Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Abschnitt.
Bis zum Eintritte dieser Auflösung aber hat das provi-
sorische Gesetz als ein wirkliches Gesetz bestanden; die
Auflösung hat keine rückwirkende Kraft.7

c) Die Verordnungen.
§. 48.

Es giebt einzelne Verfassungsurkunden,1 welche
den formellen Begriff des Gesetzes, als einer nur unter
Mitwirkung der Stände zu erzeugenden Norm, auf ein
engeres nach Gegenständen bestimmtes Gebiet beschrän-
ken, indem sie z. B. festsetzen, dass eine die Freiheit
oder das Eigenthum der Personen betreffende allgemeine
Bestimmung nicht anders als im Wege dieser Gesetz-
gebung ertheilt werden soll. Nach diesen Verfassungen

7 Eine rückwirkende Kraft der Auflösung, wie sie eine privat-
rechtliche Anschauung der Sache ergeben möchte, würde mit dem
Wesen staatsrechtlicher Acte dieser Art unvereinbar sein. Denn
wenn die Verfassung den Monarchen zu einer provisorischen Ge-
setzgebung einmal ermächtigt, so kann sie diess, ohne die Rechts-
sicherheit des ganzen Staatslebens in Frage zu stellen, nur in dem
Sinne gewollt haben, dass das provisorische Gesetz in so lange, als
es besteht, definitiv gelten soll, so dass die darauf gegründeten
Rechtsverhältnisse durch seine Aufhebung nicht hinfällig werden.
1 Bayerische Verfassungsurkunde VII., 2. Badische §. 65.
Altenburgisches Grundgesetz §. 201. u. s. w. Die Kurhessische
Verfassungsurkunde von 1852 sagt §. 75.: "Ohne Beistimmung der
Stände kann kein die Privatrechte, die Steuern oder die Rechts-
pflege änderndes Gesetz gegeben oder authentisch erläutert wer-
den." Das angeführte Altenburgische Grundgesetz will Art. 210.
diejenigen Gesetze, welche die Zustimmung der Stände nicht
bedürfen, doch ihrer Begutachtung unterworfen wissen. Es
bedarf übrigens keiner Bemerkung, dass die Gebietsabgränzung
durch die Worte "Freiheit der Personen und Eigenthum" völlig
vag ist, zumal das Wort "Eigenthum" in der politischen Sprache
in der weitesten Ausdehnung genommen zu werden pflegt.

Dritter Abschnitt.
Bis zum Eintritte dieser Auflösung aber hat das provi-
sorische Gesetz als ein wirkliches Gesetz bestanden; die
Auflösung hat keine rückwirkende Kraft.7

c) Die Verordnungen.
§. 48.

Es giebt einzelne Verfassungsurkunden,1 welche
den formellen Begriff des Gesetzes, als einer nur unter
Mitwirkung der Stände zu erzeugenden Norm, auf ein
engeres nach Gegenständen bestimmtes Gebiet beschrän-
ken, indem sie z. B. festsetzen, dass eine die Freiheit
oder das Eigenthum der Personen betreffende allgemeine
Bestimmung nicht anders als im Wege dieser Gesetz-
gebung ertheilt werden soll. Nach diesen Verfassungen

7 Eine rückwirkende Kraft der Auflösung, wie sie eine privat-
rechtliche Anschauung der Sache ergeben möchte, würde mit dem
Wesen staatsrechtlicher Acte dieser Art unvereinbar sein. Denn
wenn die Verfassung den Monarchen zu einer provisorischen Ge-
setzgebung einmal ermächtigt, so kann sie diess, ohne die Rechts-
sicherheit des ganzen Staatslebens in Frage zu stellen, nur in dem
Sinne gewollt haben, dass das provisorische Gesetz in so lange, als
es besteht, definitiv gelten soll, so dass die darauf gegründeten
Rechtsverhältnisse durch seine Aufhebung nicht hinfällig werden.
1 Bayerische Verfassungsurkunde VII., 2. Badische §. 65.
Altenburgisches Grundgesetz §. 201. u. s. w. Die Kurhessische
Verfassungsurkunde von 1852 sagt §. 75.: „Ohne Beistimmung der
Stände kann kein die Privatrechte, die Steuern oder die Rechts-
pflege änderndes Gesetz gegeben oder authentisch erläutert wer-
den.“ Das angeführte Altenburgische Grundgesetz will Art. 210.
diejenigen Gesetze, welche die Zustimmung der Stände nicht
bedürfen, doch ihrer Begutachtung unterworfen wissen. Es
bedarf übrigens keiner Bemerkung, dass die Gebietsabgränzung
durch die Worte „Freiheit der Personen und Eigenthum“ völlig
vag ist, zumal das Wort „Eigenthum“ in der politischen Sprache
in der weitesten Ausdehnung genommen zu werden pflegt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0164" n="146"/><fw place="top" type="header">Dritter Abschnitt.</fw><lb/>
Bis zum Eintritte dieser Auflösung aber hat das provi-<lb/>
sorische Gesetz als ein wirkliches Gesetz bestanden; die<lb/>
Auflösung hat keine rückwirkende Kraft.<note place="foot" n="7">Eine rückwirkende Kraft der Auflösung, wie sie eine privat-<lb/>
rechtliche Anschauung der Sache ergeben möchte, würde mit dem<lb/>
Wesen staatsrechtlicher Acte dieser Art unvereinbar sein. Denn<lb/>
wenn die Verfassung den Monarchen zu einer provisorischen Ge-<lb/>
setzgebung einmal ermächtigt, so kann sie diess, ohne die Rechts-<lb/>
sicherheit des ganzen Staatslebens in Frage zu stellen, nur in dem<lb/>
Sinne gewollt haben, dass das provisorische Gesetz in so lange, als<lb/>
es besteht, definitiv gelten soll, so dass die darauf gegründeten<lb/>
Rechtsverhältnisse durch seine Aufhebung nicht hinfällig werden.</note></p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>c) Die Verordnungen.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 48.</head><lb/>
              <p>Es giebt einzelne Verfassungsurkunden,<note place="foot" n="1">Bayerische Verfassungsurkunde VII., 2. Badische §. 65.<lb/>
Altenburgisches Grundgesetz §. 201. u. s. w. Die Kurhessische<lb/>
Verfassungsurkunde von 1852 sagt §. 75.: &#x201E;Ohne Beistimmung der<lb/>
Stände kann kein die Privatrechte, die Steuern oder die Rechts-<lb/>
pflege änderndes Gesetz gegeben oder authentisch erläutert wer-<lb/>
den.&#x201C; Das angeführte Altenburgische Grundgesetz will Art. 210.<lb/>
diejenigen Gesetze, welche die <hi rendition="#g">Zustimmung</hi> der Stände nicht<lb/>
bedürfen, doch ihrer <hi rendition="#g">Begutachtung</hi> unterworfen wissen. Es<lb/>
bedarf übrigens keiner Bemerkung, dass die Gebietsabgränzung<lb/>
durch die Worte &#x201E;Freiheit der Personen und Eigenthum&#x201C; völlig<lb/>
vag ist, zumal das Wort &#x201E;Eigenthum&#x201C; in der politischen Sprache<lb/>
in der weitesten Ausdehnung genommen zu werden pflegt.</note> welche<lb/>
den formellen Begriff des Gesetzes, als einer nur unter<lb/>
Mitwirkung der Stände zu erzeugenden Norm, auf ein<lb/>
engeres nach Gegenständen bestimmtes Gebiet beschrän-<lb/>
ken, indem sie z. B. festsetzen, dass eine die Freiheit<lb/>
oder das Eigenthum der Personen betreffende allgemeine<lb/>
Bestimmung nicht anders als im Wege dieser Gesetz-<lb/>
gebung ertheilt werden soll. Nach diesen Verfassungen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0164] Dritter Abschnitt. Bis zum Eintritte dieser Auflösung aber hat das provi- sorische Gesetz als ein wirkliches Gesetz bestanden; die Auflösung hat keine rückwirkende Kraft. 7 c) Die Verordnungen. §. 48. Es giebt einzelne Verfassungsurkunden, 1 welche den formellen Begriff des Gesetzes, als einer nur unter Mitwirkung der Stände zu erzeugenden Norm, auf ein engeres nach Gegenständen bestimmtes Gebiet beschrän- ken, indem sie z. B. festsetzen, dass eine die Freiheit oder das Eigenthum der Personen betreffende allgemeine Bestimmung nicht anders als im Wege dieser Gesetz- gebung ertheilt werden soll. Nach diesen Verfassungen 7 Eine rückwirkende Kraft der Auflösung, wie sie eine privat- rechtliche Anschauung der Sache ergeben möchte, würde mit dem Wesen staatsrechtlicher Acte dieser Art unvereinbar sein. Denn wenn die Verfassung den Monarchen zu einer provisorischen Ge- setzgebung einmal ermächtigt, so kann sie diess, ohne die Rechts- sicherheit des ganzen Staatslebens in Frage zu stellen, nur in dem Sinne gewollt haben, dass das provisorische Gesetz in so lange, als es besteht, definitiv gelten soll, so dass die darauf gegründeten Rechtsverhältnisse durch seine Aufhebung nicht hinfällig werden. 1 Bayerische Verfassungsurkunde VII., 2. Badische §. 65. Altenburgisches Grundgesetz §. 201. u. s. w. Die Kurhessische Verfassungsurkunde von 1852 sagt §. 75.: „Ohne Beistimmung der Stände kann kein die Privatrechte, die Steuern oder die Rechts- pflege änderndes Gesetz gegeben oder authentisch erläutert wer- den.“ Das angeführte Altenburgische Grundgesetz will Art. 210. diejenigen Gesetze, welche die Zustimmung der Stände nicht bedürfen, doch ihrer Begutachtung unterworfen wissen. Es bedarf übrigens keiner Bemerkung, dass die Gebietsabgränzung durch die Worte „Freiheit der Personen und Eigenthum“ völlig vag ist, zumal das Wort „Eigenthum“ in der politischen Sprache in der weitesten Ausdehnung genommen zu werden pflegt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/164
Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/164>, abgerufen am 21.11.2024.