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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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III. Kapitel.
Festigkeit der Körper
.
§. 235.

Bei dem Baue der Maschinen und Gebäude ist es von Wichtigkeit, allen Theilen
eine solche Stärke und Festigkeit zu geben, damit sie bei ihrem Gebrauche nicht zer-
reissen, sich nicht übermässig biegen oder gar brechen; dagegen dürfen diese Theile
auch nicht so stark und massiv gemacht werden, dass sie den Kostenaufwand unnö-
thig vermehren, oder durch ihre zu grosse Schwere die Widerstände der Bewegung
vergrössern, oder wohl gar durch ihr eigenes Gewicht brechen.

Ein jeder Körper besteht aus unendlich vielen kleinen Theilchen, die auf eine
unbekannte Art an einander hängen. Man pflegt diesen Zusammenhang mit dem Wor-
te Cohaesion zu bezeichnen.

Alle Körper sind fähig, ihre Gestalt zu verändern, d. i. eine Aenderung an ihren
Maassen (Dimensionen) zu erleiden, oder ausgedehnt und zusammengedrückt zu wer-
den. Wenn Körper ihre Gestalt durch eine äussere Ursache (eine Kraft) ändern und
nach Aufhören derselben wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurücktreten, so be-
sitzen sie eine Federkraft und werden elastisch genannt. Nehmen die Körper ihre
ursprünglichen Maasse unverändert wieder an, so heissen sie vollkommen ela-
stisch
; bleibt aber nach aufgehobenem Drucke eine Aenderung zurück, so nennt man
sie unvollkommen elastisch.

§. 236.

Unter Festigkeit eines Körpers versteht man die Kraft, mit welcher derselbe
der Ausdehnung oder Verschiebung und Trennung seiner Theile widersteht. Man un-
terscheidet nach Verhältniss der Richtung der Kraft, welche eine Verlängerung oder
Verkürzung der Theile des Körpers zu bewirken strebt:

1tens. Die absolute Festigkeit, wenn die Kraft in der Richtung der Länge
des Körpers und seiner faserigen oder nervigten Theile angebracht ist, und sonach
eine Verlängerung oder das Zerreissen derselben zur Folge hat.
2tens. Die relative Festigkeit, wenn die Ausdehnung oder Trennung der
Theile nach einer andern Richtung erfolgt, als nach welcher die äussere Kraft
einwirkt. Man bezeichnet diess mit dem Worte zerbrechen.
3tens. Die rückwirkende Festigkeit, wenn die Kraft so wie die vorige nach
der Länge der faserigen Theile des Körpers jedoch in der entgegengesetzten Rich-
tung angebracht ist, und ein Zusammendrücken oder Ineinanderschieben dieser
Theile, sonach eine Verkürzung der Länge, oder das Zerdrücken des
Körpers zur Folge hat.
4tens. Die Festigkeit, womit die Körper dem Drehen widerstehen, wobei
nämlich einige Theile genöthigt werden, um eine gemeinschaftliche Achse grös-
sere Winkel als die übrigen zu beschreiben.
Gerstuer's Mechanik, Band I. 31
III. Kapitel.
Festigkeit der Körper
.
§. 235.

Bei dem Baue der Maschinen und Gebäude ist es von Wichtigkeit, allen Theilen
eine solche Stärke und Festigkeit zu geben, damit sie bei ihrem Gebrauche nicht zer-
reissen, sich nicht übermässig biegen oder gar brechen; dagegen dürfen diese Theile
auch nicht so stark und massiv gemacht werden, dass sie den Kostenaufwand unnö-
thig vermehren, oder durch ihre zu grosse Schwere die Widerstände der Bewegung
vergrössern, oder wohl gar durch ihr eigenes Gewicht brechen.

Ein jeder Körper besteht aus unendlich vielen kleinen Theilchen, die auf eine
unbekannte Art an einander hängen. Man pflegt diesen Zusammenhang mit dem Wor-
te Cohaesion zu bezeichnen.

Alle Körper sind fähig, ihre Gestalt zu verändern, d. i. eine Aenderung an ihren
Maassen (Dimensionen) zu erleiden, oder ausgedehnt und zusammengedrückt zu wer-
den. Wenn Körper ihre Gestalt durch eine äussere Ursache (eine Kraft) ändern und
nach Aufhören derselben wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurücktreten, so be-
sitzen sie eine Federkraft und werden elastisch genannt. Nehmen die Körper ihre
ursprünglichen Maasse unverändert wieder an, so heissen sie vollkommen ela-
stisch
; bleibt aber nach aufgehobenem Drucke eine Aenderung zurück, so nennt man
sie unvollkommen elastisch.

