Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


In einer und derselben Gegend kommen oft Gänge von sehr verschiedenen Formationen zugleich vor, und machen zusammen eine Erz Resier aus. Dergleichen in einer Gegend unter einander vorkommende Gänge enthalten nicht allein die Kriterien ihrer Formations-Verschiedenheit, sondern auch ihres Formations-Alters sehr ausgezeichnet.

Eine Gangmasse von einer gewissen Formation kömmt zuweilen auf mehrerley Art, und zwar nicht allein in eignen oder besondern Gängen, sondern auch wohl auf Kreuzen zweyer andern von ihr ganz verschiedenen Gänge, oft auch in der Mitte, seltner an dem einen Saalbande eines andern Ganges, vor.

Herr Werner bestätiget den Satz, daß die Gangräume anfangs ofne Spalten der Gebirge gewesen seyen, mit neun Beweisen. 1) Solche Spalten mußten nothwendig entstehen, wenn sich die lockern und feuchten Massen der Gebirge zusammensetzten und austrockneten, 2) entstehen dergleichen noch jetzt in nassen Jahren und bey Erdbeben, 3) die Gestalt und Lage der Gänge beweiset es, und 4) die Progression von den schmälsten noch ofnen Klüften bis zu den mächtigsten Gängen, so wie 5) die Drufen, welche nichts anders sind, als unvollendete Ausfüllungen, Ueberbleibsel von dem ehemaligen Gangraume. 6) Viele Gangmassen zeigen die vormalige Offenheit des Ganges augenscheinlich, z. B. die Ausfüllungen mit runden Geschieben, mit Bruchstücken vom Nebengestein, mit Gangmasse, deren Trümmer wieder durch etwas anders verbunden sind (Trümmerstein), mit Versteinerungen, mit Steinsalz und Steinkohlen (neuern Erzeugnissen), mit Gestein, das sonst als Gebirgsart vorkömmt. 7) Das Verhalten der Gänge gegen einander und 8) gegen die einzelnen Lager der Gebirgsmassen läßt sich daraus vollkommen, anders aber nicht, erklären. 9) Die aus mehrern Fossilien bestehenden Gänge sind aus verschiedenen mit den Saalbändern parallelen Lagen zusammengesetzt, deren Krystallisationen zu erkennen geben, daß sich eine auf die andere gesetzt habe, und daß gewöhnlich die den Saalbändern nächsten am ersten entstanden sind, welches ganz für ehemalige Offenheit und allmählige Ausfüllung spricht.


In einer und derſelben Gegend kommen oft Gaͤnge von ſehr verſchiedenen Formationen zugleich vor, und machen zuſammen eine Erz Reſier aus. Dergleichen in einer Gegend unter einander vorkommende Gaͤnge enthalten nicht allein die Kriterien ihrer Formations-Verſchiedenheit, ſondern auch ihres Formations-Alters ſehr ausgezeichnet.

Eine Gangmaſſe von einer gewiſſen Formation koͤmmt zuweilen auf mehrerley Art, und zwar nicht allein in eignen oder beſondern Gaͤngen, ſondern auch wohl auf Kreuzen zweyer andern von ihr ganz verſchiedenen Gaͤnge, oft auch in der Mitte, ſeltner an dem einen Saalbande eines andern Ganges, vor.

