Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Denn Quecksilber in einem verschloßnen mit Sauerstoffgas angefüllten Gefäße dem Feuer ausgesetzt, wird verkalkt und schwerer; das Gas nimmt ab, und wird um eben so viel leichter. Das Quecksilber hat also den Sauerstoff angezogen, und sich dadurch in Quecksilber - Halbsäure (Oxide de mercure rouge par le feu) verwandelt. Aber in einer noch höhern Temperatur kehrt sich die Verwandtschaft um, der Sauerstoff verläßt das Quecksilber wieder, und verbindet sich mit dem Wärmestoff. Dies ist die Reduction des für sich bereiteten Quecksilberkalks, welche das Sauerstoffgas oder die Lebensluft wieder liefert. Die Geschichte des berühmten Streits über diese Thatsache ist in dem Artikel Antiphlogistisches System (oben S. 43 u. f.) erzählt worden.

Auch andere Metalle entziehen bey einer gewissen Temperatur dem Sauerstoffgas den Sauerstoff, z. B. das Zinn. Zinnfeile in Sauerstoffgas über Quecksilber durch den Brennspiegel entzündet, brennt und saugt den Sauerstoff ein. Es wird dadurch in eine Halbsäure verwandelt, und nimmt am Gewichte soviel zu, als das Sauerstoffgas abgenommen hat.

Auf diese Art entstehen alle Säuren und Halbsäuren. Der Sauerstoff ist ein einziger und allen gemein; ihr Unterschied besteht nur in dem gesäuerten Körper, oder der Grundlage der Säure.

Zur Säurung wird aber erfordert, daß die kleinsten Theilchen des Körpers getrennt seyen, damit ihr Zusammenhang nicht die Verwandtschaft zum Sauerstoffe überwinde. Man trennt sie durch den Wärmestoff, den man zwischen sie bringt. Daher erfordert jede Säurung einen gewissen Grad der Temperatur, der aber für verschiedene Körper sehr verschieden ist. Fast alle einfache und unzerlegte Körper säuren sich durch bloßes Aussetzen an die Luft; Bley, Quecksilber und Zinn brauchen keine viel höhere Temperatur, als die gewöhnliche; Kupfer und Eisen eine weit höhere, wenn nicht Feuchtigkeit hinzukömmt.

Bey sehr schnellen Säurungen entsteht durch den befreyten Wärmestoff Licht und Hitze. Diese heißen eigentlich


Denn Queckſilber in einem verſchloßnen mit Sauerſtoffgas angefuͤllten Gefaͤße dem Feuer ausgeſetzt, wird verkalkt und ſchwerer; das Gas nimmt ab, und wird um eben ſo viel leichter. Das Queckſilber hat alſo den Sauerſtoff angezogen, und ſich dadurch in Queckſilber - Halbſaͤure (Oxide de mercure rouge par le feu) verwandelt. Aber in einer noch hoͤhern Temperatur kehrt ſich die Verwandtſchaft um, der Sauerſtoff verlaͤßt das Queckſilber wieder, und verbindet ſich mit dem Waͤrmeſtoff. Dies iſt die Reduction des fuͤr ſich bereiteten Queckſilberkalks, welche das Sauerſtoffgas oder die Lebensluft wieder liefert. Die Geſchichte des beruͤhmten Streits uͤber dieſe Thatſache iſt in dem Artikel Antiphlogiſtiſches Syſtem (oben S. 43 u. f.) erzaͤhlt worden.

Auch andere Metalle entziehen bey einer gewiſſen Temperatur dem Sauerſtoffgas den Sauerſtoff, z. B. das Zinn. Zinnfeile in Sauerſtoffgas uͤber Queckſilber durch den Brennſpiegel entzuͤndet, brennt und ſaugt den Sauerſtoff ein. Es wird dadurch in eine Halbſaͤure verwandelt, und nimmt am Gewichte ſoviel zu, als das Sauerſtoffgas abgenommen hat.

Auf dieſe Art entſtehen alle Saͤuren und Halbſaͤuren. Der Sauerſtoff iſt ein einziger und allen gemein; ihr Unterſchied beſteht nur in dem geſaͤuerten Koͤrper, oder der Grundlage der Saͤure.

