Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


größer sind, als die Lichttheilchen im Emanationssystem angenommen werden können; da es hingegen andere weit dichtere Körper, z. B. Glas, Bergkrystall, Diamant, ganz leicht durchdringt.

Kork und Tannenholz, als die leichtesten Hölzer, sind in dünne Scheibchen zerschnitten, am geschicktesten, unter dem Mikroskop die bewundernswürdige Menge der Zwischenräume, die in den Körpern vorhanden sind, nebst ihrer Gestalt und Anordnung zu entdecken. D. Hook hat schon in seiner Mikrographie hierüber merkwürdige Beobachtungen angestellt. In einem Stücke Kork von (1/18) Zoll Länge lassen sich 60 Zellen in gerader Linie zählen, woraus folgt, daß es deren in der Länge eines Zolles 1080, und wenn man sie von cubischer Gestalt annimmt, in einem Cubikzolle über 1259 Millionen geben müsse. Diese leeren Zellen sind nur durch äußerst feine Scheidewände getrennt, welche einzig und allein die solide Substanz des Körpers ausmachen.

Es ist unmöglich zu bestimmen, wie viel Raum diese geringe Summe der soliden und undurchdringlichen Materie noch einnehmen würde, wenn sie ohne alle Zwischenräume mit vollkommner Dichte zusammengepreßt wäre. Daß aber dieser Raum sehr wenig betragen würde, ist leicht abzusehen. Priestley (Disquisitions relating to Matter and Spirit. London, 1778. 8. p. 17.) sagt ganz richtig, man finde nichts Widersprechendes darinn, daß die ganze solide Materie des Sonnensystems in einer Nußschale Platz haben könne; so groß sey selbst in den dichtesten Körpern der leere Raum in Vergleichung mit ihren soliden Bestandtheilen. In der That wird man dieser Behauptung, so paradox sie immer scheinen mag, keinen Erfahrungssatz entgegenstellen können, weil sich unsern Sinnen schlechterdings nichts vollkommen Dichtes darstellt. Aber hieraus mit Priestley zu folgern, daß es gar keine undurchdringliche Materie gebe, ist doch ein unverzeihlicher Sprung im Schließen, bey dem man auf einmal allen sinnlichen Schein vergessen und ganz über das Gebiet der Physik hinausgehen muß. Aus dem, was die Beobachtungen lehren,


groͤßer ſind, als die Lichttheilchen im Emanationsſyſtem angenommen werden koͤnnen; da es hingegen andere weit dichtere Koͤrper, z. B. Glas, Bergkryſtall, Diamant, ganz leicht durchdringt.

Kork und Tannenholz, als die leichteſten Hoͤlzer, ſind in duͤnne Scheibchen zerſchnitten, am geſchickteſten, unter dem Mikroſkop die bewundernswuͤrdige Menge der Zwiſchenraͤume, die in den Koͤrpern vorhanden ſind, nebſt ihrer Geſtalt und Anordnung zu entdecken. D. Hook hat ſchon in ſeiner Mikrographie hieruͤber merkwuͤrdige Beobachtungen angeſtellt. In einem Stuͤcke Kork von (1/18) Zoll Laͤnge laſſen ſich 60 Zellen in gerader Linie zaͤhlen, woraus folgt, daß es deren in der Laͤnge eines Zolles 1080, und wenn man ſie von cubiſcher Geſtalt annimmt, in einem Cubikzolle uͤber 1259 Millionen geben muͤſſe. Dieſe leeren Zellen ſind nur durch aͤußerſt feine Scheidewaͤnde getrennt, welche einzig und allein die ſolide Subſtanz des Koͤrpers ausmachen.

