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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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9. Kapitel. Die Kampfesweise der Torpedoboote.
und intelligenten Besatzungen, bei vollster Uebereinstimmung, bei ge-
wissenhaftester Ausbildung, bei Darangabe aller Geistes- und Körper-
kräfte, bei einer Elitetruppe und bei tadellosem Kriegsmateriale.

Angesichts der Schwierigkeit der Aufgaben darf es nicht über-
raschen, wenn hier und da während der Uebungen zur Erlangung der
weiter oben genannten Meisterschaft eine Beschädigung, ja selbst der
Verlust von Booten vorkommt. Ja man möchte fast geneigt sein,
zu glauben, daß da, wo gar keine Zusammenstöße etc. sich ereignen,
die Ausbildung für den Ernstfall nicht mit dem nöthigen Nachdruck
betrieben wird. Jedenfalls wäre es ein gewaltiger Irrthum, aus
vorgekommenen Havarien und Verlusten ohne Weiteres auf mangel-
haftes Personal und Material zu schließen. Jede Erfahrung will
erkauft sein, und erfolgt die Bezahlung nicht sichtbar durch auf-
fälligen Verbrauch von Material, so erfolgt sie durch Aufbrauch von
Menschenkräften, d. h. von den die Ausbildung leitenden Offizieren.
Bis zu welcher Höhe die Ausbildung auch des Unterpersonals ge-
trieben werden muß, wird erhellen, wenn man bedenkt, daß die
Unteroffiziere befähigt sein müssen, den Offizier, wenn dieser fehlt,
zeitweilig zu ersetzen.

Ueber die Taktik der Torpedoboote bei Nachtangriffen ließe sich
noch Vieles sagen, es erscheint dies aber nicht angezeigt und würde
den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.

Erwähnt mag indessen noch sein, daß nicht die Ausführung von
Nachtangriffen allein die Aufgabe der Torpedoboote ist. Zu ihren
Obliegenheiten gehören noch der Aufklärungs- und der Vorposten-
dienst, die Sicherung der Flotte auf dem Marsche, der Nachrichten-
und Depeschendienst und Anderes mehr, das sich ebenfalls der Dar-
legung in diesem Buche entzieht. Es sind das Aufgaben, welche den
Torpedobooten dann und darum übertragen werden, wenn und weil
andere geeignete Fahrzeuge, wie Aufklärungsschiffe, Avisos oder kleine
Kreuzer, nicht zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der Taktik interessiren
diese Zweige der Kriegführung zur See an dieser Stelle auch nur
darum, weil die Boote bei diesen Gelegenheiten leicht in einen Tag-
kampf verwickelt werden können.

Nach dem, was aus fremden Marinen hierüber bekannt ge-
worden ist -- denn die taktischen werden mit Recht fast mehr als
die militärisch-technischen Errungenschaften geheim gehalten --, scheint

9. Kapitel. Die Kampfesweiſe der Torpedoboote.
und intelligenten Beſatzungen, bei vollſter Uebereinſtimmung, bei ge-
wiſſenhafteſter Ausbildung, bei Darangabe aller Geiſtes- und Körper-
kräfte, bei einer Elitetruppe und bei tadelloſem Kriegsmateriale.

Angeſichts der Schwierigkeit der Aufgaben darf es nicht über-
raſchen, wenn hier und da während der Uebungen zur Erlangung der
weiter oben genannten Meiſterſchaft eine Beſchädigung, ja ſelbſt der
Verluſt von Booten vorkommt. Ja man möchte faſt geneigt ſein,
zu glauben, daß da, wo gar keine Zuſammenſtöße etc. ſich ereignen,
die Ausbildung für den Ernſtfall nicht mit dem nöthigen Nachdruck
betrieben wird. Jedenfalls wäre es ein gewaltiger Irrthum, aus
vorgekommenen Havarien und Verluſten ohne Weiteres auf mangel-
haftes Perſonal und Material zu ſchließen. Jede Erfahrung will
erkauft ſein, und erfolgt die Bezahlung nicht ſichtbar durch auf-
fälligen Verbrauch von Material, ſo erfolgt ſie durch Aufbrauch von
Menſchenkräften, d. h. von den die Ausbildung leitenden Offizieren.
Bis zu welcher Höhe die Ausbildung auch des Unterperſonals ge-
trieben werden muß, wird erhellen, wenn man bedenkt, daß die
Unteroffiziere befähigt ſein müſſen, den Offizier, wenn dieſer fehlt,
zeitweilig zu erſetzen.

