Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
Pein ausstehen, mich freywillig zu ver-
lassen, und doch diese Freyheit niemals
von eurer Liebe zu erhalten? Seyd getrost,
liebste Mariane! Komme ich wieder zu-
rück: so ist es ein Zeichen, daß der Him-
mel unsre Ehe billiget. Verliere ich mein
Leben: so ist es ein Beweis, daß ihr ei-
nen Mann verloren habt, der nur euer
Bruder, und nicht euer Ehemann seyn
sollte. Welche glückselige Dienste leistet
nicht der Jrrthum in gewissen Umstän-
den! Und wie gut ist es nicht oft, daß
wir das Vergnügen haben, uns selbst zu
betrügen! Genug Carlsons Jrrthum war
in Ansehung des Erfolgs vortrefflich. Er
beruhigte ihn, und endlich auch Maria-
nen. Sie ließen die Sache auf den Him-
mel ankommen. Und sie versprachen sich
von diesem Richter nichts als Gerechtig-
keit, das ist, nichts, als was sie wünsch-
ten. Sie flehten Gott um Beystand an,
nicht anders, als ob ihnen die Menschen
unrecht thäten. Kurz, sie waren voll Zu-

ver-

Leben der Schwediſchen
Pein ausſtehen, mich freywillig zu ver-
laſſen, und doch dieſe Freyheit niemals
von eurer Liebe zu erhalten? Seyd getroſt,
liebſte Mariane! Komme ich wieder zu-
rück: ſo iſt es ein Zeichen, daß der Him-
mel unſre Ehe billiget. Verliere ich mein
Leben: ſo iſt es ein Beweis, daß ihr ei-
nen Mann verloren habt, der nur euer
Bruder, und nicht euer Ehemann ſeyn
ſollte. Welche glückſelige Dienſte leiſtet
nicht der Jrrthum in gewiſſen Umſtän-
den! Und wie gut iſt es nicht oft, daß
wir das Vergnügen haben, uns ſelbſt zu
betrügen! Genug Carlſons Jrrthum war
in Anſehung des Erfolgs vortrefflich. Er
beruhigte ihn, und endlich auch Maria-
nen. Sie ließen die Sache auf den Him-
mel ankommen. Und ſie verſprachen ſich
von dieſem Richter nichts als Gerechtig-
keit, das iſt, nichts, als was ſie wünſch-
ten. Sie flehten Gott um Beyſtand an,
nicht anders, als ob ihnen die Menſchen
unrecht thäten. Kurz, ſie waren voll Zu-

ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
Pein aus&#x017F;tehen, mich freywillig zu ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und doch die&#x017F;e Freyheit niemals<lb/>
von eurer Liebe zu erhalten? Seyd getro&#x017F;t,<lb/>
lieb&#x017F;te Mariane! Komme ich wieder zu-<lb/>
rück: &#x017F;o i&#x017F;t es ein Zeichen, daß der Him-<lb/>
mel un&#x017F;re Ehe billiget. Verliere ich mein<lb/>
Leben: &#x017F;o i&#x017F;t es ein Beweis, daß ihr ei-<lb/>
nen Mann verloren habt, der nur euer<lb/>
Bruder, und nicht euer Ehemann &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollte. Welche glück&#x017F;elige Dien&#x017F;te lei&#x017F;tet<lb/>
nicht der Jrrthum in gewi&#x017F;&#x017F;en Um&#x017F;tän-<lb/>
den! Und wie gut i&#x017F;t es nicht oft, daß<lb/>
wir das Vergnügen haben, uns &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
betrügen! Genug Carl&#x017F;ons Jrrthum war<lb/>
in An&#x017F;ehung des Erfolgs vortrefflich. Er<lb/>
beruhigte ihn, und endlich auch Maria-<lb/>
nen. Sie ließen die Sache auf den Him-<lb/>
mel ankommen. Und &#x017F;ie ver&#x017F;prachen &#x017F;ich<lb/>
von die&#x017F;em Richter nichts als Gerechtig-<lb/>
keit, das i&#x017F;t, nichts, als was &#x017F;ie wün&#x017F;ch-<lb/>
ten. Sie flehten Gott um Bey&#x017F;tand an,<lb/>
nicht anders, als ob ihnen die Men&#x017F;chen<lb/>
unrecht thäten. Kurz, &#x017F;ie waren voll Zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0104] Leben der Schwediſchen Pein ausſtehen, mich freywillig zu ver- laſſen, und doch dieſe Freyheit niemals von eurer Liebe zu erhalten? Seyd getroſt, liebſte Mariane! Komme ich wieder zu- rück: ſo iſt es ein Zeichen, daß der Him- mel unſre Ehe billiget. Verliere ich mein Leben: ſo iſt es ein Beweis, daß ihr ei- nen Mann verloren habt, der nur euer Bruder, und nicht euer Ehemann ſeyn ſollte. Welche glückſelige Dienſte leiſtet nicht der Jrrthum in gewiſſen Umſtän- den! Und wie gut iſt es nicht oft, daß wir das Vergnügen haben, uns ſelbſt zu betrügen! Genug Carlſons Jrrthum war in Anſehung des Erfolgs vortrefflich. Er beruhigte ihn, und endlich auch Maria- nen. Sie ließen die Sache auf den Him- mel ankommen. Und ſie verſprachen ſich von dieſem Richter nichts als Gerechtig- keit, das iſt, nichts, als was ſie wünſch- ten. Sie flehten Gott um Beyſtand an, nicht anders, als ob ihnen die Menſchen unrecht thäten. Kurz, ſie waren voll Zu- ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/104
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/104>, abgerufen am 22.11.2024.