Das Tragungsvermögen eines schief liegenden Balkens wird auf folgende Art bestimmt:
Nehmen wir zuerst an, es sey M N ein unschwerer Balken, welcher auf zwei festen Fig. 1. Tab. 15.Unterlagen liegt und mit dem Horizonte M R einen beliebigen Winkel N M R = a bildet; es wirke ferner in irgend einem Punkte O eine Kraft S in der auf die Länge des Balkens winkelrechten Richtung O q, so wird dieser Fall von jenem im §. 291 enthalte- nen in nichts, als in der absoluten Lage verschieden seyn; es muss daher auch hier eine eben solche Gleichung wie dort statt finden, d. i.
[Formel 1]
, wenn wir hier die Entfernung der Kraft von der Mitte, nämlich C O = E setzen.
Denken wir uns nun an eben diesem Balken in demselben Punkte O die Last Q frei aufgehängt, also die Kraft in einer schiefen Richtung auf den Balken wirkend, so lässt sich Q durch O n vorstellen, und in zwei Seitenkräfte zerlegen, wovon O p nach der Richtung des Balkens und O q senkrecht auf denselben wirkt; es werden daher O p und O q dieselbe Wirkung hervorbringen, welche O n früher äusserte. Die Kraft O p wirkt in der Richtung des Balkens und strebt ihn über seine Unterlagen abgleiten zu machen, wesshalb er auf jeden Fall durch eine gleiche entgegenwirkende Kraft gehalten werden muss; allein auf die Biegung oder den Bruch des Balkens kann O p nicht einwirken, und ist in dieser Hinsicht so gut als gar nicht vorhanden zu betrachten.
Die zweite Kraft O q hat genau die Richtung wie die vorher genannte, und bewirkt daher allein die Spannung des Balkens; bezeichnen wir diese Kraft O q = S, so be- steht die obige Gleichung
[Formel 2]
(I); nun ist der Winkel O n p eben so gross als der Winkel N M R = a, demnach haben wir S : Q = Cos a : 1, also S = Q. Cos a (II).
Da aber auch das Dreieck O n p dem Dreiecke N M R ähnlich ist, so ist auch S : Q = p n : O n = M R : M N = b : L, wenn M R = b und M N = L ist; also auch
[Formel 3]
(III).
Werden diese Werthe statt S in die Gleichung (I) gesetzt, so ist
[Formel 4]
und auch
[Formel 5]
, wobei, wenn man das eigene Gewicht des Balkens mit berücksichtigen will, unter Q nicht bloss der vertikale Druck (O n), sondern auch das halbe Gewicht des Balkens mit begriffen werden muss.
Bezeichnen wir das Tragungsvermögen eines wagerechten Balkens
[Formel 6]
mit W, so ist dasselbe für den schief liegenden Balken
[Formel 7]
oder
[Formel 8]
. Man findet daher das Tragungsvermögen eines schief liegenden Balkens, wenn man sein Tragungsvermögen für die wagerechte Lage sucht, und dieses entweder mit dem Cosinus seines Neigungswinkels divi-
Relative Festigkeit der Körper.
§. 299.
Das Tragungsvermögen eines schief liegenden Balkens wird auf folgende Art bestimmt:
Nehmen wir zuerst an, es sey M N ein unschwerer Balken, welcher auf zwei festen Fig. 1. Tab. 15.Unterlagen liegt und mit dem Horizonte M R einen beliebigen Winkel N M R = α bildet; es wirke ferner in irgend einem Punkte O eine Kraft S in der auf die Länge des Balkens winkelrechten Richtung O q, so wird dieser Fall von jenem im §. 291 enthalte- nen in nichts, als in der absoluten Lage verschieden seyn; es muss daher auch hier eine eben solche Gleichung wie dort statt finden, d. i.
[Formel 1]
, wenn wir hier die Entfernung der Kraft von der Mitte, nämlich C O = E setzen.
Denken wir uns nun an eben diesem Balken in demselben Punkte O die Last Q frei aufgehängt, also die Kraft in einer schiefen Richtung auf den Balken wirkend, so lässt sich Q durch O n vorstellen, und in zwei Seitenkräfte zerlegen, wovon O p nach der Richtung des Balkens und O q senkrecht auf denselben wirkt; es werden daher O p und O q dieselbe Wirkung hervorbringen, welche O n früher äusserte. Die Kraft O p wirkt in der Richtung des Balkens und strebt ihn über seine Unterlagen abgleiten zu machen, wesshalb er auf jeden Fall durch eine gleiche entgegenwirkende Kraft gehalten werden muss; allein auf die Biegung oder den Bruch des Balkens kann O p nicht einwirken, und ist in dieser Hinsicht so gut als gar nicht vorhanden zu betrachten.
