drigen Temperaturen aufs Hygrometer wirken, und daß es dieses nicht thut, das erst ist das Factum, auf welches de Luc seine Schlüsse gründet. Das Wasser soll nicht die Form der atmosphärischen Luft annehmen können. Womit hat man dieses erwiesen? Warum wird der Wasserdampf durch ein glühendes irdenes Rohr gelassen größtentheils zu Stickluft? Und wenn diese Stickluft, wie Einige behaupten, luftförmiges Wasser ist, was wird aus der Basis der Salpetersäure, dem Azote? Kann das Wasser ein Bestandtheil der brennbaren und dephlogistisirten Luft werden, so kan das, was man beym Verbrennen dieser Luftarten erhält, wenn sie gleich noch so trocken sind, eben sowohl für ausgeschiedenes, als für erst erzeugtes Wasser gehalten werden. Welche ungeheure Menge brennbarer Luft müßte man im Luftkreise annehmen und mit dephlogistisirter abbrennen lassen, um die Quantität des Regens zu erklären? Und wenn man einwendet, die Meteorologie sey noch viel zu unvollkommen, um Schlüsse gegen die neuere Chemie daraus zu ziehen; soll man denn darum die Beobachtungen der Meteorologen verschweigen, weil die Antiphlogistiker sie nicht erklären können? Man gestehe doch lieber offenherzig, daß unsere ganze Naturlehre aus Bruchstücken besteht, die der menschliche Verstand noch nicht zu einem einförmigen Ganzen zu vereinigen weiß.
Was die Nomenclatur betrift, so findet Herr Lichtenberg die Art, gewisse Verhältnisse durch die Endung auszudrücken, wie Sulfate, Sulfite, Sulfure, worinn nichts Hypothetisches ist, sehr nachahmungswürdig. Man hätte dies noch mehr anwenden, und lieber Plombide, Mercuride sagen sollen, als Oxide de plomb, de Mercure, welches letztere schon die Hypothese der Säurung mit ausdrückt. Die Worte sollen aber blos Zeichen, nicht Definitionen, seyn. Die letztern ändern sich mit den Meinungen, und alsdann verlieren solche definirende Namen ihre erklärende Kraft; kein Mensch denkt mehr an das, was die Erfinder darinn suchten. Daher braucht man aber auch nicht so ängstlich mit Abschaffung gangbarer Worte zu seyn, wenn sie gleich den Gegenstand unrichtig bezeichnen. Metallkalke konnten immer
drigen Temperaturen aufs Hygrometer wirken, und daß es dieſes nicht thut, das erſt iſt das Factum, auf welches de Luc ſeine Schluͤſſe gruͤndet. Das Waſſer ſoll nicht die Form der atmoſphaͤriſchen Luft annehmen koͤnnen. Womit hat man dieſes erwieſen? Warum wird der Waſſerdampf durch ein gluͤhendes irdenes Rohr gelaſſen groͤßtentheils zu Stickluft? Und wenn dieſe Stickluft, wie Einige behaupten, luftfoͤrmiges Waſſer iſt, was wird aus der Baſis der Salpeterſaͤure, dem Azote? Kann das Waſſer ein Beſtandtheil der brennbaren und dephlogiſtiſirten Luft werden, ſo kan das, was man beym Verbrennen dieſer Luftarten erhaͤlt, wenn ſie gleich noch ſo trocken ſind, eben ſowohl fuͤr ausgeſchiedenes, als fuͤr erſt erzeugtes Waſſer gehalten werden. Welche ungeheure Menge brennbarer Luft muͤßte man im Luftkreiſe annehmen und mit dephlogiſtiſirter abbrennen laſſen, um die Quantitaͤt des Regens zu erklaͤren? Und wenn man einwendet, die Meteorologie ſey noch viel zu unvollkommen, um Schluͤſſe gegen die neuere Chemie daraus zu ziehen; ſoll man denn darum die Beobachtungen der Meteorologen verſchweigen, weil die Antiphlogiſtiker ſie nicht erklaͤren koͤnnen? Man geſtehe doch lieber offenherzig, daß unſere ganze Naturlehre aus Bruchſtuͤcken beſteht, die der menſchliche Verſtand noch nicht zu einem einfoͤrmigen Ganzen zu vereinigen weiß.
