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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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8. Kapitel. Die Anforderungen an kriegsbrauchbare Torpedoboote etc.

Ein gutes, bewährtes, deutsches Sprüchwort indessen sagt:
"Allzuscharf macht schartig", und das trifft auch bei Torpedobooten
zu. Denn allerdings giebt es auch bei den Torpedobooten An-
forderungen, die der größtmöglichen Schnelligkeit recht unbequem sind.

So ist es gleich die nächste Anforderung, die Kleinheit, welche,
wie schon im vorigen Kapitel gezeigt, der Geschwindigkeit recht
ungünstig ist. Nicht direkt darum, weil das kleinere Boot eine un-
verhältnißmäßig stärkere Maschine beansprucht, als vielmehr, weil
diese mehr Kohlen verbraucht und damit den sogenannten Aktions-
radius
der Boote sehr verringert, und weil das kleinere Boot im
Seegange seine Geschwindigkeit schneller und früher verliert wie ein
größeres.

Hinsichtlich der Taktik aber sind bei gleicher Schnelligkeit kleine
Boote den größeren vorzuziehen. Liegt schon in der Möglichkeit,
dem feindlichen Feuer schnell zu entweichen, eine gewisse Defensivkraft,
so ist es die Kleinheit der Boote fast allein, welche den übrigen Theil
der Defensivkraft ausmacht. Je kleiner das Boot, desto leichter ist
das unbemerkte Herankommen an den Feind, desto geringer die Ziel-
fläche, desto geringer die Chance, durch feindliches Feuer vernichtet zu
werden. Der Aktionsradius der Boote muß ein möglichst großer
sein, denn es wird nicht immer die Gelegenheit da sein, von Neuem
Kohlen nehmen zu können. Ohne Kohlen aber ist das Torpedoboot
mehr wie jedes andere Kriegsschiff ein flügellahmer Streiter. Große
Kohlenvorräthe wiegen wiederum viel; jedes Kilogramm Gewicht
mehr bedeutet eine geringere Geschwindigkeit, und viele Kohlen lassen
sich in einem kleinen Boote nicht unterbringen.

Je kleiner das Boot ist, desto größer ist seine Manövrir-
fähigkeit
. In kurzem Bogen muß das Boot bei fliegender Fahrt
abbiegen können. Das kann ein kleines und kurzes Boot besser
wie ein großes und langes.

Dabei soll das Boot stabil sein, denn bei ungenügender
Stabilität dürfte man derartige Manöver nicht wagen.

Stabilität nennt man das Bestreben eines Fahrzeuges, die auf-
rechte Lage wieder einzunehmen, nachdem es aus dieser Lage durch
irgend welche Kräfte gebracht ist.

Man findet hierbei fast immer, daß von großer und geringer
Stabilität gesprochen wird. Es wird damit aber nicht das Richtige

8. Kapitel. Die Anforderungen an kriegsbrauchbare Torpedoboote etc.

Ein gutes, bewährtes, deutſches Sprüchwort indeſſen ſagt:
„Allzuſcharf macht ſchartig“, und das trifft auch bei Torpedobooten
zu. Denn allerdings giebt es auch bei den Torpedobooten An-
forderungen, die der größtmöglichen Schnelligkeit recht unbequem ſind.

So iſt es gleich die nächſte Anforderung, die Kleinheit, welche,
wie ſchon im vorigen Kapitel gezeigt, der Geſchwindigkeit recht
ungünſtig iſt. Nicht direkt darum, weil das kleinere Boot eine un-
verhältnißmäßig ſtärkere Maſchine beanſprucht, als vielmehr, weil
dieſe mehr Kohlen verbraucht und damit den ſogenannten Aktions-
radius
der Boote ſehr verringert, und weil das kleinere Boot im
Seegange ſeine Geſchwindigkeit ſchneller und früher verliert wie ein
größeres.