Herr Werner beſtaͤtiget den Satz, daß die Gangraͤume anfangs ofne Spalten der Gebirge geweſen ſeyen, mit neun Beweiſen. 1) Solche Spalten mußten nothwendig entſtehen, wenn ſich die lockern und feuchten Maſſen der Gebirge zuſammenſetzten und austrockneten, 2) entſtehen dergleichen noch jetzt in naſſen Jahren und bey Erdbeben, 3) die Geſtalt und Lage der Gaͤnge beweiſet es, und 4) die Progreſſion von den ſchmaͤlſten noch ofnen Kluͤften bis zu den maͤchtigſten Gaͤngen, ſo wie 5) die Drufen, welche nichts anders ſind, als unvollendete Ausfuͤllungen, Ueberbleibſel von dem ehemaligen Gangraume. 6) Viele Gangmaſſen zeigen die vormalige Offenheit des Ganges augenſcheinlich, z. B. die Ausfuͤllungen mit runden Geſchieben, mit Bruchſtuͤcken vom Nebengeſtein, mit Gangmaſſe, deren Truͤmmer wieder durch etwas anders verbunden ſind (Truͤmmerſtein), mit Verſteinerungen, mit Steinſalz und Steinkohlen (neuern Erzeugniſſen), mit Geſtein, das ſonſt als Gebirgsart vorkoͤmmt. 7) Das Verhalten der Gaͤnge gegen einander und 8) gegen die einzelnen Lager der Gebirgsmaſſen laͤßt ſich daraus vollkommen, anders aber nicht, erklaͤren. 9) Die aus mehrern Foſſilien beſtehenden Gaͤnge ſind aus verſchiedenen mit den Saalbaͤndern parallelen Lagen zuſammengeſetzt, deren Kryſtalliſationen zu erkennen geben, daß ſich eine auf die andere geſetzt habe, und daß gewoͤhnlich die den Saalbaͤndern naͤchſten am erſten entſtanden ſind, welches ganz fuͤr ehemalige Offenheit und allmaͤhlige Ausfuͤllung ſpricht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p>
                <pb facs="#f0434" xml:id="P.5.422" n="422"/><lb/>
              </p>
              <p>In einer und der&#x017F;elben Gegend kommen oft Ga&#x0364;nge von &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Formationen zugleich vor, und machen zu&#x017F;ammen eine Erz Re&#x017F;ier aus. Dergleichen in einer Gegend unter einander vorkommende Ga&#x0364;nge enthalten nicht allein die Kriterien ihrer Formations-Ver&#x017F;chiedenheit, &#x017F;ondern auch ihres Formations-Alters &#x017F;ehr ausgezeichnet.</p>
              <p>Eine Gangma&#x017F;&#x017F;e von einer gewi&#x017F;&#x017F;en Formation ko&#x0364;mmt zuweilen auf mehrerley Art, und zwar nicht allein in eignen oder be&#x017F;ondern Ga&#x0364;ngen, &#x017F;ondern auch wohl auf Kreuzen zweyer andern von ihr ganz ver&#x017F;chiedenen Ga&#x0364;nge, oft auch in der Mitte, &#x017F;eltner an dem einen Saalbande eines andern Ganges, vor.</p>
              <p>Herr <hi rendition="#b">Werner</hi> be&#x017F;ta&#x0364;tiget den Satz, daß die Gangra&#x0364;ume anfangs ofne Spalten der Gebirge gewe&#x017F;en &#x017F;eyen, mit neun Bewei&#x017F;en. 1) Solche Spalten mußten nothwendig ent&#x017F;tehen, wenn &#x017F;ich die lockern und feuchten Ma&#x017F;&#x017F;en der Gebirge zu&#x017F;ammen&#x017F;etzten und austrockneten, 2) ent&#x017F;tehen dergleichen noch jetzt in na&#x017F;&#x017F;en Jahren und bey Erdbeben, 3) die Ge&#x017F;talt und Lage der Ga&#x0364;nge bewei&#x017F;et es, und 4) die Progre&#x017F;&#x017F;ion von den &#x017F;chma&#x0364;l&#x017F;ten noch ofnen Klu&#x0364;ften bis zu den ma&#x0364;chtig&#x017F;ten Ga&#x0364;ngen, &#x017F;o wie 5) die Drufen, welche nichts anders &#x017F;ind, als unvollendete Ausfu&#x0364;llungen, Ueberbleib&#x017F;el von dem ehemaligen Gangraume. 