[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** verborgen bleiben konnten. Ehe wirnoch fortgiengen, so starb der Bediente des Herrn R--, dessen Verlust uns nicht wenig daurete. Dieser redliche Mensch gab seinem Herrn vor seinem Tode vier hundert Stück Ducaten. Dieses Geld, sagte er, habe ich in ihrem Dienste und durch ihre Freygebigkeit gesammlet, und ich bin froh, daß ich es ihnen wieder ge- ben kann. Jhrer Güte, ihrem Unterrich- te und ihrem Exempel habe ichs zu dan- ken, daß ich itzt gelassen und freudig ster- ben kann. Wenn sie nur wieder einen Menschen hätten, auf den sie sich verlassen könnten. So gewiß ists, daß man auch den niedrigsten Menschen edelmüthig ma- chen kann, wenn man ihn nicht bloß als seinen Bedienten und Sclaven, sondern als ein Geschöpf ansieht, das unserer Auf- sicht anvertraut, und zu einem allgemei- nen Zwecke nebst uns gebohren ist. Wir verließen nunmehr Carolinen, sprach,
Gräfinn von G ** verborgen bleiben konnten. Ehe wirnoch fortgiengen, ſo ſtarb der Bediente des Herrn R--, deſſen Verluſt uns nicht wenig daurete. Dieſer redliche Menſch gab ſeinem Herrn vor ſeinem Tode vier hundert Stück Ducaten. Dieſes Geld, ſagte er, habe ich in ihrem Dienſte und durch ihre Freygebigkeit geſammlet, und ich bin froh, daß ich es ihnen wieder ge- ben kann. Jhrer Güte, ihrem Unterrich- te und ihrem Exempel habe ichs zu dan- ken, daß ich itzt gelaſſen und freudig ſter- ben kann. Wenn ſie nur wieder einen Menſchen hätten, auf den ſie ſich verlaſſen könnten. So gewiß iſts, daß man auch den niedrigſten Menſchen edelmüthig ma- chen kann, wenn man ihn nicht bloß als ſeinen Bedienten und Sclaven, ſondern als ein Geſchöpf anſieht, das unſerer Auf- ſicht anvertraut, und zu einem allgemei- nen Zwecke nebſt uns gebohren iſt. Wir verließen nunmehr Carolinen, ſprach,
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Gräfinn von G **
verborgen bleiben konnten. Ehe wir
noch fortgiengen, ſo ſtarb der Bediente
des Herrn R--, deſſen Verluſt uns nicht
wenig daurete. Dieſer redliche Menſch
gab ſeinem Herrn vor ſeinem Tode vier
hundert Stück Ducaten. Dieſes Geld,
ſagte er, habe ich in ihrem Dienſte und
durch ihre Freygebigkeit geſammlet, und
ich bin froh, daß ich es ihnen wieder ge-
ben kann. Jhrer Güte, ihrem Unterrich-
te und ihrem Exempel habe ichs zu dan-
ken, daß ich itzt gelaſſen und freudig ſter-
ben kann. Wenn ſie nur wieder einen
Menſchen hätten, auf den ſie ſich verlaſſen
könnten. So gewiß iſts, daß man auch
den niedrigſten Menſchen edelmüthig ma-
chen kann, wenn man ihn nicht bloß als
ſeinen Bedienten und Sclaven, ſondern
als ein Geſchöpf anſieht, das unſerer Auf-
ſicht anvertraut, und zu einem allgemei-
nen Zwecke nebſt uns gebohren iſt.
Wir verließen nunmehr Carolinen,
in Begleitung ihres Sohnes. Sie ver-
ſprach,
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