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Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.

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Von des Richters Pflicht und Eydes Beschaffenheit.
Ubelthaten Aergerniß und Gelegenheit ermessen/ Tödtungs Art und
Weise zu erkennen; Jn Fällen aber/ darinn keinerley Todes-Straf-
fe gesetzt/ sondern die Rechte am Leib oder Gliedern peinliche StraffeLeibes für Le-
bens-Straffe
wann gültig.

zulassen/ daß die Gestraffte beym Leben bleiben/ solche mag man nach
Landes-Art und Gebräuchen/ auch richterlichen Willkühr aus Liebe
der Gerechtigkeit zu gemeinen Nutzes Besten verhängen/ und niemand
wider rechtliche Gewohnheit zum Tode verurtheilen/ noch Ehr-Leib-Straff Verän-
derungs Recht.

und Lebens-Straffe vermehren/ ja wenn Beklagter die in Rechten
verordnete Straffe nicht auszustehen vermag/ kan solche vom Richter
füglich verändert werden.

P. H. O. art. 104. & 138. L. 1. C. quae sit longa consvetudo. L. 8. §. 2. C. ad L. jud.
de vi publ. L. 12. §. 4. ff. de accusat.

§. 22. Bey Straff-Linderungs Fällen ist genung/ daß ein RichterStraff Linde-
rungs Ursa-
chen.

im Urtheil insgemein also ausdrücklich meldet/ vorkommenden Um-
ständen bey so gestalten Sachen/ oder deßfalls/ nach Gelegenheit aus
erheblich-bewegenden Ursachen/ welche seyn können Liebe/ Vielheit
der Kinder/ minder jährig oder hohes Alter/ wahre Reue/ Buß und
Bekehrung/ gutwillige Bekäntniß/ Unsinn- oder Traurigkeit/ Trun-
cken- oder Unwissenheit/ Vielheit der Thäter/ oder deren grosse Kunst
und Ehestand/ worinn allezeit die Billigkeit strengem Recht vorgehet/
jedoch/ daß Ubelthaten nicht gar ungestrafft bleiben/ sondern die Straf-
fe dem Recht und Verbrechen gemäß seye; Sonst mag ein Richter/
als Gesetzes Diener/ nicht leicht aus dessen Gräntzen schreiten.

§. 1. instit de orig jur.

§. 23. Weilen auch alle Verbrechen durch Umstände verändert/Verbrechen
Umstände
Recht.

entweder gehässiger oder mehr zu entschuldigen sind/ und dann aller-
ley Beschaffenheit in Rechts-Gesetzen zu begreiffen unmüglich/ so
dennoch nicht stets zu verachten/ als kan ein Christlich gewissenhaffter
Richter wohl klüglich darinn verfahren/ und nach geringsten Umstän-
den Straffe mäßigen; Jn groben und schweren Verbrechen aber
gebühret dem Richter nicht Gelindigkeit/ sondern Schärffe zu gebrau-Richters Ge-
lindigkeit
Straffe.

chen/ und niemahlen witziger zu seyn als das Recht/ sonst dörffte
ihm gleiche Straffe wiederfahren/ so Thäter verdienet/ oder würde
auch nach andern Zwangs-Mitteln Ehrloß.

C. sicut, in princ. X. de homicid. L. Grachus, C. ad L. Jul. de adult. L. 4. ff. de
praescr. verb. L. 12. & seqq. ff. de LL. L. 11. in princ. L. 16. ff. & L. Sancimus, C. de
poen. L. 28. §. 15. ff. Eod. C. ut clericorum, X. de vit. & honest. Cler. Nov. 82. c.
10. L. 1. §. 1. ff. ad SCt. Turpill. L. 14. C. de poen. L. 8. §. 2. ff. ad L. Jul. de vi publ.
§. 24. Rich-
D 3

Von des Richters Pflicht und Eydes Beſchaffenheit.
Ubelthaten Aergerniß und Gelegenheit ermeſſen/ Toͤdtungs Art und
Weiſe zu erkennen; Jn Faͤllen aber/ darinn keinerley Todes-Straf-
fe geſetzt/ ſondern die Rechte am Leib oder Gliedern peinliche StraffeLeibes fuͤr Le-
bens-Straffe
wann guͤltig.