Hinſichtlich der Taktik aber ſind bei gleicher Schnelligkeit kleine
Boote den größeren vorzuziehen. Liegt ſchon in der Möglichkeit,
dem feindlichen Feuer ſchnell zu entweichen, eine gewiſſe Defenſivkraft,
ſo iſt es die Kleinheit der Boote faſt allein, welche den übrigen Theil
der Defenſivkraft ausmacht. Je kleiner das Boot, deſto leichter iſt
das unbemerkte Herankommen an den Feind, deſto geringer die Ziel-
fläche, deſto geringer die Chance, durch feindliches Feuer vernichtet zu
werden. Der Aktionsradius der Boote muß ein möglichſt großer
ſein, denn es wird nicht immer die Gelegenheit da ſein, von Neuem
Kohlen nehmen zu können. Ohne Kohlen aber iſt das Torpedoboot
mehr wie jedes andere Kriegsſchiff ein flügellahmer Streiter. Große
Kohlenvorräthe wiegen wiederum viel; jedes Kilogramm Gewicht
mehr bedeutet eine geringere Geſchwindigkeit, und viele Kohlen laſſen
ſich in einem kleinen Boote nicht unterbringen.

Je kleiner das Boot iſt, deſto größer iſt ſeine Manövrir-
fähigkeit
. In kurzem Bogen muß das Boot bei fliegender Fahrt
abbiegen können. Das kann ein kleines und kurzes Boot beſſer
wie ein großes und langes.

Dabei ſoll das Boot ſtabil ſein, denn bei ungenügender
Stabilität dürfte man derartige Manöver nicht wagen.

Stabilität nennt man das Beſtreben eines Fahrzeuges, die auf-
rechte Lage wieder einzunehmen, nachdem es aus dieſer Lage durch
irgend welche Kräfte gebracht iſt.

Man findet hierbei faſt immer, daß von großer und geringer
Stabilität geſprochen wird. Es wird damit aber nicht das Richtige

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[69/0087] 8. Kapitel. Die Anforderungen an kriegsbrauchbare Torpedoboote etc. Ein gutes, bewährtes, deutſches Sprüchwort indeſſen ſagt: „Allzuſcharf macht ſchartig“, und das trifft auch bei Torpedobooten zu. Denn allerdings giebt es auch bei den Torpedobooten An- forderungen, die der größtmöglichen Schnelligkeit recht unbequem ſind. So iſt es gleich die nächſte Anforderung, die Kleinheit, welche, wie ſchon im vorigen Kapitel gezeigt, der Geſchwindigkeit recht ungünſtig iſt. Nicht direkt darum, weil das kleinere Boot eine un- verhältnißmäßig ſtärkere Maſchine beanſprucht, als vielmehr, weil dieſe mehr Kohlen verbraucht und damit den ſogenannten Aktions- radius der Boote ſehr verringert, und weil das kleinere Boot im Seegange ſeine Geſchwindigkeit ſchneller und früher verliert wie ein größeres. Hinſichtlich der Taktik aber ſind bei gleicher Schnelligkeit kleine Boote den größeren vorzuziehen. Liegt ſchon in der Möglichkeit, dem feindlichen Feuer ſchnell zu entweichen, eine gewiſſe Defenſivkraft, ſo iſt es die Kleinheit der Boote faſt allein, welche den übrigen Theil der Defenſivkraft ausmacht. Je kleiner das Boot, deſto leichter iſt das unbemerkte Herankommen an den Feind, deſto geringer die Ziel- fläche, deſto geringer die Chance, durch feindliches Feuer vernichtet zu werden. Der Aktionsradius der Boote muß ein möglichſt großer ſein, denn es wird nicht immer die Gelegenheit da ſein, von Neuem Kohlen nehmen zu können. Ohne Kohlen aber iſt das Torpedoboot mehr wie jedes andere Kriegsſchiff ein flügellahmer Streiter. Große Kohlenvorräthe wiegen wiederum viel; jedes Kilogramm Gewicht mehr bedeutet eine geringere Geſchwindigkeit, und viele Kohlen laſſen ſich in einem kleinen Boote nicht unterbringen. Je kleiner das Boot iſt, deſto größer iſt ſeine Manövrir- fähigkeit. In kurzem Bogen muß das Boot bei fliegender Fahrt abbiegen können. Das kann ein kleines und kurzes Boot beſſer wie ein großes und langes. Dabei ſoll das Boot ſtabil ſein, denn bei ungenügender Stabilität dürfte man derartige Manöver nicht wagen. Stabilität nennt man das Beſtreben eines Fahrzeuges, die auf- rechte Lage wieder einzunehmen, nachdem es aus dieſer Lage durch irgend welche Kräfte gebracht iſt. Man findet hierbei faſt immer, daß von großer und geringer Stabilität geſprochen wird. Es wird damit aber nicht das Richtige

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/87>, abgerufen am 25.11.2024.