Die zweite Kraft O q hat genau die Richtung wie die vorher genannte, und bewirkt daher allein die Spannung des Balkens; bezeichnen wir diese Kraft O q = S, so be- steht die obige Gleichung
[Formel 2]
(I); nun ist der Winkel O n p eben so gross als der Winkel N M R = α, demnach haben wir S : Q = Cos α : 1, also S = Q. Cos α (II).
Da aber auch das Dreieck O n p dem Dreiecke N M R ähnlich ist, so ist auch S : Q = p n : O n = M R : M N = b : L, wenn M R = b und M N = L ist; also auch
[Formel 3]
(III).
Werden diese Werthe statt S in die Gleichung (I) gesetzt, so ist
[Formel 4]
und auch
[Formel 5]
, wobei, wenn man das eigene Gewicht des Balkens mit berücksichtigen will, unter Q nicht bloss der vertikale Druck (O n), sondern auch das halbe Gewicht des Balkens mit begriffen werden muss.
Bezeichnen wir das Tragungsvermögen eines wagerechten Balkens
[Formel 6]
mit W, so ist dasselbe für den schief liegenden Balken
[Formel 7]
oder
[Formel 8]
. Man findet daher das Tragungsvermögen eines schief liegenden Balkens, wenn man sein Tragungsvermögen für die wagerechte Lage sucht, und dieses entweder mit dem Cosinus seines Neigungswinkels divi-
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Relative Festigkeit der Körper.
§. 299.
Das Tragungsvermögen eines schief liegenden Balkens wird auf
folgende Art bestimmt:
Nehmen wir zuerst an, es sey M N ein unschwerer Balken, welcher auf zwei festen
Unterlagen liegt und mit dem Horizonte M R einen beliebigen Winkel N M R = α
bildet; es wirke ferner in irgend einem Punkte O eine Kraft S in der auf die Länge des
Balkens winkelrechten Richtung O q, so wird dieser Fall von jenem im §. 291 enthalte-
nen in nichts, als in der absoluten Lage verschieden seyn; es muss daher auch hier
eine eben solche Gleichung wie dort statt finden, d. i.
[FORMEL], wenn wir hier die Entfernung der Kraft von der
Mitte, nämlich C O = E setzen.
Fig.
1.
Tab.
15.
Denken wir uns nun an eben diesem Balken in demselben Punkte O die Last Q frei
aufgehängt, also die Kraft in einer schiefen Richtung auf den Balken wirkend, so lässt
sich Q durch O n vorstellen, und in zwei Seitenkräfte zerlegen, wovon O p nach der
Richtung des Balkens und O q senkrecht auf denselben wirkt; es werden daher O p und
O q dieselbe Wirkung hervorbringen, welche O n früher äusserte. Die Kraft O p wirkt
in der Richtung des Balkens und strebt ihn über seine Unterlagen abgleiten zu machen,
wesshalb er auf jeden Fall durch eine gleiche entgegenwirkende Kraft gehalten werden
muss; allein auf die Biegung oder den Bruch des Balkens kann O p nicht einwirken, und
ist in dieser Hinsicht so gut als gar nicht vorhanden zu betrachten.
Die zweite Kraft O q hat genau die Richtung wie die vorher genannte, und bewirkt
daher allein die Spannung des Balkens; bezeichnen wir diese Kraft O q = S, so be-
steht die obige Gleichung [FORMEL] (I); nun ist der Winkel O n p eben so gross
als der Winkel N M R = α, demnach haben wir S : Q = Cos α : 1, also S = Q. Cos α (II).
Da aber auch das Dreieck O n p dem Dreiecke N M R ähnlich ist, so ist auch
S : Q = p n : O n = M R : M N = b : L, wenn M R = b und M N = L ist; also auch
[FORMEL] (III).
Werden diese Werthe statt S in die Gleichung (I) gesetzt, so ist [FORMEL]
und auch [FORMEL], wobei, wenn man das eigene Gewicht des Balkens
mit berücksichtigen will, unter Q nicht bloss der vertikale Druck (O n), sondern auch das
halbe Gewicht des Balkens mit begriffen werden muss.
Bezeichnen wir das Tragungsvermögen eines wagerechten Balkens [FORMEL] mit
W, so ist dasselbe für den schief liegenden Balken [FORMEL] oder [FORMEL]. Man
findet daher das Tragungsvermögen eines schief liegenden Balkens,
wenn man sein Tragungsvermögen für die wagerechte Lage sucht,
und dieses entweder mit dem Cosinus seines Neigungswinkels divi-
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/336>, abgerufen am 28.11.2024.
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