die Wage höher zu hängen seyn, wenn m klein oder der Weg besser ist. Beispiel. Es sey H = 4 Fuss und E = 8 Fuss, so ist bei gutem Wege, wo m = [FORMEL], die Höhe der Wage a = 4 — [FORMEL] · 8 = 3,6 Fuss, bei schlechtem Wege, wo m = [FORMEL], — — a = 4 — [FORMEL] . 8 = 3 Fuss. Aus demselben Grunde trifft man bei dem sogenannten schweren Fuhrwerke die Einrichtung, dass man die Wage sowohl über die Deichsel, als auch unter dieselbe hän- gen kann, und alle Fuhrleute pflegen, wenn sie aus einem guten Wege in einen schlech- ten, weichen Weg, in einen Morast oder in eine Vertiefung gerathen, die Wage, wel- che früher über der Deichsel angebracht war, nunmehr unter dieselbe zu hängen. Gerstners Mechanik. Band I. 66

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/553>, abgerufen am 29.03.2024.