Es iſt unmoͤglich zu beſtimmen, wie viel Raum dieſe geringe Summe der ſoliden und undurchdringlichen Materie noch einnehmen wuͤrde, wenn ſie ohne alle Zwiſchenraͤume mit vollkommner Dichte zuſammengepreßt waͤre. Daß aber dieſer Raum ſehr wenig betragen wuͤrde, iſt leicht abzuſehen. Prieſtley (Diſquiſitions relating to Matter and Spirit. London, 1778. 8. p. 17.) ſagt ganz richtig, man finde nichts Widerſprechendes darinn, daß die ganze ſolide Materie des Sonnenſyſtems in einer Nußſchale Platz haben koͤnne; ſo groß ſey ſelbſt in den dichteſten Koͤrpern der leere Raum in Vergleichung mit ihren ſoliden Beſtandtheilen. In der That wird man dieſer Behauptung, ſo paradox ſie immer ſcheinen mag, keinen Erfahrungsſatz entgegenſtellen koͤnnen, weil ſich unſern Sinnen ſchlechterdings nichts vollkommen Dichtes darſtellt. Aber hieraus mit Prieſtley zu folgern, daß es gar keine undurchdringliche Materie gebe, iſt doch ein unverzeihlicher Sprung im Schließen, bey dem man auf einmal allen ſinnlichen Schein vergeſſen und ganz uͤber das Gebiet der Phyſik hinausgehen muß. Aus dem, was die Beobachtungen lehren,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0955" xml:id="P.4.945" n="945"/><lb/>
gro&#x0364;ßer &#x017F;ind, als die Lichttheilchen im Emanations&#x017F;y&#x017F;tem angenommen werden ko&#x0364;nnen; da es hingegen andere weit dichtere Ko&#x0364;rper, z. B. Glas, Bergkry&#x017F;tall, Diamant, ganz leicht durchdringt.</p>
            <p>Kork und Tannenholz, als die leichte&#x017F;ten Ho&#x0364;lzer, &#x017F;ind in du&#x0364;nne Scheibchen zer&#x017F;chnitten, am ge&#x017F;chickte&#x017F;ten, unter dem Mikro&#x017F;kop die bewundernswu&#x0364;rdige Menge der Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume, die in den Ko&#x0364;rpern vorhanden &#x017F;ind, neb&#x017F;t ihrer Ge&#x017F;talt und Anordnung zu entdecken. <hi rendition="#b">D. Hook</hi> hat &#x017F;chon in &#x017F;einer Mikrographie hieru&#x0364;ber merkwu&#x0364;rdige Beobachtungen ange&#x017F;tellt. In einem Stu&#x0364;cke Kork von (1/18) Zoll La&#x0364;nge la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich 60 Zellen in gerader Linie za&#x0364;hlen, woraus folgt, daß es deren in der La&#x0364;nge eines Zolles 1080, und wenn man &#x017F;ie von cubi&#x017F;cher Ge&#x017F;talt annimmt, in einem Cubikzolle u&#x0364;ber 1259 Millionen geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e leeren Zellen &#x017F;ind nur durch a&#x0364;ußer&#x017F;t feine Scheidewa&#x0364;nde getrennt, welche einzig und allein die &#x017F;olide Sub&#x017F;tanz des Ko&#x0364;rpers ausmachen.</p>
            <p>Es i&#x017F;t unmo&#x0364;glich zu be&#x017F;timmen, wie viel Raum die&#x017F;e geringe Summe der &#x017F;oliden und undurchdringlichen Materie noch einnehmen wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie ohne alle Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume mit vollkommner Dichte zu&#x017F;ammengepreßt wa&#x0364;re. Daß aber die&#x017F;er Raum &#x017F;ehr wenig betragen wu&#x0364;rde, i&#x017F;t leicht abzu&#x017F;ehen. <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> (<hi rendition="#aq">Di&#x017F;qui&#x017F;itions relating to Matter and Spirit. London, 1778. 8. p. 17.