zulaſſen/ daß die Geſtraffte beym Leben bleiben/ ſolche mag man nach
Landes-Art und Gebraͤuchen/ auch richterlichen Willkuͤhr aus Liebe
der Gerechtigkeit zu gemeinen Nutzes Beſten verhaͤngen/ und niemand
wider rechtliche Gewohnheit zum Tode verurtheilen/ noch Ehr-Leib-Straff Veraͤn-
derungs Recht.

und Lebens-Straffe vermehren/ ja wenn Beklagter die in Rechten
verordnete Straffe nicht auszuſtehen vermag/ kan ſolche vom Richter
fuͤglich veraͤndert werden.

P. H. O. art. 104. & 138. L. 1. C. quæ ſit longa conſvetudo. L. 8. §. 2. C. ad L. jud.
de vi publ. L. 12. §. 4. ff. de accuſat.

§. 22. Bey Straff-Linderungs Faͤllen iſt genung/ daß ein RichterStraff Linde-
rungs Urſa-
chen.

im Urtheil insgemein alſo ausdruͤcklich meldet/ vorkommenden Um-
ſtaͤnden bey ſo geſtalten Sachen/ oder deßfalls/ nach Gelegenheit aus
erheblich-bewegenden Urſachen/ welche ſeyn koͤnnen Liebe/ Vielheit
der Kinder/ minder jaͤhrig oder hohes Alter/ wahre Reue/ Buß und
Bekehrung/ gutwillige Bekaͤntniß/ Unſinn- oder Traurigkeit/ Trun-
cken- oder Unwiſſenheit/ Vielheit der Thaͤter/ oder deren groſſe Kunſt
und Eheſtand/ worinn allezeit die Billigkeit ſtrengem Recht vorgehet/
jedoch/ daß Ubelthaten nicht gar ungeſtrafft bleiben/ ſondern die Straf-
fe dem Recht und Verbrechen gemaͤß ſeye; Sonſt mag ein Richter/
als Geſetzes Diener/ nicht leicht aus deſſen Graͤntzen ſchreiten.

§. 1. inſtit de orig jur.

§. 23. Weilen auch alle Verbrechen durch Umſtaͤnde veraͤndert/Verbrechen
Umſtaͤnde
Recht.

entweder gehaͤſſiger oder mehr zu entſchuldigen ſind/ und dann aller-
ley Beſchaffenheit in Rechts-Geſetzen zu begreiffen unmuͤglich/ ſo
dennoch nicht ſtets zu verachten/ als kan ein Chriſtlich gewiſſenhaffter
Richter wohl kluͤglich darinn verfahren/ und nach geringſten Umſtaͤn-
den Straffe maͤßigen; Jn groben und ſchweren Verbrechen aber
gebuͤhret dem Richter nicht Gelindigkeit/ ſondern Schaͤrffe zu gebrau-Richters Ge-
lindigkeit
Straffe.

chen/ und niemahlen witziger zu ſeyn als das Recht/ ſonſt doͤrffte
ihm gleiche Straffe wiederfahren/ ſo Thaͤter verdienet/ oder wuͤrde
auch nach andern Zwangs-Mitteln Ehrloß.

