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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Hebel.
Fig.
3.
Tab.
1.

Wenn bei einem Hebel der Unterstützungspunkt C zwischen der Kraft P und der
Last Q sich befindet, so nennt man diess einen Hebel der ersten Art oder Druck-
hebel
. Zu den Hebeln der ersten Art gehören: die gemeine oder Krämerwaage, die
Schnellwaage, die Scheere, die Brechstange, der Geissfuss, die Kneipzange, die
Lichtscheere u. dgl.

Wenn aber die Kräfte nach verschiedenen Richtungen wirken, und der Unter-
stützungspunkt sich nicht zwischen denselben, sondern ausserhalb in C befindet, so
Fig.
4.
nennt man diess einen Hebel der zweiten Art. Die Ansicht dieses Hebels zeigt,
dass es wieder zwei Gattungen solcher Hebel gibt, da entweder die Last zwischen dem
Ruhepunkte und der Kraft, wie Fig. 4. oder die Kraft zwischen dem Ruhepunkte und der
Last liegt, wie Fig. 5. Den ersten nennt man einen Traghebel, den zweiten einen
Fig.
5.
Wurfhebel. Zur ersten Gattung gehört der Schubkarren oder die Scheibtruhe, das
an einem Ende befestigte Schneidemesser, die gewöhnliche Flachsbreche, die Ruder-
stange an Schiffen u. s. w. Zur zweiten Gattung die Schaufel, die Sense, der Arm des
menschlichen Körpers, wenn er eine Last hebt u. s. w.

§. 54.
Fig.
6.

Wenn ein gleich dicker prismatischer Körper z. B. ein Balken, eine Stange oder ein
Parallellopipedum genau in seiner Mitte C unterstützt wird, so ist kein Grund gedenkbar,
aus welchem eine Hälfte des Balkens von der andern eben so langen und eben so schwe-
ren Hälfte überwältigt und zum Sinken gebracht werden könnte; auch zeigt die Erfah-
rung, dass unter solchen Umständen das sich selbst überlassene Parallellopipedum ohne
Mittheilung einer Bewegung in Ruhe bleibt, oder dass nach dem gewöhnlichen Sprach-
gebrauche beide Hälften einander aufwiegen. Hieraus ergibt sich vorerst der Begriff vom
Schwerpunkte. Weil nämlich in dieser ruhigen Lage alle Theile des ganzen Körpers
mit einander im Gleichgewichte sind, und das Ganze nur von einer in dem Unter-
stätzungspunkte angebrachten Kraft aufrecht erhalten wird, so können wir uns den Stand
des Körpers so vorstellen, als ob sein ganzes Gewicht in diesem Punkte vereinigt
wäre. Der Schwerpunkt eines Körpers ist sonach derjenige Punkt, durch des-
sen Unterstützung der ganze Körper in Ruhe, oder in einer solchen Stellung erhal-
ten wird, dass kein Theil den andern in Bewegung setzen kann. Eine kreisrunde
gleich dicke Scheibe hat daher ihren Schwerpunkt im Mittelpunkte, wenn nämlich die
runde Scheibe aus einer Materie von gleicher Dichte besteht; eben so hat jedes gleich
dicke Prisma und jeder Cylinder den Schwerpunkt in der Mitte seiner Länge, Höhe und
Breite. Hieraus ersieht man aber auch zugleich, dass der Zustand des Gleichgewichtes
um den Schwerpunkt eines Prisma oder Cylinders sich nicht nur auf den horizontalen
Stand
beschränke, sondern auch in jeder andern schiefen Lage statt finde, weil in
einer jeden solchen Lage jedesmal zu beiden Seiten des Schwerpunktes alles gleich ist.
Es folgt noch weiters, dass wenn dergleichen Körper sich in einer drehenden Bewegung um
ihren Mittel- oder Schwerpunkt befinden, diese Bewegung nicht vom Körper selbst hervor-
gebracht worden sey und von seinen Theilen weder vermehrt noch vermindert werden kann.
Ein solcher in Bewegung gesetzter Körper würde sich daher auch mit unveränderlicher
Geschwindigkeit um den Schwerpunkt drehen, und diese Bewegung ohne Aufhören gleich-

Hebel.
Fig.
3.
Tab.
1.