Ueber die Taktik der Torpedoboote bei Nachtangriffen ließe ſich
noch Vieles ſagen, es erſcheint dies aber nicht angezeigt und würde
den Rahmen dieſer Arbeit überſchreiten.

Erwähnt mag indeſſen noch ſein, daß nicht die Ausführung von
Nachtangriffen allein die Aufgabe der Torpedoboote iſt. Zu ihren
Obliegenheiten gehören noch der Aufklärungs- und der Vorpoſten-
dienſt, die Sicherung der Flotte auf dem Marſche, der Nachrichten-
und Depeſchendienſt und Anderes mehr, das ſich ebenfalls der Dar-
legung in dieſem Buche entzieht. Es ſind das Aufgaben, welche den
Torpedobooten dann und darum übertragen werden, wenn und weil
andere geeignete Fahrzeuge, wie Aufklärungsſchiffe, Aviſos oder kleine
Kreuzer, nicht zur Verfügung ſtehen. Hinſichtlich der Taktik intereſſiren
dieſe Zweige der Kriegführung zur See an dieſer Stelle auch nur
darum, weil die Boote bei dieſen Gelegenheiten leicht in einen Tag-
kampf verwickelt werden können.

Nach dem, was aus fremden Marinen hierüber bekannt ge-
worden iſt — denn die taktiſchen werden mit Recht faſt mehr als
die militäriſch-techniſchen Errungenſchaften geheim gehalten —, ſcheint

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[79/0099] 9. Kapitel. Die Kampfesweiſe der Torpedoboote. und intelligenten Beſatzungen, bei vollſter Uebereinſtimmung, bei ge- wiſſenhafteſter Ausbildung, bei Darangabe aller Geiſtes- und Körper- kräfte, bei einer Elitetruppe und bei tadelloſem Kriegsmateriale. Angeſichts der Schwierigkeit der Aufgaben darf es nicht über- raſchen, wenn hier und da während der Uebungen zur Erlangung der weiter oben genannten Meiſterſchaft eine Beſchädigung, ja ſelbſt der Verluſt von Booten vorkommt. Ja man möchte faſt geneigt ſein, zu glauben, daß da, wo gar keine Zuſammenſtöße etc. ſich ereignen, die Ausbildung für den Ernſtfall nicht mit dem nöthigen Nachdruck betrieben wird. Jedenfalls wäre es ein gewaltiger Irrthum, aus vorgekommenen Havarien und Verluſten ohne Weiteres auf mangel- haftes Perſonal und Material zu ſchließen. Jede Erfahrung will erkauft ſein, und erfolgt die Bezahlung nicht ſichtbar durch auf- fälligen Verbrauch von Material, ſo erfolgt ſie durch Aufbrauch von Menſchenkräften, d. h. von den die Ausbildung leitenden Offizieren. Bis zu welcher Höhe die Ausbildung auch des Unterperſonals ge- trieben werden muß, wird erhellen, wenn man bedenkt, daß die Unteroffiziere befähigt ſein müſſen, den Offizier, wenn dieſer fehlt, zeitweilig zu erſetzen. Ueber die Taktik der Torpedoboote bei Nachtangriffen ließe ſich noch Vieles ſagen, es erſcheint dies aber nicht angezeigt und würde den Rahmen dieſer Arbeit überſchreiten. Erwähnt mag indeſſen noch ſein, daß nicht die Ausführung von Nachtangriffen allein die Aufgabe der Torpedoboote iſt. Zu ihren Obliegenheiten gehören noch der Aufklärungs- und der Vorpoſten- dienſt, die Sicherung der Flotte auf dem Marſche, der Nachrichten- und Depeſchendienſt und Anderes mehr, das ſich ebenfalls der Dar- legung in dieſem Buche entzieht. Es ſind das Aufgaben, welche den Torpedobooten dann und darum übertragen werden, wenn und weil andere geeignete Fahrzeuge, wie Aufklärungsſchiffe, Aviſos oder kleine Kreuzer, nicht zur Verfügung ſtehen. Hinſichtlich der Taktik intereſſiren dieſe Zweige der Kriegführung zur See an dieſer Stelle auch nur darum, weil die Boote bei dieſen Gelegenheiten leicht in einen Tag- kampf verwickelt werden können. Nach dem, was aus fremden Marinen hierüber bekannt ge- worden iſt — denn die taktiſchen werden mit Recht faſt mehr als die militäriſch-techniſchen Errungenſchaften geheim gehalten —, ſcheint

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/99>, abgerufen am 24.11.2024.