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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
gestellt werden kann, sondern immer mit einem Antheile des einen oder andern
gemischt erscheint. Man hat in dieser Hinsicht schon seit längerer Zeit das roth-
brüchige Eisen von dem kaltbrüchigen unterschieden, und durch genaue chemische
Analysen in dem ersten Schwefel, und in dem zweiten Phosphor vorgefunden. Es
gibt aber noch sehr viele andere Metalle, die das Eisen verunreinigen, als: Sili-
cium, Calcium, Aluminium, Titan, Chrom
u. dgl. m.
b) Der dreifache Zustand, in welchem das Eisen aus den Erzen dargestellt und zum
Gebrauche verarbeitet wird, ist hauptsächlich Ursache, dass selten ein Stab von
ganz gleichförmigem Eisen angetroffen wird, und wenn zwei Stäbe aus derselben
Hütte an mehreren Stellen gebrochen werden, so findet man aller Orten sehr auf-
fallende Verschiedenheiten im Korne und in der Textur, wodurch sich die rohen,
stahlartigen und faserigen Eisentheile unterscheiden, und dem Auge bemerklich
machen.
c) Der Einfluss, den die sorgfältigere Bearbeitung des Eisens durch wie-
derholtes Ausglühen, Schweissen und Strecken durch Hammer- und Walzwerke auf
seine Qualität und Festigkeit hat, ist allgemein bekannt. Bei den meisten Versuchen
hat das zu Draht gezogene Eisen nach Maassgabe der Feinheit des Drahtes eine grös-
sere Festigkeit gezeigt, wovon die Ursache wohl darin liegt, dass die Eisentheile
von minderer Qualität bei der Operation des Drahtziehens bereits zerrissen wurden,
demnach nur das beste und gleichartigste Eisen übrig blieb. In Böhmen wird das-
jenige Eisen für das beste gehalten, welches aus Blechabschnitten, alten Nägeln
u. dgl. m. in hiezu eigends eingerichteten Hammerwerken bereitet wird. In Eng-
land wird dasselbe Eisen durch Walzen bearbeitet, und wegen seiner vorzüglichen
Qualität unter dem Namen: "Scrap Iron" zu den höchsten Preisen verkauft. Zu
den neuesten englischen Kettenbrücken wurde das Eisen nach hierüber erhalte-
nen Nachrichten auf eine Art bearbeitet, welche der bekannten Raffinirung des Stah-
les ähnlich ist. Es wurde nämlich das nach der Puddlings Methode gefrischte Ei-
sen vorläufig zu dünnen Eisenplatten gewalzt, diese in schwache Stäbe zerschnit-
ten, in Bündel gebunden, abermals zusammengeschweisst und wieder gewalzt;
nachdem aber diese Operation zweimal wiederholt worden, sind erst die Kettenstäbe
nach den verlangten Maassen hieraus verfertigt worden.
§. 277.

Der Umstand, dass diese Methode für die meisten Eisenwerke in Deutschland bei
dem Gebrauche der Holzkohlen zu kostbar, und für den gewöhnlichen Gebrauch des
Eisens überflüssig seyn dürfte, übrigens aber auch von keinem Eisenwerke für alle Fehler,
die sich bei der Bearbeitung des Eisens ergeben können, gut gestanden werden kann,
macht es begreiflich, dass die vollkommene Sicherheit hinsichtlich der Qualität und nö-
thigen Festigkeit des Eisens nur dadurch erzielt werden kann, indem man dasselbe vor-
hin mit einer grössern Last beschwert, als es bei dem nachherigen Gebrauche zu tragen
erhält. Dadurch wird nicht nur dem Bruche vorgebeugt, sondern auch noch die Eigen-
schaft des Eisens erzielt, dass durch die nachherige geringere Belastung die Gränze sei-
ner Elasticität nicht mehr überschritten wird, sonach das Eisen nach abgenommenem

Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
gestellt werden kann, sondern immer mit einem Antheile des einen oder andern
gemischt erscheint. Man hat in dieser Hinsicht schon seit längerer Zeit das roth-
brüchige Eisen von dem kaltbrüchigen unterschieden, und durch genaue chemische
Analysen in dem ersten Schwefel, und in dem zweiten Phosphor vorgefunden. Es
gibt aber noch sehr viele andere Metalle, die das Eisen verunreinigen, als: Sili-
cium, Calcium, Aluminium, Titan, Chrom
u. dgl. m.
b) Der dreifache Zustand, in welchem das Eisen aus den Erzen dargestellt und zum
Gebrauche verarbeitet wird, ist hauptsächlich Ursache, dass selten ein Stab von
ganz gleichförmigem Eisen angetroffen wird, und wenn zwei Stäbe aus derselben
Hütte an mehreren Stellen gebrochen werden, so findet man aller Orten sehr auf-
fallende Verschiedenheiten im Korne und in der Textur, wodurch sich die rohen,
stahlartigen und faserigen Eisentheile unterscheiden, und dem Auge bemerklich
machen.
c) Der Einfluss, den die sorgfältigere Bearbeitung des Eisens durch wie-
derholtes Ausglühen, Schweissen und Strecken durch Hammer- und Walzwerke auf
seine Qualität und Festigkeit hat, ist allgemein bekannt. Bei den meisten Versuchen
hat das zu Draht gezogene Eisen nach Maassgabe der Feinheit des Drahtes eine grös-
sere Festigkeit gezeigt, wovon die Ursache wohl darin liegt, dass die Eisentheile
von minderer Qualität bei der Operation des Drahtziehens bereits zerrissen wurden,
demnach nur das beste und gleichartigste Eisen übrig blieb. In Böhmen wird das-
jenige Eisen für das beste gehalten, welches aus Blechabschnitten, alten Nägeln
u. dgl. m. in hiezu eigends eingerichteten Hammerwerken bereitet wird. In Eng-
land wird dasselbe Eisen durch Walzen bearbeitet, und wegen seiner vorzüglichen
Qualität unter dem Namen: „Scrap Iron“ zu den höchsten Preisen verkauft. Zu
den neuesten englischen Kettenbrücken wurde das Eisen nach hierüber erhalte-
nen Nachrichten auf eine Art bearbeitet, welche der bekannten Raffinirung des Stah-
les ähnlich ist. Es wurde nämlich das nach der Puddlings Methode gefrischte Ei-
sen vorläufig zu dünnen Eisenplatten gewalzt, diese in schwache Stäbe zerschnit-
ten, in Bündel gebunden, abermals zusammengeschweisst und wieder gewalzt;
nachdem aber diese Operation zweimal wiederholt worden, sind erst die Kettenstäbe
nach den verlangten Maassen hieraus verfertigt worden.
§. 277.

Der Umstand, dass diese Methode für die meisten Eisenwerke in Deutschland bei
dem Gebrauche der Holzkohlen zu kostbar, und für den gewöhnlichen Gebrauch des
Eisens überflüssig seyn dürfte, übrigens aber auch von keinem Eisenwerke für alle Fehler,
die sich bei der Bearbeitung des Eisens ergeben können, gut gestanden werden kann,
macht es begreiflich, dass die vollkommene Sicherheit hinsichtlich der Qualität und nö-
thigen Festigkeit des Eisens nur dadurch erzielt werden kann, indem man dasselbe vor-
hin mit einer grössern Last beschwert, als es bei dem nachherigen Gebrauche zu tragen
erhält. Dadurch wird nicht nur dem Bruche vorgebeugt, sondern auch noch die Eigen-
schaft des Eisens erzielt, dass durch die nachherige geringere Belastung die Gränze sei-
ner Elasticität nicht mehr überschritten wird, sonach das Eisen nach abgenommenem