C. ſicut, in princ. X. de homicid. L. Grachus, C. ad L. Jul. de adult. L. 4. ff. de
præſcr. verb. L. 12. & ſeqq. ff. de LL. L. 11. in princ. L. 16. ff. & L. Sancimus, C. de
pœn. L. 28. §. 15. ff. Eod. C. ut clericorum, X. de vit. & honeſt. Cler. Nov. 82. c.
10. L. 1. §. 1. ff. ad SCt. Turpill. L. 14. C. de pœn. L. 8. §. 2. ff. ad L. Jul. de vi publ.
§. 24. Rich-
D 3
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[29/0036] Von des Richters Pflicht und Eydes Beſchaffenheit. Ubelthaten Aergerniß und Gelegenheit ermeſſen/ Toͤdtungs Art und Weiſe zu erkennen; Jn Faͤllen aber/ darinn keinerley Todes-Straf- fe geſetzt/ ſondern die Rechte am Leib oder Gliedern peinliche Straffe zulaſſen/ daß die Geſtraffte beym Leben bleiben/ ſolche mag man nach Landes-Art und Gebraͤuchen/ auch richterlichen Willkuͤhr aus Liebe der Gerechtigkeit zu gemeinen Nutzes Beſten verhaͤngen/ und niemand wider rechtliche Gewohnheit zum Tode verurtheilen/ noch Ehr-Leib- und Lebens-Straffe vermehren/ ja wenn Beklagter die in Rechten verordnete Straffe nicht auszuſtehen vermag/ kan ſolche vom Richter fuͤglich veraͤndert werden. Leibes fuͤr Le- bens-Straffe wann guͤltig. Straff Veraͤn- derungs Recht. P. H. O. art. 104. & 138. L. 1. C. quæ ſit longa conſvetudo. L. 8. §. 2. C. ad L. jud. de vi publ. L. 12. §. 4. ff. de accuſat. §. 22. Bey Straff-Linderungs Faͤllen iſt genung/ daß ein Richter im Urtheil insgemein alſo ausdruͤcklich meldet/ vorkommenden Um- ſtaͤnden bey ſo geſtalten Sachen/ oder deßfalls/ nach Gelegenheit aus erheblich-bewegenden Urſachen/ welche ſeyn koͤnnen Liebe/ Vielheit der Kinder/ minder jaͤhrig oder hohes Alter/ wahre Reue/ Buß und Bekehrung/ gutwillige Bekaͤntniß/ Unſinn- oder Traurigkeit/ Trun- cken- oder Unwiſſenheit/ Vielheit der Thaͤter/ oder deren groſſe Kunſt und Eheſtand/ worinn allezeit die Billigkeit ſtrengem Recht vorgehet/ jedoch/ daß Ubelthaten nicht gar ungeſtrafft bleiben/ ſondern die Straf- fe dem Recht und Verbrechen gemaͤß ſeye; Sonſt mag ein Richter/ als Geſetzes Diener/ nicht leicht aus deſſen Graͤntzen ſchreiten. Straff Linde- rungs Urſa- chen. §. 1. inſtit de orig jur. §. 23. Weilen auch alle Verbrechen durch Umſtaͤnde veraͤndert/ entweder gehaͤſſiger oder mehr zu entſchuldigen ſind/ und dann aller- ley Beſchaffenheit in Rechts-Geſetzen zu begreiffen unmuͤglich/ ſo dennoch nicht ſtets zu verachten/ als kan ein Chriſtlich gewiſſenhaffter Richter wohl kluͤglich darinn verfahren/ und nach geringſten Umſtaͤn- den Straffe maͤßigen; Jn groben und ſchweren Verbrechen aber gebuͤhret dem Richter nicht Gelindigkeit/ ſondern Schaͤrffe zu gebrau- chen/ und niemahlen witziger zu ſeyn als das Recht/ ſonſt doͤrffte ihm gleiche Straffe wiederfahren/ ſo Thaͤter verdienet/ oder wuͤrde auch nach andern Zwangs-Mitteln Ehrloß. Verbrechen Umſtaͤnde Recht. Richters Ge- lindigkeit Straffe. C. ſicut, in princ. X. de homicid. L. Grachus, C. ad L. Jul. de adult. L. 4. ff. de præſcr. verb. L. 12. & ſeqq. ff. de LL. L. 11. in princ. L. 16. ff. & L. Sancimus, C. de pœn. L. 28. §. 15. ff. Eod. C. ut clericorum, X. de vit. & honeſt. Cler. Nov. 82. c. 10. L. 1. §. 1. ff. ad SCt. Turpill. L. 14. C. de pœn. L. 8. §. 2. ff. ad L. Jul. de vi publ. §. 24. Rich- D 3

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Zitationshilfe: Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/36>, abgerufen am 21.11.2024.