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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Aufsteigen und Einsinken zusammenhängender Bögen.
§. 430.

Um die Nachtheile zu verhüten, welche die Brückenpfeiler von den Erschütte-
rungen der darüber fahrenden Wägen
erleiden, hat man in letztern Zeiten
auf die Pfeiler Rollen gelegt, über welche die Ketten sich frey hin und her bewe-
gen können. Da jedoch auf solche Art die Brücke durch das zufällige Befahren mit
schwereren und leichteren Wägen sehr vielen Veränderungen unterliegt, indem die
grössere Last von einer Seite des Pfeilers ein Einsinken des mehr belasteten Brücken-
feldes und dagegen an der andern Seite ein Aufsteigen des minder belasteten Feldes
zur Folge haben muss, so ist noch die Grösse des wechselseitigen Einsinkens und Auf-
steigens zu berechnen. Die Rechnung hierüber, welche auf elementare Art gemacht
ist, befindet sich unter dem Texte. *)

Beispiel. Es sey die Länge der Brücke 2 A = 400 Fuss, die Höhe der Pfeiler

*) Um bei dieser Untersuchung von dem einfachsten Falle auszugehen, wollen wir zuerst annehmen,Fig.
11.
Tab.
20.

die Brücke besitze (nach dem Vorschlage des Cap. Brown) nur einen Pfeiler in ihrer Mit-
te
, über welchen die an beiden Ufern angehängten Ketten hinweggehen. Es sey demnach B O G
die horizontale Fahrbahn der Brücke, welche an den zwei Kettenbögen C B und C G auf die ge-
wöhnliche Art aufgehängt ist. Auf dem Pfeiler O C befinden sich bei C eine oder mehrere Rollen,
über welche die Ketten, wenn sie von einer Seite mehr als von der andern belastet werden, sich
frei hin- und herbewegen können. Vermöge der Gleichheit der beiden Brückenhälften müssen wir
annehmen, dass sie gleiche Maasse und gleiches Gewicht besitzen, demnach die Kettenbögen mit dem
Mittelpfeiler auch von beiden Seiten gleiche Winkel bilden. Es sey demnach der Winkel, den die
Kettenbögen C B und C G mit der horizontalen A C F im Punkte C bilden = v, das Gewicht einer
Brückenhälfte sammt Ketten = P und die horizontale Spannkraft in jedem Punkte der Kette = H. Eben
so sey die halbe Länge der Brücke B O = A C = A und der Pfeil des Bogeus A B oder die Höhe
des Punktes C über O = B. Nach §. 424 ist die horizontale Spannkraft der Ketten H = [Formel 1] . Weil
aber die krumme Linie, welche die Ketten bilden, der Parabel sehr nahe kommt, so ist für den
Punkt C nach der bekannten Eigenschaft der Parabel tang v = [Formel 2] ; daher für jede der gleichen Brücken-
hälften die horizontale Spannkraft H auch = [Formel 3] (I). Die Länge des parabolischen Kettenbogens
für jede gleiche Brückenhälfte ist nach §. 425, Gleichung VI = A + [Formel 4] (II).
Es werde nun das eine Brückenfeld B O nebst seinem eigenen Gewichte P noch mit der zu-
fälligen Last Z beschwert, welche wir auf der Länge B O gleichförmig vertheilt annehmen wollen.
Durch diese zufällige Belastung Z wird das Brückenfeld B O nothwendig herabgedrückt und die Kette
verlängert, dagegen aber das Brückenfeld G O gehoben und seine Kette verkürzt.
Es sey B E C der verlängerte Bogen des herabgedrückten Brückenfeldes, welcher wegen der
gleichförmigen Vertheilung der zufälligen Belastung Z abermal eine Parabel bilden wird, deren
Scheitel jedoch nicht mehr in B, sondern in dem tiefsten Punkte E auf der Entfernung A D = e seyn
wird. Eben so wird, wenn wir die Tiefe des Punktes E unter B = b setzen, die Grösse des Pfei-
les D E = B + b seyn.
Aus der gleichförmigen Vertheilung der gesammten Last P + Z über der Länge A C des herab-
gedrückten Brückenfeldes folgt, dass die Belastung P + Z des Bogens B E C sich zur Belastung des
Bogens C E verhält, wie A C : D C = A : A -- e und dass also die Last, welche im Punkte C senk-
recht herabwirkt = (P + Z) [Formel 5] ist. Hieraus ergibt sich, wenn wir in der obigen Gleichung I
statt P die Grösse (P + Z) [Formel 6] , statt A die Grösse A -- e und statt B die Grösse B + b set-
Gerstners Mechanik I. Band. 61
Aufsteigen und Einsinken zusammenhängender Bögen.
§. 430.

