Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Herr Hube (Vollständiger und faßlicher Unterricht in der Naturlehre, I. B. 1793. Vorr. S. XIII.) hat aus dem Grunde, weil allen flüßigen Materien Elasticität zukomme, die angenommene Eintheilung der Flüßigkeiten in tropfbare und expansible als unrichtig verworfen, und aus dem Vortrage der Physik ganz zu entfernen gesucht. Er spricht davon in ziemlich harten Ausdrücken, nennt die Eintheilung cartesianisch, und vergleicht sie mit der aristotelischen Eintheilung der Körper in natürlich schwere und natürlich leichte. Hierinn kan man aber diesem verdienten Naturforscher keinesweges Beyfall geben. Wenn auch gleich die Ausdehnbarkeit bey tropfbaren und elastischen Flüßigkeiten nur dem Grade nach verschieden ist, so findet man doch diese Verschiedenheit ungemein beträchtlich und in die Sinne fallend; überdieses sind beyde Classen durch so bestimmte Grenzen getrennt, und richten sich in Absicht auf Druck, Bewegung und übrige Erscheinungen nach so wesentlich verschiedenen Gesetzen, daß kaum eine Eintheilung in Erfahrung und Natur der Sache besser, als diese, gegründet seyn kann. Herr Hube dürfte ja nur an den Unterschied zwischen Hydrostatik und Aerostatik, Hydraulik und Pnevmatik u. s. w. gedacht haben. Die tropfbaren Materien unterscheiden sich sehr bestimmt von denen, die hier unter expansibeln oder elastischen verstanden werden. Der sehr geringe Grad von Elasticität, den wir an jenen, z. B. am Wasser, bemerken, zeigt sich nie anders, als nach vorhergegangener künstlicher Zusammendrückung, welche eigne und gar nicht leichte Veranstaltungen erfordert, s. Wasser (Th. IV. S. 634 u. f.): da hingegen diese, z. B. die Luft, der Wasserdampf u. s. w. sich freywillig, und ohne die mindeste menschliche Veranstaltung, durch jeden Raum, der sich ihnen darbietet, verbreiten, oder wo ihnen ein Hinderniß entgegen steht, wenigstens sich zu verbreiten streben, und dieses durch Druck auf das Hinderniß,
Herr Hube (Vollſtaͤndiger und faßlicher Unterricht in der Naturlehre, I. B. 1793. Vorr. S. XIII.) hat aus dem Grunde, weil allen fluͤßigen Materien Elaſticitaͤt zukomme, die angenommene Eintheilung der Fluͤßigkeiten in tropfbare und expanſible als unrichtig verworfen, und aus dem Vortrage der Phyſik ganz zu entfernen geſucht. Er ſpricht davon in ziemlich harten Ausdruͤcken, nennt die Eintheilung carteſianiſch, und vergleicht ſie mit der ariſtoteliſchen Eintheilung der Koͤrper in natuͤrlich ſchwere und natuͤrlich leichte. Hierinn kan man aber dieſem verdienten Naturforſcher keinesweges Beyfall geben. Wenn auch gleich die Ausdehnbarkeit bey tropfbaren und elaſtiſchen Fluͤßigkeiten nur dem Grade nach verſchieden iſt, ſo findet man doch dieſe Verſchiedenheit ungemein betraͤchtlich und in die Sinne fallend; uͤberdieſes ſind beyde Claſſen durch ſo beſtimmte Grenzen getrennt, und richten ſich in Abſicht auf Druck, Bewegung und uͤbrige Erſcheinungen nach ſo weſentlich verſchiedenen Geſetzen, daß kaum eine Eintheilung in Erfahrung und Natur der Sache beſſer, als dieſe, gegruͤndet ſeyn kann. Herr Hube duͤrfte ja nur an den Unterſchied zwiſchen Hydroſtatik und Aeroſtatik, Hydraulik und Pnevmatik u. ſ. w. gedacht haben. Die tropfbaren Materien unterſcheiden ſich ſehr beſtimmt von denen, die hier unter expanſibeln oder elaſtiſchen verſtanden werden. Der ſehr geringe Grad von Elaſticitaͤt, den wir an jenen, z. B. am Waſſer, bemerken, zeigt ſich nie anders, als nach vorhergegangener kuͤnſtlicher Zuſammendruͤckung, welche eigne und gar nicht leichte Veranſtaltungen erfordert, ſ. Waſſer (Th. IV. S. 634 u. f.): da hingegen dieſe, z. B. die Luft, der Waſſerdampf u. ſ. w. ſich freywillig, und ohne die mindeſte menſchliche Veranſtaltung, durch jeden Raum, der ſich ihnen darbietet, verbreiten, oder wo ihnen ein Hinderniß entgegen ſteht, wenigſtens ſich zu verbreiten ſtreben, und dieſes durch Druck auf das Hinderniß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0390" xml:id="P.5.378" n="378"/><lb/> tropfbaren ausſchließt, welches die Namen elaſtiſche, expanſible Fluida nicht thun, da auch den tropfbaren Fluͤßigkeiten einiger Grad von Ausdehnbarkeit nicht abgeſprochen werden kann.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">Hube</hi> (Vollſtaͤndiger und faßlicher Unterricht in der Naturlehre, <hi rendition="#aq">I.