Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


kleiner ausfallen, auch ein ziemlicher Unterschied darum statt finden, weil das Gewicht des Fadens oder Seils mit in Betrachtung kömmt, wovon während der Bewegung der niedergehende Theil immer länger und schwerer, der aufsteigende hingegen von Zeit zu Zeit kürzer und leichter wird. Schober (Theorie der Ueberwucht, gegen zuverläßige Experimente gehalten. Leipzig, 1751. 8.) hat, um der zuletzt erwähnten Schwierigkeit auszuweichen, unter der obern Rolle noch eine zweyte von gleicher Größe befestiget, und den Faden, wie ein Seil ohne Ende, um beyde Rollen herumgeführt. Auf solche Art bleibt immer auf beyden Seiten der Rolle gleichviel vom Faden, den man also ganz wiegen und nun annehmen kan, die Helfte seines Gewichts wachse dem Gewichte M, die andere Helfte dem m zu. Bey einem Versuche Schobers (§. 32.) wog die Schnur ohne Ende 8 Loth, auf einer Seite war 66 Loth, auf der andern 64 Loth Gewicht befestiget. Man nimmt an, das Reiben habe 1 Loth betragen, welches noch von der bewegenden Kraft M--m abzuziehen ist. Hieraus findet man die beschleunigende Kraft=(66--64--1/66+64+8)=(1/138) der Schwere. Dem gemäß sollten die Gewichte in einer Secunde durch (15,625/138) rheinl. Fuß gehen, und um 54 pariser Fuß (oder 55,89 rheinl.) zu durchlaufen, nach gehöriger Berechnung 22,2168 Secunden Zeit brauchen. Drey Versuche gaben Schobern für diese Zeit im hier erwähnten Beyspiele 23; 22; 22 Secunden.

Diese Gesetze gelten nicht für den Zug allein, sondern sie sind überhaupt allen Fällen gemein, in welchen sich Bewegungen bestimmten Massen mittheilen, welche sich alsdann zusammen mit einer gemeinschaftlichen Geschwindigkeit bewegen müssen. Wenn es z. B. in einem Körper Bestandtheile von negativer Schwere gäbe, und das Gewicht der positiv schweren Theile=M, die bewegende Kraft, mit welcher die negativ schweren aufwärts strebten,=m genannt würde, so würde das wirkliche Gewicht des ganzen Körpers


kleiner ausfallen, auch ein ziemlicher Unterſchied darum ſtatt finden, weil das Gewicht des Fadens oder Seils mit in Betrachtung koͤmmt, wovon waͤhrend der Bewegung der niedergehende Theil immer laͤnger und ſchwerer, der aufſteigende hingegen von Zeit zu Zeit kuͤrzer und leichter wird. Schober (Theorie der Ueberwucht, gegen zuverlaͤßige Experimente gehalten. Leipzig, 1751. 8.) hat, um der zuletzt erwaͤhnten Schwierigkeit auszuweichen, unter der obern Rolle noch eine zweyte von gleicher Groͤße befeſtiget, und den Faden, wie ein Seil ohne Ende, um beyde Rollen herumgefuͤhrt. Auf ſolche Art bleibt immer auf beyden Seiten der Rolle gleichviel vom Faden, den man alſo ganz wiegen und nun annehmen kan, die Helfte ſeines Gewichts wachſe dem Gewichte M, die andere Helfte dem m zu. Bey einem Verſuche Schobers (§. 32.) wog die Schnur ohne Ende 8 Loth, auf einer Seite war 66 Loth, auf der andern 64 Loth Gewicht befeſtiget. Man nimmt an, das Reiben habe 1 Loth betragen, welches noch von der bewegenden Kraft M—m abzuziehen iſt. Hieraus findet man die beſchleunigende Kraft=(66—64—1/66+64+8)=(1/138) der Schwere. Dem gemaͤß ſollten die Gewichte in einer Secunde durch (15,625/138) rheinl. Fuß gehen, und um 54 pariſer Fuß (oder 55,89 rheinl.) zu durchlaufen, nach gehoͤriger Berechnung 22,2168 Secunden Zeit brauchen. Drey Verſuche gaben Schobern fuͤr dieſe Zeit im hier erwaͤhnten Beyſpiele 23; 22; 22 Secunden.

Dieſe Geſetze gelten nicht fuͤr den Zug allein, ſondern ſie ſind uͤberhaupt allen Faͤllen gemein, in welchen ſich Bewegungen beſtimmten Maſſen mittheilen, welche ſich alsdann zuſammen mit einer gemeinſchaftlichen Geſchwindigkeit bewegen muͤſſen. Wenn es z. B. in einem Koͤrper Beſtandtheile von negativer Schwere gaͤbe, und das Gewicht der poſitiv ſchweren Theile=M, die bewegende Kraft, mit welcher die negativ ſchweren aufwaͤrts ſtrebten,=m genannt wuͤrde, ſo wuͤrde das wirkliche Gewicht des ganzen Koͤrpers

