Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Erster Abschnitt. gegenwärtigen Ausdruck findet es in dem Bestehen desDeutschen Bundes. Dieser ist aber nicht selbst eine Staatsgewalt, welche kraft eigener Hoheit regiert und den Einzelstaaten das Recht der staatlichen Selbstbe- stimmung nur jenseits des Umfangs des eigenen Macht- kreises offen lässt, sondern ein zwar immerwährender, aber doch nur völkerrechtlicher Verband, dessen Einfluss auf die Bundesglieder, soweit er nicht durch die Grund- gesetze des Deutschen Bundes schon ein für allemal be- stimmt ist, jederzeit die freie Vereinbarung derselben voraussetzt; er tritt mithin nicht als Act einer unmittel- bar wirkenden regierenden Gewalt, sondern nur als die Folge einer vertragsmässigen Verpflichtung der im Bunde begriffenen Regierungen hervor.3 Der Deutsche Bund ist m. a. W. kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund, in welchem der rechtliche Begriff der Souverainetät der einzelnen Bundesstaaten gewahrt bleibt.4 Indessen ent- 3 Hiermit ist der am meisten characteristische Gegensatz zwischen Bundesstaat und Staatenbund gekennzeichnet. Jener ist eine zwar auf einen gewissen Kreis beschränkte, innerhalb desselben aber wirkliche Staatsgewalt mit unmittelbarer Beherr- schung des Volks; dieser enthält nur eine Verbindung zum Zwecke der Ermöglichung einer fortgesetzten vertragsmässigen Einigung der verbundenen Regierungen, deren Resultat zunächst nur die Letzteren bindet, das Volk erst durch hinzutretende besondere Sanction seiner eigenen Staatsgewalt. Die Competenz des Ver- tragsorgans des Staatenbundes wird sich der Natur der Sache nach vorzugsweise auf die Erhaltung der äusseren und inneren Sicher- heit der Bundesstaaten beziehen, aber es ist nicht wesentlich, dass sie sich hierauf beschränke und nicht auch einzelne Gebiete des inneren Staatslebens berühre. Diess Letztere ist beim deutschen Bunde der Fall. 4 Rechtlich sind hiernach alle deutsche Staaten, unter Vor-
aussetzung der Wahrung ihrer Bundespflichten, souverain. Aber Erster Abschnitt. gegenwärtigen Ausdruck findet es in dem Bestehen desDeutschen Bundes. Dieser ist aber nicht selbst eine Staatsgewalt, welche kraft eigener Hoheit regiert und den Einzelstaaten das Recht der staatlichen Selbstbe- stimmung nur jenseits des Umfangs des eigenen Macht- kreises offen lässt, sondern ein zwar immerwährender, aber doch nur völkerrechtlicher Verband, dessen Einfluss auf die Bundesglieder, soweit er nicht durch die Grund- gesetze des Deutschen Bundes schon ein für allemal be- stimmt ist, jederzeit die freie Vereinbarung derselben voraussetzt; er tritt mithin nicht als Act einer unmittel- bar wirkenden regierenden Gewalt, sondern nur als die Folge einer vertragsmässigen Verpflichtung der im Bunde begriffenen Regierungen hervor.3 Der Deutsche Bund ist m. a. W. kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund, in welchem der rechtliche Begriff der Souverainetät der einzelnen Bundesstaaten gewahrt bleibt.4 Indessen ent- 3 Hiermit ist der am meisten characteristische Gegensatz zwischen Bundesstaat und Staatenbund gekennzeichnet. Jener ist eine zwar auf einen gewissen Kreis beschränkte, innerhalb desselben aber wirkliche Staatsgewalt mit unmittelbarer Beherr- schung des Volks; dieser enthält nur eine Verbindung zum Zwecke der Ermöglichung einer fortgesetzten vertragsmässigen Einigung der verbundenen Regierungen, deren Resultat zunächst nur die Letzteren bindet, das Volk erst durch hinzutretende besondere Sanction seiner eigenen Staatsgewalt. Die Competenz des Ver- tragsorgans des Staatenbundes wird sich der Natur der Sache nach vorzugsweise auf die Erhaltung der äusseren und inneren Sicher- heit der Bundesstaaten beziehen, aber es ist nicht wesentlich, dass sie sich hierauf beschränke und nicht auch einzelne Gebiete des inneren Staatslebens berühre. Diess Letztere ist beim deutschen Bunde der Fall. 4 Rechtlich sind hiernach alle deutsche Staaten, unter Vor-
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Erster Abschnitt.
gegenwärtigen Ausdruck findet es in dem Bestehen des
Deutschen Bundes. Dieser ist aber nicht selbst eine
Staatsgewalt, welche kraft eigener Hoheit regiert und
den Einzelstaaten das Recht der staatlichen Selbstbe-
stimmung nur jenseits des Umfangs des eigenen Macht-
kreises offen lässt, sondern ein zwar immerwährender,
aber doch nur völkerrechtlicher Verband, dessen Einfluss
auf die Bundesglieder, soweit er nicht durch die Grund-
gesetze des Deutschen Bundes schon ein für allemal be-
stimmt ist, jederzeit die freie Vereinbarung derselben
voraussetzt; er tritt mithin nicht als Act einer unmittel-
bar wirkenden regierenden Gewalt, sondern nur als die
Folge einer vertragsmässigen Verpflichtung der im Bunde
begriffenen Regierungen hervor. 3 Der Deutsche Bund
ist m. a. W. kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund,
in welchem der rechtliche Begriff der Souverainetät der
einzelnen Bundesstaaten gewahrt bleibt. 4 Indessen ent-
3 Hiermit ist der am meisten characteristische Gegensatz
zwischen Bundesstaat und Staatenbund gekennzeichnet. Jener
ist eine zwar auf einen gewissen Kreis beschränkte, innerhalb
desselben aber wirkliche Staatsgewalt mit unmittelbarer Beherr-
schung des Volks; dieser enthält nur eine Verbindung zum Zwecke
der Ermöglichung einer fortgesetzten vertragsmässigen Einigung
der verbundenen Regierungen, deren Resultat zunächst nur die
Letzteren bindet, das Volk erst durch hinzutretende besondere
Sanction seiner eigenen Staatsgewalt. Die Competenz des Ver-
tragsorgans des Staatenbundes wird sich der Natur der Sache nach
vorzugsweise auf die Erhaltung der äusseren und inneren Sicher-
heit der Bundesstaaten beziehen, aber es ist nicht wesentlich, dass
sie sich hierauf beschränke und nicht auch einzelne Gebiete des
inneren Staatslebens berühre. Diess Letztere ist beim deutschen
Bunde der Fall.
4 Rechtlich sind hiernach alle deutsche Staaten, unter Vor-
aussetzung der Wahrung ihrer Bundespflichten, souverain. Aber
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