Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 56. Competenz der Justiz. jedoch keineswegs nach Willkühr oder Laune; dennauch für die Geltendmachung jener über den Massstab des absoluten Rechts hinausgehenden Motive bestehen Gesetze, Verordnungen und deducirbare Grundsätze.7 Diess ist das Gebiet der Verwaltung. Innerhalb der Sphäre derselben nehmen die für ihre einzelnen Zweige bestellten Vertreter volle Selbständigkeit und die An- erkennung als eigene rechtliche Autoritäten in An- spruch. -- Nur da, wo die Staatsgewalt ein öffent- liches Recht als wohlerworbenes individuelles Recht vorfindet oder hat entstehen lassen, sollte sie sich trotz des Zusammenhangs dieses Rechts mit dem ge- sammten staatlichen Organismus keine andere Ein- wirkung gestatten, als diejenige, welche die isolirte Behandlung nach Massgabe des absoluten Rechts dar- bietet, und mithin die Entscheidung darüber den Ge- richten überlassen. Denn sie muss es anerkennen, dass hier eine Substanz des öffentlichen Rechts privatrechts- artig in dem Rechtskreise eines Individuums localisirt und damit der freien Einwirkung der Staatsgewalt ent- zogen worden ist. Indessen ist auch hier der Rechts- weg aus besonderen Gründen mehrfach unzugänglich (vergl. §. 59.). Das Verfahren über streitige Verhältnisse, zu deren 7 Es ist im Wesentlichen richtig, was Stahl sagt, dass für die Gerichte das Recht Zweck, für die Verwaltung Schranke ist. Dieser Satz enthält eine unbestreitbare Wahrheit, die sich nicht hinwegläugnen lässt, wenn auch im Uebrigen die Ausführung Stahl's schillernd, unstät und theilweise sophistisch befunden wer- den muss. v. Gerber, Staatsrecht. 12
§. 56. Competenz der Justiz. jedoch keineswegs nach Willkühr oder Laune; dennauch für die Geltendmachung jener über den Massstab des absoluten Rechts hinausgehenden Motive bestehen Gesetze, Verordnungen und deducirbare Grundsätze.7 Diess ist das Gebiet der Verwaltung. Innerhalb der Sphäre derselben nehmen die für ihre einzelnen Zweige bestellten Vertreter volle Selbständigkeit und die An- erkennung als eigene rechtliche Autoritäten in An- spruch. — Nur da, wo die Staatsgewalt ein öffent- liches Recht als wohlerworbenes individuelles Recht vorfindet oder hat entstehen lassen, sollte sie sich trotz des Zusammenhangs dieses Rechts mit dem ge- sammten staatlichen Organismus keine andere Ein- wirkung gestatten, als diejenige, welche die isolirte Behandlung nach Massgabe des absoluten Rechts dar- bietet, und mithin die Entscheidung darüber den Ge- richten überlassen. Denn sie muss es anerkennen, dass hier eine Substanz des öffentlichen Rechts privatrechts- artig in dem Rechtskreise eines Individuums localisirt und damit der freien Einwirkung der Staatsgewalt ent- zogen worden ist. Indessen ist auch hier der Rechts- weg aus besonderen Gründen mehrfach unzugänglich (vergl. §. 59.). Das Verfahren über streitige Verhältnisse, zu deren 7 Es ist im Wesentlichen richtig, was Stahl sagt, dass für die Gerichte das Recht Zweck, für die Verwaltung Schranke ist. Dieser Satz enthält eine unbestreitbare Wahrheit, die sich nicht hinwegläugnen lässt, wenn auch im Uebrigen die Ausführung Stahl’s schillernd, unstät und theilweise sophistisch befunden wer- den muss. v. Gerber, Staatsrecht. 12
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§. 56. Competenz der Justiz.
jedoch keineswegs nach Willkühr oder Laune; denn
auch für die Geltendmachung jener über den Massstab
des absoluten Rechts hinausgehenden Motive bestehen
Gesetze, Verordnungen und deducirbare Grundsätze. 7
Diess ist das Gebiet der Verwaltung. Innerhalb der
Sphäre derselben nehmen die für ihre einzelnen Zweige
bestellten Vertreter volle Selbständigkeit und die An-
erkennung als eigene rechtliche Autoritäten in An-
spruch. — Nur da, wo die Staatsgewalt ein öffent-
liches Recht als wohlerworbenes individuelles Recht
vorfindet oder hat entstehen lassen, sollte sie sich
trotz des Zusammenhangs dieses Rechts mit dem ge-
sammten staatlichen Organismus keine andere Ein-
wirkung gestatten, als diejenige, welche die isolirte
Behandlung nach Massgabe des absoluten Rechts dar-
bietet, und mithin die Entscheidung darüber den Ge-
richten überlassen. Denn sie muss es anerkennen, dass
hier eine Substanz des öffentlichen Rechts privatrechts-
artig in dem Rechtskreise eines Individuums localisirt
und damit der freien Einwirkung der Staatsgewalt ent-
zogen worden ist. Indessen ist auch hier der Rechts-
weg aus besonderen Gründen mehrfach unzugänglich
(vergl. §. 59.).
Das Verfahren über streitige Verhältnisse, zu deren
Beurtheilung die Verwaltungsbehörden zuständig sind,
7 Es ist im Wesentlichen richtig, was Stahl sagt, dass für die
Gerichte das Recht Zweck, für die Verwaltung Schranke ist.
Dieser Satz enthält eine unbestreitbare Wahrheit, die sich nicht
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