6) Viele Gangma&#x017F;&#x017F;en zeigen die vormalige Offenheit des Ganges augen&#x017F;cheinlich, z. B. die Ausfu&#x0364;llungen mit runden Ge&#x017F;chieben, mit Bruch&#x017F;tu&#x0364;cken vom Nebenge&#x017F;tein, mit Gangma&#x017F;&#x017F;e, deren Tru&#x0364;mmer wieder durch etwas anders verbunden &#x017F;ind (Tru&#x0364;mmer&#x017F;tein), mit Ver&#x017F;teinerungen, mit Stein&#x017F;alz und Steinkohlen (neuern Erzeugni&#x017F;&#x017F;en), mit Ge&#x017F;tein, das &#x017F;on&#x017F;t als Gebirgsart vorko&#x0364;mmt. 7) Das Verhalten der Ga&#x0364;nge gegen einander und 8) gegen die einzelnen Lager der Gebirgsma&#x017F;&#x017F;en la&#x0364;ßt &#x017F;ich daraus vollkommen, anders aber nicht, erkla&#x0364;ren. 9) Die aus mehrern Fo&#x017F;&#x017F;ilien be&#x017F;tehenden Ga&#x0364;nge &#x017F;ind aus ver&#x017F;chiedenen mit den Saalba&#x0364;ndern parallelen Lagen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, deren Kry&#x017F;talli&#x017F;ationen zu erkennen geben, daß &#x017F;ich eine auf die andere ge&#x017F;etzt habe, und daß gewo&#x0364;hnlich die den Saalba&#x0364;ndern na&#x0364;ch&#x017F;ten am er&#x017F;ten ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, welches ganz fu&#x0364;r ehemalige Offenheit und allma&#x0364;hlige Ausfu&#x0364;llung &#x017F;pricht.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0434] In einer und derſelben Gegend kommen oft Gaͤnge von ſehr verſchiedenen Formationen zugleich vor, und machen zuſammen eine Erz Reſier aus. Dergleichen in einer Gegend unter einander vorkommende Gaͤnge enthalten nicht allein die Kriterien ihrer Formations-Verſchiedenheit, ſondern auch ihres Formations-Alters ſehr ausgezeichnet. Eine Gangmaſſe von einer gewiſſen Formation koͤmmt zuweilen auf mehrerley Art, und zwar nicht allein in eignen oder beſondern Gaͤngen, ſondern auch wohl auf Kreuzen zweyer andern von ihr ganz verſchiedenen Gaͤnge, oft auch in der Mitte, ſeltner an dem einen Saalbande eines andern Ganges, vor. Herr Werner beſtaͤtiget den Satz, daß die Gangraͤume anfangs ofne Spalten der Gebirge geweſen ſeyen, mit neun Beweiſen. 1) Solche Spalten mußten nothwendig entſtehen, wenn ſich die lockern und feuchten Maſſen der Gebirge zuſammenſetzten und austrockneten, 2) entſtehen dergleichen noch jetzt in naſſen Jahren und bey Erdbeben, 3) die Geſtalt und Lage der Gaͤnge beweiſet es, und 4) die Progreſſion von den ſchmaͤlſten noch ofnen Kluͤften bis zu den maͤchtigſten Gaͤngen, ſo wie 5) die Drufen, welche nichts anders ſind, als unvollendete Ausfuͤllungen, Ueberbleibſel von dem ehemaligen Gangraume. 6) Viele Gangmaſſen zeigen die vormalige Offenheit des Ganges augenſcheinlich, z. B. die Ausfuͤllungen mit runden Geſchieben, mit Bruchſtuͤcken vom Nebengeſtein, mit Gangmaſſe, deren Truͤmmer wieder durch etwas anders verbunden ſind (Truͤmmerſtein), mit Verſteinerungen, mit Steinſalz und Steinkohlen (neuern Erzeugniſſen), mit Geſtein, das ſonſt als Gebirgsart vorkoͤmmt. 7) Das Verhalten der Gaͤnge gegen einander und 8) gegen die einzelnen Lager der Gebirgsmaſſen laͤßt ſich daraus vollkommen, anders aber nicht, erklaͤren. 9) Die aus mehrern Foſſilien beſtehenden Gaͤnge ſind aus verſchiedenen mit den Saalbaͤndern parallelen Lagen zuſammengeſetzt, deren Kryſtalliſationen zu erkennen geben, daß ſich eine auf die andere geſetzt habe, und daß gewoͤhnlich die den Saalbaͤndern naͤchſten am erſten entſtanden ſind, welches ganz fuͤr ehemalige Offenheit und allmaͤhlige Ausfuͤllung ſpricht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/434
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/434>, abgerufen am 19.05.2024.