Um die Nachtheile zu verhüten, welche die Brückenpfeiler von den Erschütte-
rungen der darüber fahrenden Wägen
erleiden, hat man in letztern Zeiten
auf die Pfeiler Rollen gelegt, über welche die Ketten sich frey hin und her bewe-
gen können. Da jedoch auf solche Art die Brücke durch das zufällige Befahren mit
schwereren und leichteren Wägen sehr vielen Veränderungen unterliegt, indem die
grössere Last von einer Seite des Pfeilers ein Einsinken des mehr belasteten Brücken-
feldes und dagegen an der andern Seite ein Aufsteigen des minder belasteten Feldes
zur Folge haben muss, so ist noch die Grösse des wechselseitigen Einsinkens und Auf-
steigens zu berechnen. Die Rechnung hierüber, welche auf elementare Art gemacht
ist, befindet sich unter dem Texte. *)

Beispiel. Es sey die Länge der Brücke 2 A = 400 Fuss, die Höhe der Pfeiler

*) Um bei dieser Untersuchung von dem einfachsten Falle auszugehen, wollen wir zuerst annehmen,Fig.
11.
Tab.
20.

die Brücke besitze (nach dem Vorschlage des Cap. Brown) nur einen Pfeiler in ihrer Mit-
te
, über welchen die an beiden Ufern angehängten Ketten hinweggehen. Es sey demnach B O G
die horizontale Fahrbahn der Brücke, welche an den zwei Kettenbögen C B und C G auf die ge-
wöhnliche Art aufgehängt ist. Auf dem Pfeiler O C befinden sich bei C eine oder mehrere Rollen,
über welche die Ketten, wenn sie von einer Seite mehr als von der andern belastet werden, sich
frei hin- und herbewegen können. Vermöge der Gleichheit der beiden Brückenhälften müssen wir
annehmen, dass sie gleiche Maasse und gleiches Gewicht besitzen, demnach die Kettenbögen mit dem
Mittelpfeiler auch von beiden Seiten gleiche Winkel bilden. Es sey demnach der Winkel, den die
Kettenbögen C B und C G mit der horizontalen A C F im Punkte C bilden = v, das Gewicht einer
Brückenhälfte sammt Ketten = P und die horizontale Spannkraft in jedem Punkte der Kette = H. Eben
so sey die halbe Länge der Brücke B O = A C = A und der Pfeil des Bogeus A B oder die Höhe
des Punktes C über O = B. Nach §. 424 ist die horizontale Spannkraft der Ketten H = [Formel 1] . Weil
aber die krumme Linie, welche die Ketten bilden, der Parabel sehr nahe kommt, so ist für den
Punkt C nach der bekannten Eigenschaft der Parabel tang v = [Formel 2] ; daher für jede der gleichen Brücken-
hälften die horizontale Spannkraft H auch = [Formel 3] (I). Die Länge des parabolischen Kettenbogens
für jede gleiche Brückenhälfte ist nach §. 425, Gleichung VI = A + [Formel 4] (II).
Es werde nun das eine Brückenfeld B O nebst seinem eigenen Gewichte P noch mit der zu-
fälligen Last Z beschwert, welche wir auf der Länge B O gleichförmig vertheilt annehmen wollen.
Durch diese zufällige Belastung Z wird das Brückenfeld B O nothwendig herabgedrückt und die Kette
verlängert, dagegen aber das Brückenfeld G O gehoben und seine Kette verkürzt.
Es sey B E C der verlängerte Bogen des herabgedrückten Brückenfeldes, welcher wegen der
gleichförmigen Vertheilung der zufälligen Belastung Z abermal eine Parabel bilden wird, deren
Scheitel jedoch nicht mehr in B, sondern in dem tiefsten Punkte E auf der Entfernung A D = e seyn
wird. Eben so wird, wenn wir die Tiefe des Punktes E unter B = b setzen, die Grösse des Pfei-
les D E = B + b seyn.
Aus der gleichförmigen Vertheilung der gesammten Last P + Z über der Länge A C des herab-
gedrückten Brückenfeldes folgt, dass die Belastung P + Z des Bogens B E C sich zur Belastung des
Bogens C E verhält, wie A C : D C = A : A — e und dass also die Last, welche im Punkte C senk-
recht herabwirkt = (P + Z) [Formel 5] ist. Hieraus ergibt sich, wenn wir in der obigen Gleichung I
statt P die Grösse (P + Z) [Formel 6] , statt A die Grösse A — e und statt B die Grösse B + b set-
Gerstners Mechanik I. Band. 61