Wenn bei einem Hebel der Unterstützungspunkt C zwischen der Kraft P und der
Last Q sich befindet, so nennt man diess einen Hebel der ersten Art oder Druck-
hebel
. Zu den Hebeln der ersten Art gehören: die gemeine oder Krämerwaage, die
Schnellwaage, die Scheere, die Brechstange, der Geissfuss, die Kneipzange, die
Lichtscheere u. dgl.

Wenn aber die Kräfte nach verschiedenen Richtungen wirken, und der Unter-
stützungspunkt sich nicht zwischen denselben, sondern ausserhalb in C befindet, so
Fig.
4.
nennt man diess einen Hebel der zweiten Art. Die Ansicht dieses Hebels zeigt,
dass es wieder zwei Gattungen solcher Hebel gibt, da entweder die Last zwischen dem
Ruhepunkte und der Kraft, wie Fig. 4. oder die Kraft zwischen dem Ruhepunkte und der
Last liegt, wie Fig. 5. Den ersten nennt man einen Traghebel, den zweiten einen
Fig.
5.
Wurfhebel. Zur ersten Gattung gehört der Schubkarren oder die Scheibtruhe, das
an einem Ende befestigte Schneidemesser, die gewöhnliche Flachsbreche, die Ruder-
stange an Schiffen u. s. w. Zur zweiten Gattung die Schaufel, die Sense, der Arm des
menschlichen Körpers, wenn er eine Last hebt u. s. w.

§. 54.
Fig.
6.

Wenn ein gleich dicker prismatischer Körper z. B. ein Balken, eine Stange oder ein
Parallellopipedum genau in seiner Mitte C unterstützt wird, so ist kein Grund gedenkbar,
aus welchem eine Hälfte des Balkens von der andern eben so langen und eben so schwe-
ren Hälfte überwältigt und zum Sinken gebracht werden könnte; auch zeigt die Erfah-
rung, dass unter solchen Umständen das sich selbst überlassene Parallellopipedum ohne
Mittheilung einer Bewegung in Ruhe bleibt, oder dass nach dem gewöhnlichen Sprach-
gebrauche beide Hälften einander aufwiegen. Hieraus ergibt sich vorerst der Begriff vom
Schwerpunkte. Weil nämlich in dieser ruhigen Lage alle Theile des ganzen Körpers
mit einander im Gleichgewichte sind, und das Ganze nur von einer in dem Unter-
stätzungspunkte angebrachten Kraft aufrecht erhalten wird, so können wir uns den Stand
des Körpers so vorstellen, als ob sein ganzes Gewicht in diesem Punkte vereinigt
wäre. Der Schwerpunkt eines Körpers ist sonach derjenige Punkt, durch des-
sen Unterstützung der ganze Körper in Ruhe, oder in einer solchen Stellung erhal-
ten wird, dass kein Theil den andern in Bewegung setzen kann. Eine kreisrunde
gleich dicke Scheibe hat daher ihren Schwerpunkt im Mittelpunkte, wenn nämlich die
runde Scheibe aus einer Materie von gleicher Dichte besteht; eben so hat jedes gleich
dicke Prisma und jeder Cylinder den Schwerpunkt in der Mitte seiner Länge, Höhe und
Breite. Hieraus ersieht man aber auch zugleich, dass der Zustand des Gleichgewichtes
um den Schwerpunkt eines Prisma oder Cylinders sich nicht nur auf den horizontalen
Stand
beschränke, sondern auch in jeder andern schiefen Lage statt finde, weil in
einer jeden solchen Lage jedesmal zu beiden Seiten des Schwerpunktes alles gleich ist.
Es folgt noch weiters, dass wenn dergleichen Körper sich in einer drehenden Bewegung um
ihren Mittel- oder Schwerpunkt befinden, diese Bewegung nicht vom Körper selbst hervor-
gebracht worden sey und von seinen Theilen weder vermehrt noch vermindert werden kann.
Ein solcher in Bewegung gesetzter Körper würde sich daher auch mit unveränderlicher
Geschwindigkeit um den Schwerpunkt drehen, und diese Bewegung ohne Aufhören gleich-