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[284/0314] Gesetze für die Festigkeit des Eisens. gestellt werden kann, sondern immer mit einem Antheile des einen oder andern gemischt erscheint. Man hat in dieser Hinsicht schon seit längerer Zeit das roth- brüchige Eisen von dem kaltbrüchigen unterschieden, und durch genaue chemische Analysen in dem ersten Schwefel, und in dem zweiten Phosphor vorgefunden. Es gibt aber noch sehr viele andere Metalle, die das Eisen verunreinigen, als: Sili- cium, Calcium, Aluminium, Titan, Chrom u. dgl. m. b) Der dreifache Zustand, in welchem das Eisen aus den Erzen dargestellt und zum Gebrauche verarbeitet wird, ist hauptsächlich Ursache, dass selten ein Stab von ganz gleichförmigem Eisen angetroffen wird, und wenn zwei Stäbe aus derselben Hütte an mehreren Stellen gebrochen werden, so findet man aller Orten sehr auf- fallende Verschiedenheiten im Korne und in der Textur, wodurch sich die rohen, stahlartigen und faserigen Eisentheile unterscheiden, und dem Auge bemerklich machen. c) Der Einfluss, den die sorgfältigere Bearbeitung des Eisens durch wie- derholtes Ausglühen, Schweissen und Strecken durch Hammer- und Walzwerke auf seine Qualität und Festigkeit hat, ist allgemein bekannt. Bei den meisten Versuchen hat das zu Draht gezogene Eisen nach Maassgabe der Feinheit des Drahtes eine grös- sere Festigkeit gezeigt, wovon die Ursache wohl darin liegt, dass die Eisentheile von minderer Qualität bei der Operation des Drahtziehens bereits zerrissen wurden, demnach nur das beste und gleichartigste Eisen übrig blieb. In Böhmen wird das- jenige Eisen für das beste gehalten, welches aus Blechabschnitten, alten Nägeln u. dgl. m. in hiezu eigends eingerichteten Hammerwerken bereitet wird. In Eng- land wird dasselbe Eisen durch Walzen bearbeitet, und wegen seiner vorzüglichen Qualität unter dem Namen: „Scrap Iron“ zu den höchsten Preisen verkauft. Zu den neuesten englischen Kettenbrücken wurde das Eisen nach hierüber erhalte- nen Nachrichten auf eine Art bearbeitet, welche der bekannten Raffinirung des Stah- les ähnlich ist. Es wurde nämlich das nach der Puddlings Methode gefrischte Ei- sen vorläufig zu dünnen Eisenplatten gewalzt, diese in schwache Stäbe zerschnit- ten, in Bündel gebunden, abermals zusammengeschweisst und wieder gewalzt; nachdem aber diese Operation zweimal wiederholt worden, sind erst die Kettenstäbe nach den verlangten Maassen hieraus verfertigt worden. §. 277. Der Umstand, dass diese Methode für die meisten Eisenwerke in Deutschland bei dem Gebrauche der Holzkohlen zu kostbar, und für den gewöhnlichen Gebrauch des Eisens überflüssig seyn dürfte, übrigens aber auch von keinem Eisenwerke für alle Fehler, die sich bei der Bearbeitung des Eisens ergeben können, gut gestanden werden kann, macht es begreiflich, dass die vollkommene Sicherheit hinsichtlich der Qualität und nö- thigen Festigkeit des Eisens nur dadurch erzielt werden kann, indem man dasselbe vor- hin mit einer grössern Last beschwert, als es bei dem nachherigen Gebrauche zu tragen erhält. Dadurch wird nicht nur dem Bruche vorgebeugt, sondern auch noch die Eigen- schaft des Eisens erzielt, dass durch die nachherige geringere Belastung die Gränze sei- ner Elasticität nicht mehr überschritten wird, sonach das Eisen nach abgenommenem

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/314>, abgerufen am 28.03.2024.