Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger. werden, wenn die Klage gegen den schuldigen Beamtenwegen Mangels an Zahlungsmitteln erfolglos geblieben ist; denn in der Aufstellung eines mit öffentlicher Auctorität bekleideten Beamten und der Nöthigung des Publicums, mit ihm als Vertreter der Obrigkeit zu ver- kehren, liegt die stillschweigende Uebernahme einer subsidiären Garantie für die durch pflichtwidrige Aus- übung der ihm anvertrauten Amtsbefugnisse oder Ver- nachlässigung seiner amtlichen Pflichten entstandenen Forderungen.5 In allen Fällen, in welchen hiernach ein 5 Ueber diese viel besprochene Frage siehe Pfeiffer, prak-
tische Ausführungen, II. S. 361 flg., III. S. 380 flg., VIII. S. 521 flg. Schwarze, in der Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung in Sachsen, Neue Folge, Bd. 11. S. 113 flg., Bd. 12. S. 289 flg., Bd. 18. S. 193 flg. (diese Abhandlung behandelt principaliter die Lehre von der Schädensklage gegen den Richter selbst und nur nebenbei die Frage über die Haftung des Staats), besonders aber Zachariä in der Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaften, Jahrgang 1863 S. 582 flg., dessen Ausführungen ich durchweg für richtig halte. Von der hier besprochenen Haftung des Staats, welche lediglich auf staatsrechtlichen Gründen beruht, muss natürlich die Haftung des Fiscus aus rein privatrechtlichen Geschäften ihrer Mandatare und Institoren (z. B. bei der Postver- waltung) unterschieden werden. Die staatsrechtliche Haftung beruht auf einem in der öffentlichen Autorisation des Beamten enthaltenen stillschweigenden Garantieversprechen. Sie ist daher eine subsidiäre, -- was freilich sehr bestritten ist. Mit Recht hat Zachariä ausgeführt, dass die Haftung auch bezüg- lich der richterlichen Beamten in ihrer richterlichen Thätigkeit stattfindet; denn der Umstand, dass die Partei sich in der Regel durch Ergreifung von Rechtsmitteln gegen eine Schadenszufügung schützen kann, bedeutet nur, dass dem Staate für den Fall der Unterlassung hieraus eine Einrede erwächst; die Unabhängigkeit des Gerichts will nicht eine Loslösung desselben von der staat- lichen Autorität sein. Die ganze Lehre von der staatsrechtlichen Haftung des Staats wird aus unzureichenden Gründen für Preussen verneint von v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 304. §. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger. werden, wenn die Klage gegen den schuldigen Beamtenwegen Mangels an Zahlungsmitteln erfolglos geblieben ist; denn in der Aufstellung eines mit öffentlicher Auctorität bekleideten Beamten und der Nöthigung des Publicums, mit ihm als Vertreter der Obrigkeit zu ver- kehren, liegt die stillschweigende Uebernahme einer subsidiären Garantie für die durch pflichtwidrige Aus- übung der ihm anvertrauten Amtsbefugnisse oder Ver- nachlässigung seiner amtlichen Pflichten entstandenen Forderungen.5 In allen Fällen, in welchen hiernach ein 5 Ueber diese viel besprochene Frage siehe Pfeiffer, prak-
tische Ausführungen, II. S. 361 flg., III. S. 380 flg., VIII. S. 521 flg. Schwarze, in der Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung in Sachsen, Neue Folge, Bd. 11. S. 113 flg., Bd. 12. S. 289 flg., Bd. 18. S. 193 flg. (diese Abhandlung behandelt principaliter die Lehre von der Schädensklage gegen den Richter selbst und nur nebenbei die Frage über die Haftung des Staats), besonders aber Zachariä in der Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaften, Jahrgang 1863 S. 582 flg., dessen Ausführungen ich durchweg für richtig halte. Von der hier besprochenen Haftung des Staats, welche lediglich auf staatsrechtlichen Gründen beruht, muss natürlich die Haftung des Fiscus aus rein privatrechtlichen Geschäften ihrer Mandatare und Institoren (z. B. bei der Postver- waltung) unterschieden werden. Die staatsrechtliche Haftung beruht auf einem in der öffentlichen Autorisation des Beamten enthaltenen stillschweigenden Garantieversprechen. Sie ist daher eine subsidiäre, — was freilich sehr bestritten ist. Mit Recht hat Zachariä ausgeführt, dass die Haftung auch bezüg- lich der richterlichen Beamten in ihrer richterlichen Thätigkeit stattfindet; denn der Umstand, dass die Partei sich in der Regel durch Ergreifung von Rechtsmitteln gegen eine Schadenszufügung schützen kann, bedeutet nur, dass dem Staate für den Fall der Unterlassung hieraus eine Einrede erwächst; die Unabhängigkeit des Gerichts will nicht eine Loslösung desselben von der staat- lichen Autorität sein. Die ganze Lehre von der staatsrechtlichen Haftung des Staats wird aus unzureichenden Gründen für Preussen verneint von v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 304. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0221" n="203"/><fw place="top" type="header">§. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger.