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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Leben der Schwedischen
des Affects, das Andreas gestorben seyn
möchte, ehe er den Athem zur Entde-
ckung dieses Geheimnißes hätte schöpfen
können. Dieser saß da, als ob er sein
Todesurtheil anhören sollte. Jch glau-
be, daß er gern mit etlichen Jahren von
seinem Leben das zerstörte Vergnügen
dieser Zärtlichen wieder erkauft hätte.
Caroline trat endlich zu Marianen an das
Bette, und hieß Carlsonen weggehen.
Meine Tochter, fieng sie an, ich habe dich
wieder gefunden, um dich aus den Ar-
men deines Bruders zu reissen. Woll-
te Gott, daß ich dieser betrübten Pflicht
zeitlebens hätte überhoben seyn können!
Vielleicht ist es die Strafe, daß ich ---
doch Gott hat es verhänget. Jhr seyd
beyde keines Verbrechens schuldig. Eure
Unwissenheit rechtfertiget eure Liebe, und
die Gewißheit verbeut sie nunmehr. Jch
bin eure Mutter, und ich liebe euch, als
meine Kinder; aber ich verabscheue euch,
wenn ihr das Band der Ehe dem Ban-

de

Leben der Schwediſchen
des Affects, das Andreas geſtorben ſeyn
möchte, ehe er den Athem zur Entde-
ckung dieſes Geheimnißes hätte ſchöpfen
können. Dieſer ſaß da, als ob er ſein
Todesurtheil anhören ſollte. Jch glau-
be, daß er gern mit etlichen Jahren von
ſeinem Leben das zerſtörte Vergnügen
dieſer Zärtlichen wieder erkauft hätte.
Caroline trat endlich zu Marianen an das
Bette, und hieß Carlſonen weggehen.
Meine Tochter, fieng ſie an, ich habe dich
wieder gefunden, um dich aus den Ar-
men deines Bruders zu reiſſen. Woll-
te Gott, daß ich dieſer betrübten Pflicht
zeitlebens hätte überhoben ſeyn können!
Vielleicht iſt es die Strafe, daß ich ---
doch Gott hat es verhänget. Jhr ſeyd
beyde keines Verbrechens ſchuldig. Eure
Unwiſſenheit rechtfertiget eure Liebe, und
die Gewißheit verbeut ſie nunmehr. Jch
bin eure Mutter, und ich liebe euch, als
meine Kinder; aber ich verabſcheue euch,
wenn ihr das Band der Ehe dem Ban-

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[100/0100] Leben der Schwediſchen des Affects, das Andreas geſtorben ſeyn möchte, ehe er den Athem zur Entde- ckung dieſes Geheimnißes hätte ſchöpfen können. Dieſer ſaß da, als ob er ſein Todesurtheil anhören ſollte. Jch glau- be, daß er gern mit etlichen Jahren von ſeinem Leben das zerſtörte Vergnügen dieſer Zärtlichen wieder erkauft hätte. Caroline trat endlich zu Marianen an das Bette, und hieß Carlſonen weggehen. Meine Tochter, fieng ſie an, ich habe dich wieder gefunden, um dich aus den Ar- men deines Bruders zu reiſſen. Woll- te Gott, daß ich dieſer betrübten Pflicht zeitlebens hätte überhoben ſeyn können! Vielleicht iſt es die Strafe, daß ich --- doch Gott hat es verhänget. Jhr ſeyd beyde keines Verbrechens ſchuldig. Eure Unwiſſenheit rechtfertiget eure Liebe, und die Gewißheit verbeut ſie nunmehr. Jch bin eure Mutter, und ich liebe euch, als meine Kinder; aber ich verabſcheue euch, wenn ihr das Band der Ehe dem Ban- de

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/100>, abgerufen am 24.11.2024.