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[481/0513] Aufsteigen und Einsinken zusammenhängender Bögen. §. 430. Um die Nachtheile zu verhüten, welche die Brückenpfeiler von den Erschütte- rungen der darüber fahrenden Wägen erleiden, hat man in letztern Zeiten auf die Pfeiler Rollen gelegt, über welche die Ketten sich frey hin und her bewe- gen können. Da jedoch auf solche Art die Brücke durch das zufällige Befahren mit schwereren und leichteren Wägen sehr vielen Veränderungen unterliegt, indem die grössere Last von einer Seite des Pfeilers ein Einsinken des mehr belasteten Brücken- feldes und dagegen an der andern Seite ein Aufsteigen des minder belasteten Feldes zur Folge haben muss, so ist noch die Grösse des wechselseitigen Einsinkens und Auf- steigens zu berechnen. Die Rechnung hierüber, welche auf elementare Art gemacht ist, befindet sich unter dem Texte. *) Beispiel. Es sey die Länge der Brücke 2 A = 400 Fuss, die Höhe der Pfeiler *) Um bei dieser Untersuchung von dem einfachsten Falle auszugehen, wollen wir zuerst annehmen, die Brücke besitze (nach dem Vorschlage des Cap. Brown) nur einen Pfeiler in ihrer Mit- te, über welchen die an beiden Ufern angehängten Ketten hinweggehen. Es sey demnach B O G die horizontale Fahrbahn der Brücke, welche an den zwei Kettenbögen C B und C G auf die ge- wöhnliche Art aufgehängt ist. Auf dem Pfeiler O C befinden sich bei C eine oder mehrere Rollen, über welche die Ketten, wenn sie von einer Seite mehr als von der andern belastet werden, sich frei hin- und herbewegen können. Vermöge der Gleichheit der beiden Brückenhälften müssen wir annehmen, dass sie gleiche Maasse und gleiches Gewicht besitzen, demnach die Kettenbögen mit dem Mittelpfeiler auch von beiden Seiten gleiche Winkel bilden. Es sey demnach der Winkel, den die Kettenbögen C B und C G mit der horizontalen A C F im Punkte C bilden = v, das Gewicht einer Brückenhälfte sammt Ketten = P und die horizontale Spannkraft in jedem Punkte der Kette = H. Eben so sey die halbe Länge der Brücke B O = A C = A und der Pfeil des Bogeus A B oder die Höhe des Punktes C über O = B. Nach §. 424 ist die horizontale Spannkraft der Ketten H = [FORMEL]. Weil aber die krumme Linie, welche die Ketten bilden, der Parabel sehr nahe kommt, so ist für den Punkt C nach der bekannten Eigenschaft der Parabel tang v = [FORMEL]; daher für jede der gleichen Brücken- hälften die horizontale Spannkraft H auch = [FORMEL] (I). Die Länge des parabolischen Kettenbogens für jede gleiche Brückenhälfte ist nach §. 425, Gleichung VI = A + [FORMEL] (II). Es werde nun das eine Brückenfeld B O nebst seinem eigenen Gewichte P noch mit der zu- fälligen Last Z beschwert, welche wir auf der Länge B O gleichförmig vertheilt annehmen wollen. Durch diese zufällige Belastung Z wird das Brückenfeld B O nothwendig herabgedrückt und die Kette verlängert, dagegen aber das Brückenfeld G O gehoben und seine Kette verkürzt. Es sey B E C der verlängerte Bogen des herabgedrückten Brückenfeldes, welcher wegen der gleichförmigen Vertheilung der zufälligen Belastung Z abermal eine Parabel bilden wird, deren Scheitel jedoch nicht mehr in B, sondern in dem tiefsten Punkte E auf der Entfernung A D = e seyn wird. Eben so wird, wenn wir die Tiefe des Punktes E unter B = b setzen, die Grösse des Pfei- les D E = B + b seyn. Aus der gleichförmigen Vertheilung der gesammten Last P + Z über der Länge A C des herab- gedrückten Brückenfeldes folgt, dass die Belastung P + Z des Bogens B E C sich zur Belastung des Bogens C E verhält, wie A C : D C = A : A — e und dass also die Last, welche im Punkte C senk- recht herabwirkt = (P + Z) [FORMEL] ist. Hieraus ergibt sich, wenn wir in der obigen Gleichung I statt P die Grösse (P + Z) [FORMEL], statt A die Grösse A — e und statt B die Grösse B + b set- Gerstners Mechanik I. Band. 61

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/513>, abgerufen am 24.11.2024.