Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.zweyter Aufzug. Anselmo. (kömmt zurück) Der anmuthige Knabe betet. Was mag er beten? Jch will ihn nicht stöhren. Gaddo. Du stöhrst mich nicht, Auselmo: ich hatte das Gratias vergessen. Anselmo. So weißt du sie denn schon, die fröliche Neuig- keit? Gaddo. Wie sollt ich sie nicht wissen? Anselmo. Du hast uns belauscht, Schalk. Wars nicht ein köstlicher Anblick? eine bezaubernde Augenweide? Gaddo. Eine bezaubernde Mundsweide! Anselmo. Auch das, Gaddo. Eins folgt aus dem an- dern. Doch wünscht ich, daß du davon nicht zu viel er- wähntest. Gaddo. Wie das? Anselmo. Unter uns gesagt, meine Eßbegierde ist nie un- ruhiger gewesen. Gaddo. Jch konnt es merken. Du fielst grausam über die Schüsseln her. Anselmo. Jch fiel nicht, Gaddo, sondern ich möchte fallen. Gaddo. Dich hungert schon wieder? Eine seltsame Eßbe- gierde! Anselmo. Das ist lustig! Gaddo. Ungemein! Anselmo. Ha, ha, ha! Gaddo. Hi, hi, hi! Anselmo. Jmmer lustiger. Du bist leichter zu sättigen, als ich, Gaddo. Gaddo. Jch bin zufrieden, Anselmo; ich habe mein Theil genossen. (sich über den Mund streichelnd) Anselmo. Wenns aufs Geniessen ankömmt, so ist eine gute Aussicht mir bey weitem nicht zureichend. Gaddo. C
zweyter Aufzug. Anſelmo. (koͤmmt zuruͤck) Der anmuthige Knabe betet. Was mag er beten? Jch will ihn nicht ſtoͤhren. Gaddo. Du ſtoͤhrſt mich nicht, Auſelmo: ich hatte das Gratias vergeſſen. Anſelmo. So weißt du ſie denn ſchon, die froͤliche Neuig- keit? Gaddo. Wie ſollt ich ſie nicht wiſſen? Anſelmo. Du haſt uns belauſcht, Schalk. Wars nicht ein koͤſtlicher Anblick? eine bezaubernde Augenweide? Gaddo. Eine bezaubernde Mundsweide! Anſelmo. Auch das, Gaddo. Eins folgt aus dem an- dern. Doch wuͤnſcht ich, daß du davon nicht zu viel er- waͤhnteſt. Gaddo. Wie das? Anſelmo. Unter uns geſagt, meine Eßbegierde iſt nie un- ruhiger geweſen. Gaddo. Jch konnt es merken. Du fielſt grauſam uͤber die Schuͤſſeln her. Anſelmo. Jch fiel nicht, Gaddo, ſondern ich moͤchte fallen. Gaddo. Dich hungert ſchon wieder? Eine ſeltſame Eßbe- gierde! Anſelmo. Das iſt luſtig! Gaddo. Ungemein! Anſelmo. Ha, ha, ha! Gaddo. Hi, hi, hi! Anſelmo. Jmmer luſtiger. Du biſt leichter zu ſaͤttigen, als ich, Gaddo. Gaddo. Jch bin zufrieden, Anſelmo; ich habe mein Theil genoſſen. (ſich uͤber den Mund ſtreichelnd) Anſelmo. Wenns aufs Genieſſen ankoͤmmt, ſo iſt eine gute Ausſicht mir bey weitem nicht zureichend. Gaddo. C
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Gratias vergeſſen.
Anſelmo. So weißt du ſie denn ſchon, die froͤliche Neuig-
keit?
Gaddo. Wie ſollt ich ſie nicht wiſſen?
Anſelmo. Du haſt uns belauſcht, Schalk. Wars nicht
ein koͤſtlicher Anblick? eine bezaubernde Augenweide?
Gaddo. Eine bezaubernde Mundsweide!
Anſelmo. Auch das, Gaddo. Eins folgt aus dem an-
dern. Doch wuͤnſcht ich, daß du davon nicht zu viel er-
waͤhnteſt.
Gaddo. Wie das?
Anſelmo. Unter uns geſagt, meine Eßbegierde iſt nie un-
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Anſelmo. Jch fiel nicht, Gaddo, ſondern ich moͤchte
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Anſelmo. Das iſt luſtig!
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genoſſen. (ſich uͤber den Mund ſtreichelnd)
Anſelmo. Wenns aufs Genieſſen ankoͤmmt, ſo iſt eine
gute Ausſicht mir bey weitem nicht zureichend.
Gaddo.
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Zitationshilfe: | Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/23>, abgerufen am 17.07.2024. |