Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Es ist Mittagszeit, sagte Gertrud ruhig, und da sind die Leute nicht zum Reden aufgelegt; heint Abend werdet Ihr sie desto lauter finden. Gott sei Dank! rief Arnold, da sind wenigstens Kinder, die auf der Straße spielen -- mir fing es hier schon an ganz unheimlich zu werden; da feiern sie in Bischofsroda den Sonntag auf andere Art. Dort ist auch meines Vaters Haus, sagte Gertrud leise. Dem aber, lachte Arnold, darf ich nicht so unversehens Mittags in die Schüssel fallen. Ich könnte ihm ungelegen kommen, und habe beim Essen gern freundliche Gesichter um mich her. Zeig mir deßhalb lieber das Wirthshaus, mein Kind, oder laß mich es selber finden, denn Germelshausen wird von anderen Dörfern keine Ausnahme machen. Dicht neben der Kirche steht auch gewöhnlich die Schenke, und wenn man nur dem Thurme folgt, geht man nie fehl. Da habt Ihr Recht; das ist bei uns gerade so, sagte Gertrud ruhig; aber daheim erwarten sie uns schon, und Ihr braucht nicht zu fürchten, daß man Euch unfreundlich aufnimmt. Erwarten sie uns? ah, du meinst dich und deinen Heinrich? Ja, Gertrud, wenn du mich heute an dessen Stelle nehmen wolltest, dann bliebe ich bei dir -- so lange -- bis du mich selber wieder fort gehen hießest. Er hatte die letzten Worte fast unwillkürlich mit Es ist Mittagszeit, sagte Gertrud ruhig, und da sind die Leute nicht zum Reden aufgelegt; heint Abend werdet Ihr sie desto lauter finden. Gott sei Dank! rief Arnold, da sind wenigstens Kinder, die auf der Straße spielen — mir fing es hier schon an ganz unheimlich zu werden; da feiern sie in Bischofsroda den Sonntag auf andere Art. Dort ist auch meines Vaters Haus, sagte Gertrud leise. Dem aber, lachte Arnold, darf ich nicht so unversehens Mittags in die Schüssel fallen. Ich könnte ihm ungelegen kommen, und habe beim Essen gern freundliche Gesichter um mich her. Zeig mir deßhalb lieber das Wirthshaus, mein Kind, oder laß mich es selber finden, denn Germelshausen wird von anderen Dörfern keine Ausnahme machen. Dicht neben der Kirche steht auch gewöhnlich die Schenke, und wenn man nur dem Thurme folgt, geht man nie fehl. Da habt Ihr Recht; das ist bei uns gerade so, sagte Gertrud ruhig; aber daheim erwarten sie uns schon, und Ihr braucht nicht zu fürchten, daß man Euch unfreundlich aufnimmt. Erwarten sie uns? ah, du meinst dich und deinen Heinrich? Ja, Gertrud, wenn du mich heute an dessen Stelle nehmen wolltest, dann bliebe ich bei dir — so lange — bis du mich selber wieder fort gehen hießest. Er hatte die letzten Worte fast unwillkürlich mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <pb facs="#f0020"/> <p>Es ist Mittagszeit, sagte Gertrud ruhig, und da sind die Leute nicht zum Reden aufgelegt; heint Abend werdet Ihr sie desto lauter finden.</p><lb/> <p>Gott sei Dank! rief Arnold, da sind wenigstens Kinder, die auf der Straße spielen — mir fing es hier schon an ganz unheimlich zu werden; da feiern sie in Bischofsroda den Sonntag auf andere Art.</p><lb/> <p>Dort ist auch meines Vaters Haus, sagte Gertrud leise.</p><lb/> <p>Dem aber, lachte Arnold, darf ich nicht so unversehens Mittags in die Schüssel fallen. Ich könnte ihm ungelegen kommen, und habe beim Essen gern freundliche Gesichter um mich her. Zeig mir deßhalb lieber das Wirthshaus, mein Kind, oder laß mich es selber finden, denn Germelshausen wird von anderen Dörfern keine Ausnahme machen. Dicht neben der Kirche steht auch gewöhnlich die Schenke, und wenn man nur dem Thurme folgt, geht man nie fehl.</p><lb/> <p>Da habt Ihr Recht; das ist bei uns gerade so, sagte Gertrud ruhig; aber daheim erwarten sie uns schon, und Ihr braucht nicht zu fürchten, daß man Euch unfreundlich aufnimmt.</p><lb/> <p>Erwarten sie uns? ah, du meinst dich und deinen Heinrich? Ja, Gertrud, wenn du mich heute an dessen Stelle nehmen wolltest, dann bliebe ich bei dir — so lange — bis du mich selber wieder fort gehen hießest.</p><lb/> <p>Er hatte die letzten Worte fast unwillkürlich mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Es ist Mittagszeit, sagte Gertrud ruhig, und da sind die Leute nicht zum Reden aufgelegt; heint Abend werdet Ihr sie desto lauter finden.
Gott sei Dank! rief Arnold, da sind wenigstens Kinder, die auf der Straße spielen — mir fing es hier schon an ganz unheimlich zu werden; da feiern sie in Bischofsroda den Sonntag auf andere Art.
Dort ist auch meines Vaters Haus, sagte Gertrud leise.
Dem aber, lachte Arnold, darf ich nicht so unversehens Mittags in die Schüssel fallen. Ich könnte ihm ungelegen kommen, und habe beim Essen gern freundliche Gesichter um mich her. Zeig mir deßhalb lieber das Wirthshaus, mein Kind, oder laß mich es selber finden, denn Germelshausen wird von anderen Dörfern keine Ausnahme machen. Dicht neben der Kirche steht auch gewöhnlich die Schenke, und wenn man nur dem Thurme folgt, geht man nie fehl.
Da habt Ihr Recht; das ist bei uns gerade so, sagte Gertrud ruhig; aber daheim erwarten sie uns schon, und Ihr braucht nicht zu fürchten, daß man Euch unfreundlich aufnimmt.
Erwarten sie uns? ah, du meinst dich und deinen Heinrich? Ja, Gertrud, wenn du mich heute an dessen Stelle nehmen wolltest, dann bliebe ich bei dir — so lange — bis du mich selber wieder fort gehen hießest.
Er hatte die letzten Worte fast unwillkürlich mit
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Zitationshilfe: | Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstaecker_germelshausen_1910/20>, abgerufen am 16.02.2025. |