</fw><lb/> werden, wenn die Klage gegen den schuldigen Beamten<lb/> wegen Mangels an Zahlungsmitteln erfolglos geblieben<lb/> ist; denn in der Aufstellung eines mit öffentlicher<lb/> Auctorität bekleideten Beamten und der Nöthigung des<lb/> Publicums, mit ihm als Vertreter der Obrigkeit zu ver-<lb/> kehren, liegt die stillschweigende Uebernahme einer<lb/> subsidiären Garantie für die durch pflichtwidrige Aus-<lb/> übung der ihm anvertrauten Amtsbefugnisse oder Ver-<lb/> nachlässigung seiner amtlichen Pflichten entstandenen<lb/> Forderungen.<note place="foot" n="5">Ueber diese viel besprochene Frage siehe <hi rendition="#g">Pfeiffer</hi>, prak-<lb/> tische Ausführungen, II. S. 361 flg., III. S. 380 flg., VIII. S. 521 flg.<lb/><hi rendition="#g">Schwarze</hi>, in der Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung<lb/> in Sachsen, Neue Folge, Bd. 11. S. 113 flg., Bd. 12. S. 289 flg.,<lb/> Bd. 18. S. 193 flg. (diese Abhandlung behandelt principaliter die<lb/> Lehre von der Schädensklage gegen den Richter selbst und nur<lb/> nebenbei die Frage über die Haftung des Staats), besonders aber<lb/><hi rendition="#g">Zachariä</hi> in der Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaften,<lb/> Jahrgang 1863 S. 582 flg., dessen Ausführungen ich durchweg für<lb/> richtig halte. Von der hier besprochenen Haftung des Staats,<lb/> welche lediglich auf <hi rendition="#g">staatsrechtlichen</hi> Gründen beruht, muss<lb/> natürlich die Haftung des Fiscus aus rein <hi rendition="#g">privatrechtlichen</hi><lb/> Geschäften ihrer Mandatare und Institoren (z. B. bei der Postver-<lb/> waltung) unterschieden werden. Die staatsrechtliche Haftung<lb/> beruht auf einem in der öffentlichen Autorisation des Beamten<lb/> enthaltenen stillschweigenden <hi rendition="#g">Garantieversprechen</hi>. Sie ist<lb/> daher eine <hi rendition="#g">subsidiäre</hi>, — was freilich sehr bestritten ist. Mit<lb/> Recht hat <hi rendition="#g">Zachariä</hi> ausgeführt, dass die Haftung auch bezüg-<lb/> lich der richterlichen Beamten in ihrer richterlichen Thätigkeit<lb/> stattfindet; denn der Umstand, dass die Partei sich in der Regel<lb/> durch Ergreifung von Rechtsmitteln gegen eine Schadenszufügung<lb/> schützen kann, bedeutet nur, dass dem Staate für den Fall der<lb/> Unterlassung hieraus eine Einrede erwächst; die Unabhängigkeit<lb/> des Gerichts will nicht eine Loslösung desselben von der staat-<lb/> lichen Autorität sein. Die ganze Lehre von der staatsrechtlichen<lb/> Haftung des Staats wird aus unzureichenden Gründen für Preussen<lb/> verneint von v. <hi rendition="#g">Rönne</hi>, Preussisches Staatsrecht, §. 304.</note> In allen Fällen, in welchen hiernach ein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0221]
§. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger.
werden, wenn die Klage gegen den schuldigen Beamten
wegen Mangels an Zahlungsmitteln erfolglos geblieben
ist; denn in der Aufstellung eines mit öffentlicher
Auctorität bekleideten Beamten und der Nöthigung des
Publicums, mit ihm als Vertreter der Obrigkeit zu ver-
kehren, liegt die stillschweigende Uebernahme einer
subsidiären Garantie für die durch pflichtwidrige Aus-
übung der ihm anvertrauten Amtsbefugnisse oder Ver-
nachlässigung seiner amtlichen Pflichten entstandenen
Forderungen. 5 In allen Fällen, in welchen hiernach ein
5 Ueber diese viel besprochene Frage siehe Pfeiffer, prak-
tische Ausführungen, II. S. 361 flg., III. S. 380 flg., VIII. S. 521 flg.
Schwarze, in der Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung
in Sachsen, Neue Folge, Bd. 11. S. 113 flg., Bd. 12. S. 289 flg.,
Bd. 18. S. 193 flg. (diese Abhandlung behandelt principaliter die
Lehre von der Schädensklage gegen den Richter selbst und nur
nebenbei die Frage über die Haftung des Staats), besonders aber
Zachariä in der Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaften,
Jahrgang 1863 S. 582 flg., dessen Ausführungen ich durchweg für
richtig halte. Von der hier besprochenen Haftung des Staats,
welche lediglich auf staatsrechtlichen Gründen beruht, muss
natürlich die Haftung des Fiscus aus rein privatrechtlichen
Geschäften ihrer Mandatare und Institoren (z. B. bei der Postver-
waltung) unterschieden werden. Die staatsrechtliche Haftung
beruht auf einem in der öffentlichen Autorisation des Beamten
enthaltenen stillschweigenden Garantieversprechen. Sie ist
daher eine subsidiäre, — was freilich sehr bestritten ist. Mit
Recht hat Zachariä ausgeführt, dass die Haftung auch bezüg-
lich der richterlichen Beamten in ihrer richterlichen Thätigkeit
stattfindet; denn der Umstand, dass die Partei sich in der Regel
durch Ergreifung von Rechtsmitteln gegen eine Schadenszufügung
schützen kann, bedeutet nur, dass dem Staate für den Fall der
Unterlassung hieraus eine Einrede erwächst; die Unabhängigkeit
des Gerichts will nicht eine Loslösung desselben von der staat-
lichen Autorität sein. Die ganze Lehre von der staatsrechtlichen
Haftung des Staats wird aus unzureichenden Gründen für Preussen
verneint von v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 304.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |