Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Herr Darwin beschließt mit folgendem unterhaltenden Versuche. Auf ein 4zolliges gelbes Quadrat ward mit blauer Farbe der Name BANKS geschrieben. Der V. mit dem Rücken gegen die Sonne gekehrt, heftete die Augen eine Minute lang auf das N, schloß sie darauf zu, und beschattete sie etwas mit der Hand. Jetzt sah er deutlich in einem blauen Spectrum das ganze Wort mit gelber Schrift, und als er die Augen gegen eine gelbliche, 20 Fuß entfernte, Wand öfnete, erschien darauf der vergrößerte Name BANKS mit goldnen Buchstaben. Farbenclavier. Zus. zu Th. II. S. 162. Auch Hr. Heydenreich (System der Aesthetik. Leipzig, 1790. 8. Sechste Betr. S. 224. u. f.) hat die Unmöglichkeit, durch Farben so, wie durch Töne, zu wirken, mit dem ihm eignen eindringenden Scharfsinn dargethan. Sollten Combinationen von Farben es den Tönen gleich thun, so müßten sie 1) eben soviel Fähigkeit besitzen, Empfindung und Leidenschaft zu malen, als Töne. Aber bey den Farben findet sich kein so bestimmtes und so leicht wahrzunehmendes Verhältniß der Intervalle zu der ganzen Leiter, daß eine wirkende melodische Zusammensetzung derselben möglich wäre. Noch mehr, die Form der Farben ist der Raum, und keinesweges die Zeit. Gefühle und Leidenschaften aber können nur durch solche Zeichen kopirt werden, welche mit ihnen eben dieselbe Form, die Zeit, haben. Wollte man auch die Farben in Bewegung setzen, so bewegen sich doch im Grunde nicht sie selbst, immer nur das, woran sie sich befinden. Der Ton hat seine Existenz durch sein Schweben in der Zeit, die Farbe durch ihr Ruhen in einem Theile des Raums. Auch müßte 2) der Gesichtssinn Farbenreihen eben so schnell und unterscheidend fassen können, als der Gehörsinn die Tonreihen. Aber Farbenreihen, nur mäßig geschwind vor dem Auge vorübergeführt, fallen in eine verworrene Vorstellung zusammen. Endlich müßte auch 3) der Gesichtssinn in eben dem nahen Zusammenhange mit unserm Gedächtnisse und Dichtungsvermögen für Gefühle und Leidenschaften stehen, Herr Darwin beſchließt mit folgendem unterhaltenden Verſuche. Auf ein 4zolliges gelbes Quadrat ward mit blauer Farbe der Name BANKS geſchrieben. Der V. mit dem Ruͤcken gegen die Sonne gekehrt, heftete die Augen eine Minute lang auf das N, ſchloß ſie darauf zu, und beſchattete ſie etwas mit der Hand. Jetzt ſah er deutlich in einem blauen Spectrum das ganze Wort mit gelber Schrift, und als er die Augen gegen eine gelbliche, 20 Fuß entfernte, Wand oͤfnete, erſchien darauf der vergroͤßerte Name BANKS mit goldnen Buchſtaben. Farbenclavier. Zuſ. zu Th. II. S. 162. Auch Hr. Heydenreich (Syſtem der Aeſthetik. Leipzig, 1790. 