Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 60. Individualrechte. Bildet dagegen die Mitgliedschaft des hohen Adels eineincidente Präjudicialfrage bei einem vor den gewöhn- lichen Landesgerichten anhängigen Processe, so haben diese auch über jene Frage mit zu entscheiden.3 Han- delt es sich sodann um eine Weigerung der Landes- regierung, die im Artikel 14. verliehenen Privilegien einzuräumen, oder um eine Verletzung derselben durch die Landesgesetzgebung, so steht dem Verletzten nach Art. 63. der Wiener Schlussacte der Weg der Be- schwerde bei der Bundesversammlung und nach Um- ständen die Anrufung eines Bundesschiedsgerichts offen.4 Ist endlich die Frage zu entscheiden, ob ein Mitglied des hohen Adels auch die Bedingungen erfüllt habe, von welchen das Recht der Theilnahme an der Stände- versammlung abhängt, so hat darüber als über eine Legitimationsfrage die Kammer, zu welcher der Zutritt Beziehung die Bundesversammlung ebensowenig zu ersetzen, da bekanntlich ihre Aussprüche nur Recht und Gesetz unter den Parteien constituiren. Die Reclamanten würden also für ihren Antrag nirgends eine Entscheidung finden, wenn sie solche nicht bei der hohen Bundesversammlung ansprechen dürften, und wenn sich diese nicht als Organ der Gesammtheit des Bundes, nach Vernehmung der Ansichten aller Bundesglieder, zur Entschei- dung des Antrags ermächtigt halten könnte." Für Justizsache erklärt diese Frage Wasserschleben, juristische Abhand- lungen 1856, No. 1. Die Thätigkeit des Bundes ist demnach hier nicht sowohl eine richterliche, als vielmehr nur die Constatirung der Anerkennung durch die höchsten politischen Autoritäten Deutschlands. 3 Hierbei hat der Richter die Frage für seinen besonderen Zweck völlig selbständig zu prüfen. 4 Bundesbeschluss vom 15. September 1842. Hiernach soll zuvor das zuständige Landesgericht zweiter Instanz die Sache eines Reclamanten instruiren; die definitive Entscheidung giebt v. Gerber, Staatsrecht. 13
§. 60. Individualrechte. Bildet dagegen die Mitgliedschaft des hohen Adels eineincidente Präjudicialfrage bei einem vor den gewöhn- lichen Landesgerichten anhängigen Processe, so haben diese auch über jene Frage mit zu entscheiden.3 Han- delt es sich sodann um eine Weigerung der Landes- regierung, die im Artikel 14. verliehenen Privilegien einzuräumen, oder um eine Verletzung derselben durch die Landesgesetzgebung, so steht dem Verletzten nach Art. 63. der Wiener Schlussacte der Weg der Be- schwerde bei der Bundesversammlung und nach Um- ständen die Anrufung eines Bundesschiedsgerichts offen.4 Ist endlich die Frage zu entscheiden, ob ein Mitglied des hohen Adels auch die Bedingungen erfüllt habe, von welchen das Recht der Theilnahme an der Stände- versammlung abhängt, so hat darüber als über eine Legitimationsfrage die Kammer, zu welcher der Zutritt Beziehung die Bundesversammlung ebensowenig zu ersetzen, da bekanntlich ihre Aussprüche nur Recht und Gesetz unter den Parteien constituiren. Die Reclamanten würden also für ihren Antrag nirgends eine Entscheidung finden, wenn sie solche nicht bei der hohen Bundesversammlung ansprechen dürften, und wenn sich diese nicht als Organ der Gesammtheit des Bundes, nach Vernehmung der Ansichten aller Bundesglieder, zur Entschei- dung des Antrags ermächtigt halten könnte.“ Für Justizsache erklärt diese Frage Wasserschleben, juristische Abhand- lungen 1856, No. 1. Die Thätigkeit des Bundes ist demnach hier nicht sowohl eine richterliche, als vielmehr nur die Constatirung der Anerkennung durch die höchsten politischen Autoritäten Deutschlands. 3 Hierbei hat der Richter die Frage für seinen besonderen Zweck völlig selbständig zu prüfen. 4 Bundesbeschluss vom 15. September 1842. Hiernach soll zuvor das zuständige Landesgericht zweiter Instanz die Sache eines Reclamanten instruiren; die definitive Entscheidung giebt v. Gerber, Staatsrecht. 13
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§. 60. Individualrechte.
Bildet dagegen die Mitgliedschaft des hohen Adels eine
incidente Präjudicialfrage bei einem vor den gewöhn-
lichen Landesgerichten anhängigen Processe, so haben
diese auch über jene Frage mit zu entscheiden. 3 Han-
delt es sich sodann um eine Weigerung der Landes-
regierung, die im Artikel 14. verliehenen Privilegien
einzuräumen, oder um eine Verletzung derselben durch
die Landesgesetzgebung, so steht dem Verletzten nach
Art. 63. der Wiener Schlussacte der Weg der Be-
schwerde bei der Bundesversammlung und nach Um-
ständen die Anrufung eines Bundesschiedsgerichts offen. 4
Ist endlich die Frage zu entscheiden, ob ein Mitglied
des hohen Adels auch die Bedingungen erfüllt habe,
von welchen das Recht der Theilnahme an der Stände-
versammlung abhängt, so hat darüber als über eine
Legitimationsfrage die Kammer, zu welcher der Zutritt
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3 Hierbei hat der Richter die Frage für seinen besonderen
Zweck völlig selbständig zu prüfen.
4 Bundesbeschluss vom 15. September 1842. Hiernach soll
zuvor das zuständige Landesgericht zweiter Instanz die Sache
eines Reclamanten instruiren; die definitive Entscheidung giebt
2 Beziehung die Bundesversammlung ebensowenig zu ersetzen, da
bekanntlich ihre Aussprüche nur Recht und Gesetz unter den
Parteien constituiren. Die Reclamanten würden also für ihren
Antrag nirgends eine Entscheidung finden, wenn sie solche nicht
bei der hohen Bundesversammlung ansprechen dürften, und wenn
sich diese nicht als Organ der Gesammtheit des Bundes, nach
Vernehmung der Ansichten aller Bundesglieder, zur Entschei-
dung des Antrags ermächtigt halten könnte.“ Für Justizsache
erklärt diese Frage Wasserschleben, juristische Abhand-
lungen 1856, No. 1. Die Thätigkeit des Bundes ist demnach hier
nicht sowohl eine richterliche, als vielmehr nur die Constatirung
der Anerkennung durch die höchsten politischen Autoritäten
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