Zur Saͤurung wird aber erfordert, daß die kleinſten Theilchen des Koͤrpers getrennt ſeyen, damit ihr Zuſammenhang nicht die Verwandtſchaft zum Sauerſtoffe uͤberwinde. Man trennt ſie durch den Waͤrmeſtoff, den man zwiſchen ſie bringt. Daher erfordert jede Saͤurung einen gewiſſen Grad der Temperatur, der aber fuͤr verſchiedene Koͤrper ſehr verſchieden iſt. Faſt alle einfache und unzerlegte Koͤrper ſaͤuren ſich durch bloßes Ausſetzen an die Luft; Bley, Queckſilber und Zinn brauchen keine viel hoͤhere Temperatur, als die gewoͤhnliche; Kupfer und Eiſen eine weit hoͤhere, wenn nicht Feuchtigkeit hinzukoͤmmt.

Bey ſehr ſchnellen Saͤurungen entſteht durch den befreyten Waͤrmeſtoff Licht und Hitze. Dieſe heißen eigentlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0816" xml:id="P.5.804" n="804"/><lb/>
Denn Queck&#x017F;ilber in einem ver&#x017F;chloßnen mit Sauer&#x017F;toffgas angefu&#x0364;llten Gefa&#x0364;ße dem Feuer ausge&#x017F;etzt, wird verkalkt und &#x017F;chwerer; das Gas nimmt ab, und wird um eben &#x017F;o viel leichter. Das Queck&#x017F;ilber hat al&#x017F;o den Sauer&#x017F;toff angezogen, und &#x017F;ich dadurch in <hi rendition="#b">Queck&#x017F;ilber - Halb&#x017F;a&#x0364;ure</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Oxide de mercure rouge par le feu</hi></hi>) verwandelt. Aber in einer noch ho&#x0364;hern Temperatur kehrt &#x017F;ich die Verwandt&#x017F;chaft um, der Sauer&#x017F;toff verla&#x0364;ßt das Queck&#x017F;ilber wieder, und verbindet &#x017F;ich mit dem Wa&#x0364;rme&#x017F;toff. Dies i&#x017F;t die Reduction des fu&#x0364;r &#x017F;ich bereiteten Queck&#x017F;ilberkalks, welche das Sauer&#x017F;toffgas oder die Lebensluft wieder liefert. Die Ge&#x017F;chichte des beru&#x0364;hmten Streits u&#x0364;ber die&#x017F;e That&#x017F;ache i&#x017F;t in dem Artikel <hi rendition="#b">Antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;ches Sy&#x017F;tem</hi> (oben S. 43 u. f.) erza&#x0364;hlt worden.</p>
              <p>Auch andere Metalle entziehen bey einer gewi&#x017F;&#x017F;en Temperatur dem Sauer&#x017F;toffgas den Sauer&#x017F;toff, z. B. das Zinn. Zinnfeile in Sauer&#x017F;toffgas u&#x0364;ber Queck&#x017F;ilber durch den Brenn&#x017F;piegel entzu&#x0364;ndet, brennt und &#x017F;augt den Sauer&#x017F;toff ein. Es wird dadurch in eine Halb&#x017F;a&#x0364;ure verwandelt, und nimmt am Gewichte &#x017F;oviel zu, als das Sauer&#x017F;toffgas abgenommen hat.</p>
              <p>Auf die&#x017F;e Art ent&#x017F;tehen alle Sa&#x0364;uren und Halb&#x017F;a&#x0364;uren. Der <hi rendition="#b">Sauer&#x017F;toff</hi> i&#x017F;t ein einziger und allen gemein; ihr Unter&#x017F;chied be&#x017F;teht nur in dem ge&#x017F;a&#x0364;uerten Ko&#x0364;rper, oder der Grundlage der Sa&#x0364;ure.</p>
