Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
vermögend, mir mein Elend zu versüssen, und
mir die Schande und das schreckliche And[en]-
ken eines gewaltsamen Todes, den mir der
Prinz zugedacht, zu erleichtern. Ertraget
meine Abwesenheit gelassen, ich bitte euch bey
unserer Liebe, und hofft, wir werden uns ge-
wiß wieder sehen. Aber, o Gott! wenn?
Und ach wo weis ich denn, ob ihr mein Un-
glück habt überleben können? Schrecklicher
Gedanke, den ich ohne Zittern nicht nieder-
schreiben kann! Nein, mein einziger Wunsch
in der Welt, ihr lebt noch. Mein Herz sagt
mirs, und es verspricht mir die Wollust, euch
noch einmal, ehe ich sterbe, zu umarmen. Um
diese Glückseligkeit bitte ich die Vorsehung alle
Tage und in dem Augenblicke, da ich dieses
schreibe. Kann mir Gott mein Leben wohl
zu einem geringern Vergnügen gelassen haben,
als daß ich noch einen Theil davon, und wenn
es auch nur etliche Tage wären, mit euch zu-
bringen soll? Stellt euch doch die Zufrieden-
heit vor, die wir schmecken werden, wenn uns
die Zeit einander wieder geben wird. Wie
lange werden wir vor Entzückung nicht reden!
und wie lange werden wir nach tausend Um-
armungen sprechen, ehe wir uns satt reden
und unser Herz und unser Schicksal einander
ausschütten werden! Bekümmert euch nicht

zu

Leben der Schwediſchen
vermoͤgend, mir mein Elend zu verſuͤſſen, und
mir die Schande und das ſchreckliche And[en]-
ken eines gewaltſamen Todes, den mir der
Prinz zugedacht, zu erleichtern. Ertraget
meine Abweſenheit gelaſſen, ich bitte euch bey
unſerer Liebe, und hofft, wir werden uns ge-
wiß wieder ſehen. Aber, o Gott! wenn?
Und ach wo weis ich denn, ob ihr mein Un-
gluͤck habt uͤberleben koͤnnen? Schrecklicher
Gedanke, den ich ohne Zittern nicht nieder-
ſchreiben kann! Nein, mein einziger Wunſch
in der Welt, ihr lebt noch. Mein Herz ſagt
mirs, und es verſpricht mir die Wolluſt, euch
noch einmal, ehe ich ſterbe, zu umarmen. Um
dieſe Gluͤckſeligkeit bitte ich die Vorſehung alle
Tage und in dem Augenblicke, da ich dieſes
ſchreibe. Kann mir Gott mein Leben wohl
zu einem geringern Vergnuͤgen gelaſſen haben,
als daß ich noch einen Theil davon, und wenn
es auch nur etliche Tage waͤren, mit euch zu-
bringen ſoll? Stellt euch doch die Zufrieden-
heit vor, die wir ſchmecken werden, wenn uns
die Zeit einander wieder geben wird. Wie
lange werden wir vor Entzuͤckung nicht reden!
und wie lange werden wir nach tauſend Um-
armungen ſprechen, ehe wir uns ſatt reden
und unſer Herz und unſer Schickſal einander
ausſchuͤtten werden! Bekuͤmmert euch nicht

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0006" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
vermo&#x0364;gend, mir mein Elend zu ver&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
mir die Schande und das &#x017F;chreckliche And<supplied>en</supplied>-<lb/>
ken eines gewalt&#x017F;amen Todes, den mir der<lb/>
Prinz zugedacht, zu erleichtern. Ertraget<lb/>
meine Abwe&#x017F;enheit gela&#x017F;&#x017F;en, ich bitte euch bey<lb/>
un&#x017F;erer Liebe, und hofft, wir werden uns ge-<lb/>
wiß wieder &#x017F;ehen. Aber, o Gott! wenn?<lb/>
Und ach wo weis ich denn, ob ihr mein Un-<lb/>
glu&#x0364;ck habt u&#x0364;berleben ko&#x0364;nnen? Schrecklicher<lb/>
Gedanke, den ich ohne Zittern nicht nieder-<lb/>
&#x017F;chreiben kann! Nein, mein einziger Wun&#x017F;ch<lb/>
in der Welt, ihr lebt noch. Mein Herz &#x017F;agt<lb/>
mirs, und es ver&#x017F;pricht mir die Wollu&#x017F;t, euch<lb/>
noch einmal, ehe ich &#x017F;terbe, zu umarmen. Um<lb/>
die&#x017F;e Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit bitte ich die Vor&#x017F;ehung alle<lb/>
Tage und in dem Augenblicke, da ich die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;chreibe. Kann mir Gott mein Leben wohl<lb/>
zu einem geringern Vergnu&#x0364;gen gela&#x017F;&#x017F;en haben,<lb/>
als daß ich noch einen Theil davon, und wenn<lb/>
es auch nur etliche Tage wa&#x0364;ren, mit euch zu-<lb/>
bringen &#x017F;oll? Stellt euch doch die Zufrieden-<lb/>
heit vor, die wir &#x017F;chmecken werden, wenn uns<lb/>
die Zeit einander wieder geben wird. Wie<lb/>
lange werden wir vor Entzu&#x0364;ckung nicht reden!<lb/>
und wie lange werden wir nach tau&#x017F;end Um-<lb/>
armungen &#x017F;prechen, ehe wir uns &#x017F;att reden<lb/>
und un&#x017F;er Herz und un&#x017F;er Schick&#x017F;al einander<lb/>
aus&#x017F;chu&#x0364;tten werden! Beku&#x0364;mmert euch nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0006] Leben der Schwediſchen vermoͤgend, mir mein Elend zu verſuͤſſen, und mir die Schande und das ſchreckliche Anden- ken eines gewaltſamen Todes, den mir der Prinz zugedacht, zu erleichtern. Ertraget meine Abweſenheit gelaſſen, ich bitte euch bey unſerer Liebe, und hofft, wir werden uns ge- wiß wieder ſehen. Aber, o Gott! wenn? Und ach wo weis ich denn, ob ihr mein Un- gluͤck habt uͤberleben koͤnnen? Schrecklicher Gedanke, den ich ohne Zittern nicht nieder- ſchreiben kann! Nein, mein einziger Wunſch in der Welt, ihr lebt noch. Mein Herz ſagt mirs, und es verſpricht mir die Wolluſt, euch noch einmal, ehe ich ſterbe, zu umarmen. Um dieſe Gluͤckſeligkeit bitte ich die Vorſehung alle Tage und in dem Augenblicke, da ich dieſes ſchreibe. Kann mir Gott mein Leben wohl zu einem geringern Vergnuͤgen gelaſſen haben, als daß ich noch einen Theil davon, und wenn es auch nur etliche Tage waͤren, mit euch zu- bringen ſoll? Stellt euch doch die Zufrieden- heit vor, die wir ſchmecken werden, wenn uns die Zeit einander wieder geben wird. Wie lange werden wir vor Entzuͤckung nicht reden! und wie lange werden wir nach tauſend Um- armungen ſprechen, ehe wir uns ſatt reden und unſer Herz und unſer Schickſal einander ausſchuͤtten werden! Bekuͤmmert euch nicht zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/6
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/6>, abgerufen am 24.11.2024.