Metallen, den Sauerstoff unter die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabilischen Körpers vermehren. Bloße Kochsalzsäure beförderte das Wachsthum und Keimen der Samen nicht im geringsten, übersaure hingegen sehr merklich. Denn mit jener scheint der Sauerstoff zu genau verbunden zu seyn, als daß sie ihm durch die vegetabilische Fiber entzogen werden könnte. Die übersaure Kochsalzsäure hingegen nimmt, wenn sie die Samen zum Keimen gebracht und den überschüssigen Sauerstoff verlohren hat, die Natur der bloßen Salzsäure wieder an: so wie das oxydirte Quecksilber im menschlichen Körper die Haut in metallischer Gestalt durchdringt, wenn es seinen Sauerstoff der reizbaren Fiber mitgetheilt hat.
Der Sauerstoff wirkt beträchtlich auf die Farbe der Körper. Daher verändert sich diese an der Luft. Die übersaure (dephlogistisirte) Kochsalzsäure bringt an Metallkalken, Pflanzen u. s. w. ebendieselben Veränderungen, die sie an der Luft erleiden, nur weit schneller, hervor. Sie vertilgt alle vegetabilische Farven, und ändert sich dabey in gemeine Kochsalzsäure um, indem sich ihr überflüßiger Sauerstoff mit der vegetabilischen Substanz verbindet. Sie giebt den grünen Theilen der Pflanzen ebendieselben Farben, die dieselben mit der Zeit an der Luft annehmen, bald gelb, bald weiß, bald röthlich. Die Blätter der immergrünen Pflanzen, z. B. der Stechpalme, bleiben in ihr auch lange grün, und werden endlich, wie an der Luft, röthlich.
Pflanzen, welche an finstern Orten stehen, werden weiß; am Sonnenlichte erhalten sie die Farbe wieder, weil sich aus ihnen Sauerstoffgas entwickelt, da hingegen im Dunkeln der Sauerstoff mit ihnen verbunden bleibt, und die Farbe zerstört. Die weiß gewordenen Pflanzen sind weniger brennbar, weil sie schon gesäuert sind.
Thierische Theile werden von der übersauren Kochsalzsäure gelb, z. B. weiße Seide, weiße Wolle. Eben dieses geschieht auch allmählich an der Luft, wie beym Elfenbein und der weißen Seide.
Diese Wirkung des Sauerstoffs auf die Farben erklärt eine Menge sonderbarer Erscheinungen. Alle Theile der
Metallen, den Sauerſtoff unter die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabiliſchen Koͤrpers vermehren. Bloße Kochſalzſaͤure befoͤrderte das Wachsthum und Keimen der Samen nicht im geringſten, uͤberſaure hingegen ſehr merklich. Denn mit jener ſcheint der Sauerſtoff zu genau verbunden zu ſeyn, als daß ſie ihm durch die vegetabiliſche Fiber entzogen werden koͤnnte. Die uͤberſaure Kochſalzſaͤure hingegen nimmt, wenn ſie die Samen zum Keimen gebracht und den uͤberſchuͤſſigen Sauerſtoff verlohren hat, die Natur der bloßen Salzſaͤure wieder an: ſo wie das oxydirte Queckſilber im menſchlichen Koͤrper die Haut in metalliſcher Geſtalt durchdringt, wenn es ſeinen Sauerſtoff der reizbaren Fiber mitgetheilt hat.
Der Sauerſtoff wirkt betraͤchtlich auf die Farbe der Koͤrper. Daher veraͤndert ſich dieſe an der Luft. Die uͤberſaure (dephlogiſtiſirte) Kochſalzſaͤure bringt an Metallkalken, Pflanzen u. ſ. w. ebendieſelben Veraͤnderungen, die ſie an der Luft erleiden, nur weit ſchneller, hervor. Sie vertilgt alle vegetabiliſche Farven, und aͤndert ſich dabey in gemeine Kochſalzſaͤure um, indem ſich ihr uͤberfluͤßiger Sauerſtoff mit der vegetabiliſchen Subſtanz verbindet. Sie giebt den gruͤnen Theilen der Pflanzen ebendieſelben Farben, die dieſelben mit der Zeit an der Luft annehmen, bald gelb, bald weiß, bald roͤthlich. Die Blaͤtter der immergruͤnen Pflanzen, z. B. der Stechpalme, bleiben in ihr auch lange gruͤn, und werden endlich, wie an der Luft, roͤthlich.
Pflanzen, welche an finſtern Orten ſtehen, werden weiß; am Sonnenlichte erhalten ſie die Farbe wieder, weil ſich aus ihnen Sauerſtoffgas entwickelt, da hingegen im Dunkeln der Sauerſtoff mit ihnen verbunden bleibt, und die Farbe zerſtoͤrt. Die weiß gewordenen Pflanzen ſind weniger brennbar, weil ſie ſchon geſaͤuert ſind.
Thieriſche Theile werden von der uͤberſauren Kochſalzſaͤure gelb, z. B. weiße Seide, weiße Wolle. Eben dieſes geſchieht auch allmaͤhlich an der Luft, wie beym Elfenbein und der weißen Seide.