</hi> B. 1793. Vorr. S. <hi rendition="#aq">XIII.)</hi> hat aus dem Grunde, weil allen fluͤßigen Materien Elaſticitaͤt zukomme, die angenommene Eintheilung der Fluͤßigkeiten in tropfbare und expanſible als unrichtig verworfen, und aus dem Vortrage der Phyſik ganz zu entfernen geſucht. Er ſpricht davon in ziemlich harten Ausdruͤcken, nennt die Eintheilung carteſianiſch, und vergleicht ſie mit der ariſtoteliſchen Eintheilung der Koͤrper in natuͤrlich ſchwere und natuͤrlich leichte. Hierinn kan man aber dieſem verdienten Naturforſcher keinesweges Beyfall geben. Wenn auch gleich die Ausdehnbarkeit bey tropfbaren und elaſtiſchen Fluͤßigkeiten nur dem Grade nach verſchieden iſt, ſo findet man doch dieſe Verſchiedenheit ungemein betraͤchtlich und in die Sinne fallend; uͤberdieſes ſind beyde Claſſen durch ſo beſtimmte Grenzen getrennt, und richten ſich in Abſicht auf Druck, Bewegung und uͤbrige Erſcheinungen nach ſo weſentlich verſchiedenen Geſetzen, daß kaum eine Eintheilung in Erfahrung und Natur der Sache beſſer, als dieſe, gegruͤndet ſeyn kann. Herr <hi rendition="#b">Hube</hi> duͤrfte ja nur an den Unterſchied zwiſchen Hydroſtatik und Aeroſtatik, Hydraulik und Pnevmatik u. ſ. w. gedacht haben.</p> <p>Die <hi rendition="#b">tropfbaren</hi> Materien unterſcheiden ſich ſehr beſtimmt von denen, die hier unter <hi rendition="#b">expanſibeln</hi> oder <hi rendition="#b">elaſtiſchen</hi> verſtanden werden. Der ſehr geringe Grad von Elaſticitaͤt, den wir an jenen, z. B. am Waſſer, bemerken, zeigt ſich nie anders, als nach vorhergegangener kuͤnſtlicher Zuſammendruͤckung, welche eigne und gar nicht leichte Veranſtaltungen erfordert, ſ. <hi rendition="#b">Waſſer</hi> (Th. <hi rendition="#aq">IV.</hi> S. 634 u. f.): da hingegen dieſe, z. B. die Luft, der Waſſerdampf u. ſ. w. ſich freywillig, und ohne die mindeſte menſchliche Veranſtaltung, durch jeden Raum, der ſich ihnen darbietet, verbreiten, oder wo ihnen ein Hinderniß entgegen ſteht, wenigſtens ſich zu verbreiten ſtreben, und dieſes durch Druck auf das Hinderniß,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [378/0390]
tropfbaren ausſchließt, welches die Namen elaſtiſche, expanſible Fluida nicht thun, da auch den tropfbaren Fluͤßigkeiten einiger Grad von Ausdehnbarkeit nicht abgeſprochen werden kann.
Herr Hube (Vollſtaͤndiger und faßlicher Unterricht in der Naturlehre, I. B. 1793. Vorr. S. XIII.) hat aus dem Grunde, weil allen fluͤßigen Materien Elaſticitaͤt zukomme, die angenommene Eintheilung der Fluͤßigkeiten in tropfbare und expanſible als unrichtig verworfen, und aus dem Vortrage der Phyſik ganz zu entfernen geſucht. Er ſpricht davon in ziemlich harten Ausdruͤcken, nennt die Eintheilung carteſianiſch, und vergleicht ſie mit der ariſtoteliſchen Eintheilung der Koͤrper in natuͤrlich ſchwere und natuͤrlich leichte. Hierinn kan man aber dieſem verdienten Naturforſcher keinesweges Beyfall geben. Wenn auch gleich die Ausdehnbarkeit bey tropfbaren und elaſtiſchen Fluͤßigkeiten nur dem Grade nach verſchieden iſt, ſo findet man doch dieſe Verſchiedenheit ungemein betraͤchtlich und in die Sinne fallend; uͤberdieſes ſind beyde Claſſen durch ſo beſtimmte Grenzen getrennt, und richten ſich in Abſicht auf Druck, Bewegung und uͤbrige Erſcheinungen nach ſo weſentlich verſchiedenen Geſetzen, daß kaum eine Eintheilung in Erfahrung und Natur der Sache beſſer, als dieſe, gegruͤndet ſeyn kann. Herr Hube duͤrfte ja nur an den Unterſchied zwiſchen Hydroſtatik und Aeroſtatik, Hydraulik und Pnevmatik u. ſ. w. gedacht haben.
Die tropfbaren Materien unterſcheiden ſich ſehr beſtimmt von denen, die hier unter expanſibeln oder elaſtiſchen verſtanden werden. Der ſehr geringe Grad von Elaſticitaͤt, den wir an jenen, z. B. am Waſſer, bemerken, zeigt ſich nie anders, als nach vorhergegangener kuͤnſtlicher Zuſammendruͤckung, welche eigne und gar nicht leichte Veranſtaltungen erfordert, ſ. Waſſer (Th. IV. S. 634 u. f.): da hingegen dieſe, z. B. die Luft, der Waſſerdampf u. ſ. w. ſich freywillig, und ohne die mindeſte menſchliche Veranſtaltung, durch jeden Raum, der ſich ihnen darbietet, verbreiten, oder wo ihnen ein Hinderniß entgegen ſteht, wenigſtens ſich zu verbreiten ſtreben, und dieſes durch Druck auf das Hinderniß,
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