8. Sechſte Betr. S. 224. u. f.) hat die Unmoͤglichkeit, durch Farben ſo, wie durch Toͤne, zu wirken, mit dem ihm eignen eindringenden Scharfſinn dargethan. Sollten Combinationen von Farben es den Toͤnen gleich thun, ſo muͤßten ſie 1) eben ſoviel Faͤhigkeit beſitzen, Empfindung und Leidenſchaft zu malen, als Toͤne. Aber bey den Farben findet ſich kein ſo beſtimmtes und ſo leicht wahrzunehmendes Verhaͤltniß der Intervalle zu der ganzen Leiter, daß eine wirkende melodiſche Zuſammenſetzung derſelben moͤglich waͤre. Noch mehr, die Form der Farben iſt der Raum, und keinesweges die Zeit. Gefuͤhle und Leidenſchaften aber koͤnnen nur durch ſolche Zeichen kopirt werden, welche mit ihnen eben dieſelbe Form, die Zeit, haben. Wollte man auch die Farben in Bewegung ſetzen, ſo bewegen ſich doch im Grunde nicht ſie ſelbſt, immer nur das, woran ſie ſich befinden. Der Ton hat ſeine Exiſtenz durch ſein Schweben in der Zeit, die Farbe durch ihr Ruhen in einem Theile des Raums. Auch muͤßte 2) der Geſichtsſinn Farbenreihen eben ſo ſchnell und unterſcheidend faſſen koͤnnen, als der Gehoͤrſinn die Tonreihen. Aber Farbenreihen, nur maͤßig geſchwind vor dem Auge voruͤbergefuͤhrt, fallen in eine verworrene Vorſtellung zuſammen. Endlich muͤßte auch 3) der Geſichtsſinn in eben dem nahen Zuſammenhange mit unſerm Gedaͤchtniſſe und Dichtungsvermoͤgen fuͤr Gefuͤhle und Leidenſchaften ſtehen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0405" xml:id="P.5.393" n="393"/><lb/> </p> <p>Herr <hi rendition="#b">Darwin</hi> beſchließt mit folgendem unterhaltenden Verſuche. Auf ein 4zolliges gelbes Quadrat ward mit blauer Farbe der Name <hi rendition="#aq">BANKS</hi> geſchrieben. Der V. mit dem Ruͤcken gegen die Sonne gekehrt, heftete die Augen eine Minute lang auf das <hi rendition="#aq">N,</hi> ſchloß ſie darauf zu, und beſchattete ſie etwas mit der Hand. 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Farbenclavier.
Zuſ. zu Th. II. S. 162.
Auch Hr. Heydenreich (Syſtem der Aeſthetik. Leipzig, 1790. 8. Sechſte Betr. S. 224. u. f.) hat die Unmoͤglichkeit, durch Farben ſo, wie durch Toͤne, zu wirken, mit dem ihm eignen eindringenden Scharfſinn dargethan. Sollten Combinationen von Farben es den Toͤnen gleich thun, ſo muͤßten ſie 1) eben ſoviel Faͤhigkeit beſitzen, Empfindung und Leidenſchaft zu malen, als Toͤne. Aber bey den Farben findet ſich kein ſo beſtimmtes und ſo leicht wahrzunehmendes Verhaͤltniß der Intervalle zu der ganzen Leiter, daß eine wirkende melodiſche Zuſammenſetzung derſelben moͤglich waͤre. Noch mehr, die Form der Farben iſt der Raum, und keinesweges die Zeit. Gefuͤhle und Leidenſchaften aber koͤnnen nur durch ſolche Zeichen kopirt werden, welche mit ihnen eben dieſelbe Form, die Zeit, haben. Wollte man auch die Farben in Bewegung ſetzen, ſo bewegen ſich doch im Grunde nicht ſie ſelbſt, immer nur das, woran ſie ſich befinden. Der Ton hat ſeine Exiſtenz durch ſein Schweben in der Zeit, die Farbe durch ihr Ruhen in einem Theile des Raums. Auch muͤßte 2) der Geſichtsſinn Farbenreihen eben ſo ſchnell und unterſcheidend faſſen koͤnnen, als der Gehoͤrſinn die Tonreihen. Aber Farbenreihen, nur maͤßig geſchwind vor dem Auge voruͤbergefuͤhrt, fallen in eine verworrene Vorſtellung zuſammen. Endlich muͤßte auch 3) der Geſichtsſinn in eben dem nahen Zuſammenhange mit unſerm Gedaͤchtniſſe und Dichtungsvermoͤgen fuͤr Gefuͤhle und Leidenſchaften ſtehen,
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