Dieſe Wirkung des Sauerſtoffs auf die Farben erklaͤrt eine Menge ſonderbarer Erſcheinungen. Alle Theile der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="2"><p><pbfacs="#f0818"xml:id="P.5.806"n="806"/><lb/>
Metallen, den Sauerſtoff unter die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabiliſchen Koͤrpers vermehren. Bloße Kochſalzſaͤure befoͤrderte das Wachsthum und Keimen der Samen nicht im geringſten, uͤberſaure hingegen ſehr merklich. Denn mit jener ſcheint der Sauerſtoff zu genau verbunden zu ſeyn, als daß ſie ihm durch die vegetabiliſche Fiber entzogen werden koͤnnte. Die uͤberſaure Kochſalzſaͤure hingegen nimmt, wenn ſie die Samen zum Keimen gebracht und den uͤberſchuͤſſigen Sauerſtoff verlohren hat, die Natur der bloßen Salzſaͤure wieder an: ſo wie das oxydirte Queckſilber im menſchlichen Koͤrper die Haut in metalliſcher Geſtalt durchdringt, wenn es ſeinen Sauerſtoff der reizbaren Fiber mitgetheilt hat.</p><p>Der Sauerſtoff wirkt betraͤchtlich auf die Farbe der Koͤrper. Daher veraͤndert ſich dieſe an der Luft. Die uͤberſaure (dephlogiſtiſirte) Kochſalzſaͤure bringt an Metallkalken, Pflanzen u. ſ. w. ebendieſelben Veraͤnderungen, die ſie an der Luft erleiden, nur weit ſchneller, hervor. Sie vertilgt alle vegetabiliſche Farven, und aͤndert ſich dabey in gemeine Kochſalzſaͤure um, indem ſich ihr uͤberfluͤßiger Sauerſtoff mit der vegetabiliſchen Subſtanz verbindet. Sie giebt den gruͤnen Theilen der Pflanzen ebendieſelben Farben, die dieſelben mit der Zeit an der Luft annehmen, bald gelb, bald weiß, bald roͤthlich. Die Blaͤtter der immergruͤnen Pflanzen, z. B. der Stechpalme, bleiben in ihr auch lange gruͤn, und werden endlich, wie an der Luft, roͤthlich.</p><p>Pflanzen, welche an finſtern Orten ſtehen, werden weiß; am Sonnenlichte erhalten ſie die Farbe wieder, weil ſich aus ihnen Sauerſtoffgas entwickelt, da hingegen im Dunkeln der Sauerſtoff mit ihnen verbunden bleibt, und die Farbe zerſtoͤrt. Die weiß gewordenen Pflanzen ſind weniger brennbar, weil ſie ſchon geſaͤuert ſind.</p><p>Thieriſche Theile werden von der uͤberſauren Kochſalzſaͤure gelb, z. B. weiße Seide, weiße Wolle. Eben dieſes geſchieht auch allmaͤhlich an der Luft, wie beym Elfenbein und der weißen Seide.</p><p>Dieſe Wirkung des Sauerſtoffs auf die Farben erklaͤrt eine Menge ſonderbarer Erſcheinungen. Alle Theile der<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[806/0818]
Metallen, den Sauerſtoff unter die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabiliſchen Koͤrpers vermehren. Bloße Kochſalzſaͤure befoͤrderte das Wachsthum und Keimen der Samen nicht im geringſten, uͤberſaure hingegen ſehr merklich. Denn mit jener ſcheint der Sauerſtoff zu genau verbunden zu ſeyn, als daß ſie ihm durch die vegetabiliſche Fiber entzogen werden koͤnnte. Die uͤberſaure Kochſalzſaͤure hingegen nimmt, wenn ſie die Samen zum Keimen gebracht und den uͤberſchuͤſſigen Sauerſtoff verlohren hat, die Natur der bloßen Salzſaͤure wieder an: ſo wie das oxydirte Queckſilber im menſchlichen Koͤrper die Haut in metalliſcher Geſtalt durchdringt, wenn es ſeinen Sauerſtoff der reizbaren Fiber mitgetheilt hat.
Der Sauerſtoff wirkt betraͤchtlich auf die Farbe der Koͤrper. Daher veraͤndert ſich dieſe an der Luft. Die uͤberſaure (dephlogiſtiſirte) Kochſalzſaͤure bringt an Metallkalken, Pflanzen u. ſ. w. ebendieſelben Veraͤnderungen, die ſie an der Luft erleiden, nur weit ſchneller, hervor. Sie vertilgt alle vegetabiliſche Farven, und aͤndert ſich dabey in gemeine Kochſalzſaͤure um, indem ſich ihr uͤberfluͤßiger Sauerſtoff mit der vegetabiliſchen Subſtanz verbindet. Sie giebt den gruͤnen Theilen der Pflanzen ebendieſelben Farben, die dieſelben mit der Zeit an der Luft annehmen, bald gelb, bald weiß, bald roͤthlich. Die Blaͤtter der immergruͤnen Pflanzen, z. B. der Stechpalme, bleiben in ihr auch lange gruͤn, und werden endlich, wie an der Luft, roͤthlich.
Pflanzen, welche an finſtern Orten ſtehen, werden weiß; am Sonnenlichte erhalten ſie die Farbe wieder, weil ſich aus ihnen Sauerſtoffgas entwickelt, da hingegen im Dunkeln der Sauerſtoff mit ihnen verbunden bleibt, und die Farbe zerſtoͤrt. Die weiß gewordenen Pflanzen ſind weniger brennbar, weil ſie ſchon geſaͤuert ſind.
Thieriſche Theile werden von der uͤberſauren Kochſalzſaͤure gelb, z. B. weiße Seide, weiße Wolle. Eben dieſes geſchieht auch allmaͤhlich an der Luft, wie beym Elfenbein und der weißen Seide.
Dieſe Wirkung des Sauerſtoffs auf die Farben erklaͤrt eine Menge ſonderbarer Erſcheinungen. Alle Theile der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/818>, abgerufen am 04.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.