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[74/0104] Hebel. Wenn bei einem Hebel der Unterstützungspunkt C zwischen der Kraft P und der Last Q sich befindet, so nennt man diess einen Hebel der ersten Art oder Druck- hebel. Zu den Hebeln der ersten Art gehören: die gemeine oder Krämerwaage, die Schnellwaage, die Scheere, die Brechstange, der Geissfuss, die Kneipzange, die Lichtscheere u. dgl. Wenn aber die Kräfte nach verschiedenen Richtungen wirken, und der Unter- stützungspunkt sich nicht zwischen denselben, sondern ausserhalb in C befindet, so nennt man diess einen Hebel der zweiten Art. Die Ansicht dieses Hebels zeigt, dass es wieder zwei Gattungen solcher Hebel gibt, da entweder die Last zwischen dem Ruhepunkte und der Kraft, wie Fig. 4. oder die Kraft zwischen dem Ruhepunkte und der Last liegt, wie Fig. 5. Den ersten nennt man einen Traghebel, den zweiten einen Wurfhebel. Zur ersten Gattung gehört der Schubkarren oder die Scheibtruhe, das an einem Ende befestigte Schneidemesser, die gewöhnliche Flachsbreche, die Ruder- stange an Schiffen u. s. w. Zur zweiten Gattung die Schaufel, die Sense, der Arm des menschlichen Körpers, wenn er eine Last hebt u. s. w. Fig. 4. Fig. 5. §. 54. Wenn ein gleich dicker prismatischer Körper z. B. ein Balken, eine Stange oder ein Parallellopipedum genau in seiner Mitte C unterstützt wird, so ist kein Grund gedenkbar, aus welchem eine Hälfte des Balkens von der andern eben so langen und eben so schwe- ren Hälfte überwältigt und zum Sinken gebracht werden könnte; auch zeigt die Erfah- rung, dass unter solchen Umständen das sich selbst überlassene Parallellopipedum ohne Mittheilung einer Bewegung in Ruhe bleibt, oder dass nach dem gewöhnlichen Sprach- gebrauche beide Hälften einander aufwiegen. Hieraus ergibt sich vorerst der Begriff vom Schwerpunkte. Weil nämlich in dieser ruhigen Lage alle Theile des ganzen Körpers mit einander im Gleichgewichte sind, und das Ganze nur von einer in dem Unter- stätzungspunkte angebrachten Kraft aufrecht erhalten wird, so können wir uns den Stand des Körpers so vorstellen, als ob sein ganzes Gewicht in diesem Punkte vereinigt wäre. Der Schwerpunkt eines Körpers ist sonach derjenige Punkt, durch des- sen Unterstützung der ganze Körper in Ruhe, oder in einer solchen Stellung erhal- ten wird, dass kein Theil den andern in Bewegung setzen kann. Eine kreisrunde gleich dicke Scheibe hat daher ihren Schwerpunkt im Mittelpunkte, wenn nämlich die runde Scheibe aus einer Materie von gleicher Dichte besteht; eben so hat jedes gleich dicke Prisma und jeder Cylinder den Schwerpunkt in der Mitte seiner Länge, Höhe und Breite. Hieraus ersieht man aber auch zugleich, dass der Zustand des Gleichgewichtes um den Schwerpunkt eines Prisma oder Cylinders sich nicht nur auf den horizontalen Stand beschränke, sondern auch in jeder andern schiefen Lage statt finde, weil in einer jeden solchen Lage jedesmal zu beiden Seiten des Schwerpunktes alles gleich ist. Es folgt noch weiters, dass wenn dergleichen Körper sich in einer drehenden Bewegung um ihren Mittel- oder Schwerpunkt befinden, diese Bewegung nicht vom Körper selbst hervor- gebracht worden sey und von seinen Theilen weder vermehrt noch vermindert werden kann. Ein solcher in Bewegung gesetzter Körper würde sich daher auch mit unveränderlicher Geschwindigkeit um den Schwerpunkt drehen, und diese Bewegung ohne Aufhören gleich-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/104>, abgerufen am 24.11.2024.