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0900" xml:id="P.4.890" n="890"/><lb/>
kleiner ausfallen, auch ein ziemlicher Unter&#x017F;chied darum &#x017F;tatt finden, weil das Gewicht des Fadens oder Seils mit in Betrachtung ko&#x0364;mmt, wovon wa&#x0364;hrend der Bewegung der niedergehende Theil immer la&#x0364;nger und &#x017F;chwerer, der auf&#x017F;teigende hingegen von Zeit zu Zeit ku&#x0364;rzer und leichter wird. <hi rendition="#b">Schober</hi> (Theorie der Ueberwucht, gegen zuverla&#x0364;ßige Experimente gehalten. Leipzig, 1751. 8.) hat, um der zuletzt erwa&#x0364;hnten Schwierigkeit auszuweichen, unter der obern Rolle noch eine zweyte von gleicher Gro&#x0364;ße befe&#x017F;tiget, und den Faden, wie ein Seil ohne Ende, um beyde Rollen herumgefu&#x0364;hrt. Auf &#x017F;olche Art bleibt immer auf beyden Seiten der Rolle gleichviel vom Faden, den man al&#x017F;o ganz wiegen und nun annehmen kan, die Helfte &#x017F;eines Gewichts wach&#x017F;e dem Gewichte <hi rendition="#aq">M,</hi> die andere Helfte dem <hi rendition="#aq">m</hi> zu. Bey einem Ver&#x017F;uche <hi rendition="#b">Schobers</hi> (§. 32.) wog die Schnur ohne Ende 8 Loth, auf einer Seite war 66 Loth, auf der andern 64 Loth Gewicht befe&#x017F;tiget. Man nimmt an, das Reiben habe 1 Loth betragen, welches noch von der bewegenden Kraft <hi rendition="#aq">M&#x2014;m</hi> abzuziehen i&#x017F;t. Hieraus findet man die be&#x017F;chleunigende Kraft=(66&#x2014;64&#x2014;1/66+64+8)=(1/138) der Schwere. Dem gema&#x0364;ß &#x017F;ollten die Gewichte in einer Secunde durch (15,625/138) rheinl. Fuß gehen, und um 54 pari&#x017F;er Fuß (oder 55,89 rheinl.) zu durchlaufen, nach geho&#x0364;riger Berechnung 22,2168 Secunden Zeit brauchen. Drey Ver&#x017F;uche gaben <hi rendition="#b">Schobern</hi> fu&#x0364;r die&#x017F;e Zeit im hier erwa&#x0364;hnten Bey&#x017F;piele 23; 22; 22 Secunden.</p>
            <p>Die&#x017F;e Ge&#x017F;etze gelten nicht fu&#x0364;r den Zug allein, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ind u&#x0364;berhaupt allen Fa&#x0364;llen gemein, in welchen &#x017F;ich Bewegungen be&#x017F;timmten Ma&#x017F;&#x017F;en mittheilen, welche &#x017F;ich alsdann zu&#x017F;ammen mit einer gemein&#x017F;chaftlichen Ge&#x017F;chwindigkeit bewegen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wenn es z. B. in einem Ko&#x0364;rper Be&#x017F;tandtheile von negativer Schwere ga&#x0364;be, und das Gewicht der po&#x017F;itiv &#x017F;chweren Theile=<hi rendition="#aq">M,</hi> die bewegende Kraft, mit welcher die negativ &#x017F;chweren aufwa&#x0364;rts &#x017F;trebten,=<hi rendition="#aq">m</hi> genannt wu&#x0364;rde, &#x017F;o wu&#x0364;rde das wirkliche Gewicht des ganzen Ko&#x0364;rpers<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[890/0900] kleiner ausfallen, auch ein ziemlicher Unterſchied darum ſtatt finden, weil das Gewicht des Fadens oder Seils mit in Betrachtung koͤmmt, wovon waͤhrend der Bewegung der niedergehende Theil immer laͤnger und ſchwerer, der aufſteigende hingegen von Zeit zu Zeit kuͤrzer und leichter wird. Schober (Theorie der Ueberwucht, gegen zuverlaͤßige Experimente gehalten. Leipzig, 1751. 8.) hat, um der zuletzt erwaͤhnten Schwierigkeit auszuweichen, unter der obern Rolle noch eine zweyte von gleicher Groͤße befeſtiget, und den Faden, wie ein Seil ohne Ende, um beyde Rollen herumgefuͤhrt. Auf ſolche Art bleibt immer auf beyden Seiten der Rolle gleichviel vom Faden, den man alſo ganz wiegen und nun annehmen kan, die Helfte ſeines Gewichts wachſe dem Gewichte M, die andere Helfte dem m zu. Bey einem Verſuche Schobers (§. 32.) wog die Schnur ohne Ende 8 Loth, auf einer Seite war 66 Loth, auf der andern 64 Loth Gewicht befeſtiget. Man nimmt an, das Reiben habe 1 Loth betragen, welches noch von der bewegenden Kraft M—m abzuziehen iſt. Hieraus findet man die beſchleunigende Kraft=(66—64—1/66+64+8)=(1/138) der Schwere. Dem gemaͤß ſollten die Gewichte in einer Secunde durch (15,625/138) rheinl. Fuß gehen, und um 54 pariſer Fuß (oder 55,89 rheinl.) zu durchlaufen, nach gehoͤriger Berechnung 22,2168 Secunden Zeit brauchen. Drey Verſuche gaben Schobern fuͤr dieſe Zeit im hier erwaͤhnten Beyſpiele 23; 22; 22 Secunden. Dieſe Geſetze gelten nicht fuͤr den Zug allein, ſondern ſie ſind uͤberhaupt allen Faͤllen gemein, in welchen ſich Bewegungen beſtimmten Maſſen mittheilen, welche ſich alsdann zuſammen mit einer gemeinſchaftlichen Geſchwindigkeit bewegen muͤſſen. Wenn es z. B. in einem Koͤrper Beſtandtheile von negativer Schwere gaͤbe, und das Gewicht der poſitiv ſchweren Theile=M, die bewegende Kraft, mit welcher die negativ ſchweren aufwaͤrts ſtrebten,=m genannt wuͤrde, ſo wuͤrde das wirkliche Gewicht des ganzen Koͤrpers

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/900
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 890. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/900>, abgerufen am 23.11.2024.