Was die Nomenclatur betrift, ſo findet Herr Lichtenberg die Art, gewiſſe Verhaͤltniſſe durch die Endung auszudruͤcken, wie Sulfate, Sulfite, Sulfure, worinn nichts Hypothetiſches iſt, ſehr nachahmungswuͤrdig. Man haͤtte dies noch mehr anwenden, und lieber Plombide, Mercuride ſagen ſollen, als Oxide de plomb, de Mercure, welches letztere ſchon die Hypotheſe der Saͤurung mit ausdruͤckt. Die Worte ſollen aber blos Zeichen, nicht Definitionen, ſeyn. Die letztern aͤndern ſich mit den Meinungen, und alsdann verlieren ſolche definirende Namen ihre erklaͤrende Kraft; kein Menſch denkt mehr an das, was die Erfinder darinn ſuchten. Daher braucht man aber auch nicht ſo aͤngſtlich mit Abſchaffung gangbarer Worte zu ſeyn, wenn ſie gleich den Gegenſtand unrichtig bezeichnen. Metallkalke konnten immer
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drigen Temperaturen aufs Hygrometer wirken, und daß es dieſes nicht thut, das erſt iſt das Factum, auf welches de Luc ſeine Schluͤſſe gruͤndet. Das Waſſer ſoll nicht die Form der atmoſphaͤriſchen Luft annehmen koͤnnen. Womit hat man dieſes erwieſen? Warum wird der Waſſerdampf durch ein gluͤhendes irdenes Rohr gelaſſen groͤßtentheils zu Stickluft? Und wenn dieſe Stickluft, wie Einige behaupten, luftfoͤrmiges Waſſer iſt, was wird aus der Baſis der Salpeterſaͤure, dem Azote? Kann das Waſſer ein Beſtandtheil der brennbaren und dephlogiſtiſirten Luft werden, ſo kan das, was man beym Verbrennen dieſer Luftarten erhaͤlt, wenn ſie gleich noch ſo trocken ſind, eben ſowohl fuͤr ausgeſchiedenes, als fuͤr erſt erzeugtes Waſſer gehalten werden. Welche ungeheure Menge brennbarer Luft muͤßte man im Luftkreiſe annehmen und mit dephlogiſtiſirter abbrennen laſſen, um die Quantitaͤt des Regens zu erklaͤren? Und wenn man einwendet, die Meteorologie ſey noch viel zu unvollkommen, um Schluͤſſe gegen die neuere Chemie daraus zu ziehen; ſoll man denn darum die Beobachtungen der Meteorologen verſchweigen, weil die Antiphlogiſtiker ſie nicht erklaͤren koͤnnen? Man geſtehe doch lieber offenherzig, daß unſere ganze Naturlehre aus Bruchſtuͤcken beſteht, die der menſchliche Verſtand noch nicht zu einem einfoͤrmigen Ganzen zu vereinigen weiß.
Was die Nomenclatur betrift, ſo findet Herr Lichtenberg die Art, gewiſſe Verhaͤltniſſe durch die Endung auszudruͤcken, wie Sulfate, Sulfite, Sulfure, worinn nichts Hypothetiſches iſt, ſehr nachahmungswuͤrdig. Man haͤtte dies noch mehr anwenden, und lieber Plombide, Mercuride ſagen ſollen, als Oxide de plomb, de Mercure, welches letztere ſchon die Hypotheſe der Saͤurung mit ausdruͤckt. Die Worte ſollen aber blos Zeichen, nicht Definitionen, ſeyn. Die letztern aͤndern ſich mit den Meinungen, und alsdann verlieren ſolche definirende Namen ihre erklaͤrende Kraft; kein Menſch denkt mehr an das, was die Erfinder darinn ſuchten. Daher braucht man aber auch nicht ſo aͤngſtlich mit Abſchaffung gangbarer Worte zu ſeyn, wenn ſie gleich den Gegenſtand unrichtig bezeichnen. Metallkalke konnten immer
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/60>, abgerufen am 25.11.2024.
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