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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Leben der Schwedischen
gemacht hatten. Jch hatte von Natur
ein gutes Herz, und er durfte also nicht
sowohl wider meine Neigungen streiten,
als sie nur ermuntern. Er lieh mir sei-
nen Verstand, mein Herz recht in Ord-
nung zu bringen, und lenkte meine Be-
gierde zu gefallen nach und nach von
solchen Dingen, die das Auge ein-
nehmen, auf diejenigen, welche die Ho-
heit der Seele ausmachen. Er sah, daß
ich wußte, wie schön ich war; um desto
mehr lehrte er mich den wahren Werth
eines Menschen kennen, und an sol-
chen Eigenschaften einen Geschmack fin-
den, die mehr durch einen geheimen Bey-
fall der Vernunft und des Gewissens, als
durch eine allgemeine Bewunderung be-
lohnet werden. Man glaube ja nicht, daß
er eine hohe und tiefsinnige Philosophie
mit mir durchgieng. O nein, er brachte
mir die Religion auf eine vernünftige Art
bey, und überführte mich von den gros-
sen Vortheilen der Tugend, welche sie

uns

Leben der Schwediſchen
gemacht hatten. Jch hatte von Natur
ein gutes Herz, und er durfte alſo nicht
ſowohl wider meine Neigungen ſtreiten,
als ſie nur ermuntern. Er lieh mir ſei-
nen Verſtand, mein Herz recht in Ord-
nung zu bringen, und lenkte meine Be-
gierde zu gefallen nach und nach von
ſolchen Dingen, die das Auge ein-
nehmen, auf diejenigen, welche die Ho-
heit der Seele ausmachen. Er ſah, daß
ich wußte, wie ſchön ich war; um deſto
mehr lehrte er mich den wahren Werth
eines Menſchen kennen, und an ſol-
chen Eigenſchaften einen Geſchmack fin-
den, die mehr durch einen geheimen Bey-
fall der Vernunft und des Gewiſſens, als
durch eine allgemeine Bewunderung be-
lohnet werden. Man glaube ja nicht, daß
er eine hohe und tiefſinnige Philoſophie
mit mir durchgieng. O nein, er brachte
mir die Religion auf eine vernünftige Art
bey, und überführte mich von den groſ-
ſen Vortheilen der Tugend, welche ſie

uns
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[6/0006] Leben der Schwediſchen gemacht hatten. Jch hatte von Natur ein gutes Herz, und er durfte alſo nicht ſowohl wider meine Neigungen ſtreiten, als ſie nur ermuntern. Er lieh mir ſei- nen Verſtand, mein Herz recht in Ord- nung zu bringen, und lenkte meine Be- gierde zu gefallen nach und nach von ſolchen Dingen, die das Auge ein- nehmen, auf diejenigen, welche die Ho- heit der Seele ausmachen. Er ſah, daß ich wußte, wie ſchön ich war; um deſto mehr lehrte er mich den wahren Werth eines Menſchen kennen, und an ſol- chen Eigenſchaften einen Geſchmack fin- den, die mehr durch einen geheimen Bey- fall der Vernunft und des Gewiſſens, als durch eine allgemeine Bewunderung be- lohnet werden. Man glaube ja nicht, daß er eine hohe und tiefſinnige Philoſophie mit mir durchgieng. O nein, er brachte mir die Religion auf eine vernünftige Art bey, und überführte mich von den groſ- ſen Vortheilen der Tugend, welche ſie uns

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/6>, abgerufen am 22.11.2024.