              <p>Zur Sa&#x0364;urung wird aber erfordert, daß die klein&#x017F;ten Theilchen des Ko&#x0364;rpers getrennt &#x017F;eyen, damit ihr Zu&#x017F;ammenhang nicht die Verwandt&#x017F;chaft zum Sauer&#x017F;toffe u&#x0364;berwinde. Man trennt &#x017F;ie durch den Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, den man zwi&#x017F;chen &#x017F;ie bringt. Daher erfordert jede Sa&#x0364;urung einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad der Temperatur, der aber fu&#x0364;r ver&#x017F;chiedene Ko&#x0364;rper &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden i&#x017F;t. Fa&#x017F;t alle einfache und unzerlegte Ko&#x0364;rper &#x017F;a&#x0364;uren &#x017F;ich durch bloßes Aus&#x017F;etzen an die Luft; Bley, Queck&#x017F;ilber und Zinn brauchen keine viel ho&#x0364;here Temperatur, als die gewo&#x0364;hnliche; Kupfer und Ei&#x017F;en eine weit ho&#x0364;here, wenn nicht Feuchtigkeit hinzuko&#x0364;mmt.</p>
              <p>Bey &#x017F;ehr &#x017F;chnellen Sa&#x0364;urungen ent&#x017F;teht durch den befreyten Wa&#x0364;rme&#x017F;toff Licht und Hitze. Die&#x017F;e heißen eigentlich<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[804/0816] Denn Queckſilber in einem verſchloßnen mit Sauerſtoffgas angefuͤllten Gefaͤße dem Feuer ausgeſetzt, wird verkalkt und ſchwerer; das Gas nimmt ab, und wird um eben ſo viel leichter. Das Queckſilber hat alſo den Sauerſtoff angezogen, und ſich dadurch in Queckſilber - Halbſaͤure (Oxide de mercure rouge par le feu) verwandelt. Aber in einer noch hoͤhern Temperatur kehrt ſich die Verwandtſchaft um, der Sauerſtoff verlaͤßt das Queckſilber wieder, und verbindet ſich mit dem Waͤrmeſtoff. Dies iſt die Reduction des fuͤr ſich bereiteten Queckſilberkalks, welche das Sauerſtoffgas oder die Lebensluft wieder liefert. Die Geſchichte des beruͤhmten Streits uͤber dieſe Thatſache iſt in dem Artikel Antiphlogiſtiſches Syſtem (oben S. 43 u. f.) erzaͤhlt worden. Auch andere Metalle entziehen bey einer gewiſſen Temperatur dem Sauerſtoffgas den Sauerſtoff, z. B. das Zinn. Zinnfeile in Sauerſtoffgas uͤber Queckſilber durch den Brennſpiegel entzuͤndet, brennt und ſaugt den Sauerſtoff ein. Es wird dadurch in eine Halbſaͤure verwandelt, und nimmt am Gewichte ſoviel zu, als das Sauerſtoffgas abgenommen hat. Auf dieſe Art entſtehen alle Saͤuren und Halbſaͤuren. Der Sauerſtoff iſt ein einziger und allen gemein; ihr Unterſchied beſteht nur in dem geſaͤuerten Koͤrper, oder der Grundlage der Saͤure. Zur Saͤurung wird aber erfordert, daß die kleinſten Theilchen des Koͤrpers getrennt ſeyen, damit ihr Zuſammenhang nicht die Verwandtſchaft zum Sauerſtoffe uͤberwinde. Man trennt ſie durch den Waͤrmeſtoff, den man zwiſchen ſie bringt. Daher erfordert jede Saͤurung einen gewiſſen Grad der Temperatur, der aber fuͤr verſchiedene Koͤrper ſehr verſchieden iſt. Faſt alle einfache und unzerlegte Koͤrper ſaͤuren ſich durch bloßes Ausſetzen an die Luft; Bley, Queckſilber und Zinn brauchen keine viel hoͤhere Temperatur, als die gewoͤhnliche; Kupfer und Eiſen eine weit hoͤhere, wenn nicht Feuchtigkeit hinzukoͤmmt. Bey ſehr ſchnellen Saͤurungen entſteht durch den befreyten Waͤrmeſtoff Licht und Hitze. Dieſe heißen eigentlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/816
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/816>, abgerufen am 23.06.2024.