Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.den alten braunen Kirchthurm und die wettergrauen Dächer. Nichts als ein wildes Erlengestrüpp, mit einzelnen verkrüppelten Weiden dazwischen, dehnte sich vor ihm aus. Kein Weg war zu erkennen, der links oder rechts abführte, kein Zeichen einer menschlichen Wohnung in der Nähe. Heller und heller brach der Tag an; die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die weite, grüne, vor ihm ausgebreitete Fläche, und Arnold, nicht im Stande sich dieses Räthsel zu erklären, wanderte ein ganzes Stück den Grund zurück. Er mußte sich in der Nacht, während er den Ort suchte, ohne daß er es wußte, verirrt und weiter davon entfernt haben, und war jetzt fest entschlossen ihn wieder aufzufinden. Endlich erreichte er den Stein, an dem er Gertrud gezeichnet; den Platz hätte er unter tausenden wieder erkannt, denn der alte Fliederbusch mit seinen starren Aesten bezeichnete ihn zu genau. Er wußte jetzt genau, woher er gekommen war, und wo Germelshausen liegen mußte, und schritt rasch das Thal zurück, genau dieselbe Richtung beibehaltend, der er gestern mit Gertrud gefolgt war. Dort erkannte er auch die Biegung des Hanges, über dem der düstere Höhenrauch gelegen; nur das Erlengebüsch schied ihn noch von den ersten Häusern. Jetzt hatte er es erreicht -- drängte sich hindurch und -- befand sich wieder in dem nämlichen sumpfigen Moraste, in dem er in der letzten Nacht herumgewatet. Vollständig rathlos und seinen eigenen Sinnen den alten braunen Kirchthurm und die wettergrauen Dächer. Nichts als ein wildes Erlengestrüpp, mit einzelnen verkrüppelten Weiden dazwischen, dehnte sich vor ihm aus. Kein Weg war zu erkennen, der links oder rechts abführte, kein Zeichen einer menschlichen Wohnung in der Nähe. Heller und heller brach der Tag an; die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die weite, grüne, vor ihm ausgebreitete Fläche, und Arnold, nicht im Stande sich dieses Räthsel zu erklären, wanderte ein ganzes Stück den Grund zurück. Er mußte sich in der Nacht, während er den Ort suchte, ohne daß er es wußte, verirrt und weiter davon entfernt haben, und war jetzt fest entschlossen ihn wieder aufzufinden. Endlich erreichte er den Stein, an dem er Gertrud gezeichnet; den Platz hätte er unter tausenden wieder erkannt, denn der alte Fliederbusch mit seinen starren Aesten bezeichnete ihn zu genau. Er wußte jetzt genau, woher er gekommen war, und wo Germelshausen liegen mußte, und schritt rasch das Thal zurück, genau dieselbe Richtung beibehaltend, der er gestern mit Gertrud gefolgt war. Dort erkannte er auch die Biegung des Hanges, über dem der düstere Höhenrauch gelegen; nur das Erlengebüsch schied ihn noch von den ersten Häusern. Jetzt hatte er es erreicht — drängte sich hindurch und — befand sich wieder in dem nämlichen sumpfigen Moraste, in dem er in der letzten Nacht herumgewatet. Vollständig rathlos und seinen eigenen Sinnen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0046"/> den alten braunen Kirchthurm und die wettergrauen Dächer. Nichts als ein wildes Erlengestrüpp, mit einzelnen verkrüppelten Weiden dazwischen, dehnte sich vor ihm aus. Kein Weg war zu erkennen, der links oder rechts abführte, kein Zeichen einer menschlichen Wohnung in der Nähe.</p><lb/> <p>Heller und heller brach der Tag an; die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die weite, grüne, vor ihm ausgebreitete Fläche, und Arnold, nicht im Stande sich dieses Räthsel zu erklären, wanderte ein ganzes Stück den Grund zurück. Er mußte sich in der Nacht, während er den Ort suchte, ohne daß er es wußte, verirrt und weiter davon entfernt haben, und war jetzt fest entschlossen ihn wieder aufzufinden.</p><lb/> <p>Endlich erreichte er den Stein, an dem er Gertrud gezeichnet; den Platz hätte er unter tausenden wieder erkannt, denn der alte Fliederbusch mit seinen starren Aesten bezeichnete ihn zu genau. Er wußte jetzt genau, woher er gekommen war, und wo Germelshausen liegen mußte, und schritt rasch das Thal zurück, genau dieselbe Richtung beibehaltend, der er gestern mit Gertrud gefolgt war. Dort erkannte er auch die Biegung des Hanges, über dem der düstere Höhenrauch gelegen; nur das Erlengebüsch schied ihn noch von den ersten Häusern. Jetzt hatte er es erreicht — drängte sich hindurch und — befand sich wieder in dem nämlichen sumpfigen Moraste, in dem er in der letzten Nacht herumgewatet.</p><lb/> <p>Vollständig rathlos und seinen eigenen Sinnen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
den alten braunen Kirchthurm und die wettergrauen Dächer. Nichts als ein wildes Erlengestrüpp, mit einzelnen verkrüppelten Weiden dazwischen, dehnte sich vor ihm aus. Kein Weg war zu erkennen, der links oder rechts abführte, kein Zeichen einer menschlichen Wohnung in der Nähe.
Heller und heller brach der Tag an; die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die weite, grüne, vor ihm ausgebreitete Fläche, und Arnold, nicht im Stande sich dieses Räthsel zu erklären, wanderte ein ganzes Stück den Grund zurück. Er mußte sich in der Nacht, während er den Ort suchte, ohne daß er es wußte, verirrt und weiter davon entfernt haben, und war jetzt fest entschlossen ihn wieder aufzufinden.
Endlich erreichte er den Stein, an dem er Gertrud gezeichnet; den Platz hätte er unter tausenden wieder erkannt, denn der alte Fliederbusch mit seinen starren Aesten bezeichnete ihn zu genau. Er wußte jetzt genau, woher er gekommen war, und wo Germelshausen liegen mußte, und schritt rasch das Thal zurück, genau dieselbe Richtung beibehaltend, der er gestern mit Gertrud gefolgt war. Dort erkannte er auch die Biegung des Hanges, über dem der düstere Höhenrauch gelegen; nur das Erlengebüsch schied ihn noch von den ersten Häusern. Jetzt hatte er es erreicht — drängte sich hindurch und — befand sich wieder in dem nämlichen sumpfigen Moraste, in dem er in der letzten Nacht herumgewatet.
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Zitationshilfe: | Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstaecker_germelshausen_1910/46>, abgerufen am 16.07.2024. |