§. 236.

Unter Festigkeit eines Körpers versteht man die Kraft, mit welcher derselbe
der Ausdehnung oder Verschiebung und Trennung seiner Theile widersteht. Man un-
terscheidet nach Verhältniss der Richtung der Kraft, welche eine Verlängerung oder
Verkürzung der Theile des Körpers zu bewirken strebt:

1tens. Die absolute Festigkeit, wenn die Kraft in der Richtung der Länge
des Körpers und seiner faserigen oder nervigten Theile angebracht ist, und sonach
eine Verlängerung oder das Zerreissen derselben zur Folge hat.
2tens. Die relative Festigkeit, wenn die Ausdehnung oder Trennung der
Theile nach einer andern Richtung erfolgt, als nach welcher die äussere Kraft
einwirkt. Man bezeichnet diess mit dem Worte zerbrechen.
3tens. Die rückwirkende Festigkeit, wenn die Kraft so wie die vorige nach
der Länge der faserigen Theile des Körpers jedoch in der entgegengesetzten Rich-
tung angebracht ist, und ein Zusammendrücken oder Ineinanderschieben dieser
Theile, sonach eine Verkürzung der Länge, oder das Zerdrücken des
Körpers zur Folge hat.
4tens. Die Festigkeit, womit die Körper dem Drehen widerstehen, wobei
nämlich einige Theile genöthigt werden, um eine gemeinschaftliche Achse grös-
sere Winkel als die übrigen zu beschreiben.
Gerstuer’s Mechanik, Band I. 31
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[241/0271] III. Kapitel. Festigkeit der Körper. §. 235. Bei dem Baue der Maschinen und Gebäude ist es von Wichtigkeit, allen Theilen eine solche Stärke und Festigkeit zu geben, damit sie bei ihrem Gebrauche nicht zer- reissen, sich nicht übermässig biegen oder gar brechen; dagegen dürfen diese Theile auch nicht so stark und massiv gemacht werden, dass sie den Kostenaufwand unnö- thig vermehren, oder durch ihre zu grosse Schwere die Widerstände der Bewegung vergrössern, oder wohl gar durch ihr eigenes Gewicht brechen. Ein jeder Körper besteht aus unendlich vielen kleinen Theilchen, die auf eine unbekannte Art an einander hängen. Man pflegt diesen Zusammenhang mit dem Wor- te Cohaesion zu bezeichnen. Alle Körper sind fähig, ihre Gestalt zu verändern, d. i. eine Aenderung an ihren Maassen (Dimensionen) zu erleiden, oder ausgedehnt und zusammengedrückt zu wer- den. Wenn Körper ihre Gestalt durch eine äussere Ursache (eine Kraft) ändern und nach Aufhören derselben wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurücktreten, so be- sitzen sie eine Federkraft und werden elastisch genannt. Nehmen die Körper ihre ursprünglichen Maasse unverändert wieder an, so heissen sie vollkommen ela- stisch; bleibt aber nach aufgehobenem Drucke eine Aenderung zurück, so nennt man sie unvollkommen elastisch. §. 236. Unter Festigkeit eines Körpers versteht man die Kraft, mit welcher derselbe der Ausdehnung oder Verschiebung und Trennung seiner Theile widersteht. Man un- terscheidet nach Verhältniss der Richtung der Kraft, welche eine Verlängerung oder Verkürzung der Theile des Körpers zu bewirken strebt: 1tens. Die absolute Festigkeit, wenn die Kraft in der Richtung der Länge des Körpers und seiner faserigen oder nervigten Theile angebracht ist, und sonach eine Verlängerung oder das Zerreissen derselben zur Folge hat. 2tens. Die relative Festigkeit, wenn die Ausdehnung oder Trennung der Theile nach einer andern Richtung erfolgt, als nach welcher die äussere Kraft einwirkt. Man bezeichnet diess mit dem Worte zerbrechen. 3tens. Die rückwirkende Festigkeit, wenn die Kraft so wie die vorige nach der Länge der faserigen Theile des Körpers jedoch in der entgegengesetzten Rich- tung angebracht ist, und ein Zusammendrücken oder Ineinanderschieben dieser Theile, sonach eine Verkürzung der Länge, oder das Zerdrücken des Körpers zur Folge hat. 4tens. Die Festigkeit, womit die Körper dem Drehen widerstehen, wobei nämlich einige Theile genöthigt werden, um eine gemeinschaftliche Achse grös- sere Winkel als die übrigen zu beschreiben. Gerstuer’s Mechanik, Band I. 31

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/271>, abgerufen am 18.04.2024.