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Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.

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Ugolino,
Bothe eines goldnen Morgens. Die Natur bedarf einer Er-
quickung. Sie scheint einen süßen Schlaf einzuladen; er ist mir
willkommen
Gaddo. Segne mich, mein Vater! Schon wird mir bänger.
Ugolino. Gott der Allmächtige segne dich! Gott der All-
mächtige segne euch beide! Harrt nicht des Menschen Hülfe, ihr
Lieben; vertraut Gott: sein heiliger Wille geschehe! (im Abgehen)
Noch Einmal, ihr Unschuldigen, vergebt mir!
(geht ab)
Anselmo. Du schweigst, Gaddo?
Gaddo. Was kann ich sagen? Bete für mich. Jch ent-
schlummre.
Anselmo. Jch will zur Thurmspitze hinaufgehen, wo Fran-
cesco sich Gott empfohl, und da für dich beten!
(küßt Gaddo und
geht langsam ab)
Dritter Aufzug.
Gaddo in einer Ecke des Zimmers schlafend. Einige Männer tragen
zween Särge über das Theater, die sie Gaddo gegen über hinstellen, daß
nur der vorderste gesehn wird. Gaddo erwacht und betrachtet ihn mit vie-
ler Aufmerksamkeit.
Gaddo.
Dieser große Kasten sieht natürlich aus, wie ein Todtenkasten.
Wenn ich den Kasten betrachte, richtet sich mein Haar ganz
langsam in die Höhe; weh mir! und ein Fieber klappert in meinen
Zähnen! Holla! spricht hier Niemand, als der kranke Gaddo?
(Es wird ein starkes Pochen im vordersten Sarge gehört) Ach, heilige
Jungfrau! was ist das? (Eine dumpfigte Stimme ruft Gaddo! Gaddo!)
Hilf mir! mein Vater! Mein Vater! Anselmo!
Ugolino. (ohne die Särge zu sehn) Was ist dir, Gaddo?
Gaddo. Oh mir! Die Gebeine haben sich geregt! rufen:
Gaddo! Gaddo!

An-
Ugolino,
Bothe eines goldnen Morgens. Die Natur bedarf einer Er-
quickung. Sie ſcheint einen ſuͤßen Schlaf einzuladen; er iſt mir
willkommen
Gaddo. Segne mich, mein Vater! Schon wird mir baͤnger.
Ugolino. Gott der Allmaͤchtige ſegne dich! Gott der All-
maͤchtige ſegne euch beide! Harrt nicht des Menſchen Huͤlfe, ihr
Lieben; vertraut Gott: ſein heiliger Wille geſchehe! (im Abgehen)
Noch Einmal, ihr Unſchuldigen, vergebt mir!
(geht ab)
Anſelmo. Du ſchweigſt, Gaddo?
Gaddo. Was kann ich ſagen? Bete fuͤr mich. Jch ent-
ſchlummre.
Anſelmo. Jch will zur Thurmſpitze hinaufgehen, wo Fran-
ceſco ſich Gott empfohl, und da fuͤr dich beten!
(kuͤßt Gaddo und
geht langſam ab)
Dritter Aufzug.
Gaddo in einer Ecke des Zimmers ſchlafend. Einige Maͤnner tragen
zween Saͤrge uͤber das Theater, die ſie Gaddo gegen uͤber hinſtellen, daß
nur der vorderſte geſehn wird. Gaddo erwacht und betrachtet ihn mit vie-
ler Aufmerkſamkeit.
Gaddo.
Dieſer große Kaſten ſieht natuͤrlich aus, wie ein Todtenkaſten.
Wenn ich den Kaſten betrachte, richtet ſich mein Haar ganz
langſam in die Hoͤhe; weh mir! und ein Fieber klappert in meinen
Zaͤhnen! Holla! ſpricht hier Niemand, als der kranke Gaddo?
(Es wird ein ſtarkes Pochen im vorderſten Sarge gehoͤrt) Ach, heilige
Jungfrau! was iſt das? (Eine dumpfigte Stimme ruft Gaddo! Gaddo!)
Hilf mir! mein Vater! Mein Vater! Anſelmo!
Ugolino. (ohne die Saͤrge zu ſehn) Was iſt dir, Gaddo?
Gaddo. Oh mir! Die Gebeine haben ſich geregt! rufen:
Gaddo! Gaddo!

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[28/0034] Ugolino, Bothe eines goldnen Morgens. Die Natur bedarf einer Er- quickung. Sie ſcheint einen ſuͤßen Schlaf einzuladen; er iſt mir willkommen Gaddo. Segne mich, mein Vater! Schon wird mir baͤnger. Ugolino. Gott der Allmaͤchtige ſegne dich! Gott der All- maͤchtige ſegne euch beide! Harrt nicht des Menſchen Huͤlfe, ihr Lieben; vertraut Gott: ſein heiliger Wille geſchehe! (im Abgehen) Noch Einmal, ihr Unſchuldigen, vergebt mir! (geht ab) Anſelmo. Du ſchweigſt, Gaddo? Gaddo. Was kann ich ſagen? Bete fuͤr mich. Jch ent- ſchlummre. Anſelmo. Jch will zur Thurmſpitze hinaufgehen, wo Fran- ceſco ſich Gott empfohl, und da fuͤr dich beten! (kuͤßt Gaddo und geht langſam ab) Dritter Aufzug. Gaddo in einer Ecke des Zimmers ſchlafend. Einige Maͤnner tragen zween Saͤrge uͤber das Theater, die ſie Gaddo gegen uͤber hinſtellen, daß nur der vorderſte geſehn wird. Gaddo erwacht und betrachtet ihn mit vie- ler Aufmerkſamkeit. Gaddo. Dieſer große Kaſten ſieht natuͤrlich aus, wie ein Todtenkaſten. Wenn ich den Kaſten betrachte, richtet ſich mein Haar ganz langſam in die Hoͤhe; weh mir! und ein Fieber klappert in meinen Zaͤhnen! Holla! ſpricht hier Niemand, als der kranke Gaddo? (Es wird ein ſtarkes Pochen im vorderſten Sarge gehoͤrt) Ach, heilige Jungfrau! was iſt das? (Eine dumpfigte Stimme ruft Gaddo! Gaddo!) Hilf mir! mein Vater! Mein Vater! Anſelmo! Ugolino. (ohne die Saͤrge zu ſehn) Was iſt dir, Gaddo? Gaddo. Oh mir! Die Gebeine haben ſich geregt! rufen: Gaddo! Gaddo! An-

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Zitationshilfe: Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/34>, abgerufen am 21.11.2024.