</hi>) &#x017F;agt ganz richtig, man finde nichts Wider&#x017F;prechendes darinn, daß die ganze &#x017F;olide Materie des Sonnen&#x017F;y&#x017F;tems in einer Nuß&#x017F;chale Platz haben ko&#x0364;nne; &#x017F;o groß &#x017F;ey &#x017F;elb&#x017F;t in den dichte&#x017F;ten Ko&#x0364;rpern der leere Raum in Vergleichung mit ihren &#x017F;oliden Be&#x017F;tandtheilen. In der That wird man die&#x017F;er Behauptung, &#x017F;o paradox &#x017F;ie immer &#x017F;cheinen mag, keinen Erfahrungs&#x017F;atz entgegen&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen, weil &#x017F;ich un&#x017F;ern Sinnen &#x017F;chlechterdings nichts vollkommen Dichtes dar&#x017F;tellt. Aber hieraus mit <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> zu folgern, daß es gar keine undurchdringliche Materie gebe, i&#x017F;t doch ein unverzeihlicher Sprung im Schließen, bey dem man auf einmal allen &#x017F;innlichen Schein verge&#x017F;&#x017F;en und ganz u&#x0364;ber das Gebiet der Phy&#x017F;ik hinausgehen muß. Aus dem, was die Beobachtungen lehren,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[945/0955] groͤßer ſind, als die Lichttheilchen im Emanationsſyſtem angenommen werden koͤnnen; da es hingegen andere weit dichtere Koͤrper, z. B. Glas, Bergkryſtall, Diamant, ganz leicht durchdringt. Kork und Tannenholz, als die leichteſten Hoͤlzer, ſind in duͤnne Scheibchen zerſchnitten, am geſchickteſten, unter dem Mikroſkop die bewundernswuͤrdige Menge der Zwiſchenraͤume, die in den Koͤrpern vorhanden ſind, nebſt ihrer Geſtalt und Anordnung zu entdecken. D. Hook hat ſchon in ſeiner Mikrographie hieruͤber merkwuͤrdige Beobachtungen angeſtellt. In einem Stuͤcke Kork von (1/18) Zoll Laͤnge laſſen ſich 60 Zellen in gerader Linie zaͤhlen, woraus folgt, daß es deren in der Laͤnge eines Zolles 1080, und wenn man ſie von cubiſcher Geſtalt annimmt, in einem Cubikzolle uͤber 1259 Millionen geben muͤſſe. Dieſe leeren Zellen ſind nur durch aͤußerſt feine Scheidewaͤnde getrennt, welche einzig und allein die ſolide Subſtanz des Koͤrpers ausmachen. Es iſt unmoͤglich zu beſtimmen, wie viel Raum dieſe geringe Summe der ſoliden und undurchdringlichen Materie noch einnehmen wuͤrde, wenn ſie ohne alle Zwiſchenraͤume mit vollkommner Dichte zuſammengepreßt waͤre. Daß aber dieſer Raum ſehr wenig betragen wuͤrde, iſt leicht abzuſehen. Prieſtley (Diſquiſitions relating to Matter and Spirit. London, 1778. 8. p. 17.) ſagt ganz richtig, man finde nichts Widerſprechendes darinn, daß die ganze ſolide Materie des Sonnenſyſtems in einer Nußſchale Platz haben koͤnne; ſo groß ſey ſelbſt in den dichteſten Koͤrpern der leere Raum in Vergleichung mit ihren ſoliden Beſtandtheilen. In der That wird man dieſer Behauptung, ſo paradox ſie immer ſcheinen mag, keinen Erfahrungsſatz entgegenſtellen koͤnnen, weil ſich unſern Sinnen ſchlechterdings nichts vollkommen Dichtes darſtellt. Aber hieraus mit Prieſtley zu folgern, daß es gar keine undurchdringliche Materie gebe, iſt doch ein unverzeihlicher Sprung im Schließen, bey dem man auf einmal allen ſinnlichen Schein vergeſſen und ganz uͤber das Gebiet der Phyſik hinausgehen muß. Aus dem, was die Beobachtungen lehren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/955
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 945. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/955>, abgerufen am 22.11.2024.