Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


auf dem Buet bey großer Trockenheit der Luft (da das Thermometer 45 1/2 Grad nach Fahrenheit zeigte, und das Hygrometer 66 1/2 Grad von der Sättigung entsernt war) plötzlich von einem 18stündigen Regen mit Sturm, Hagel und Donner überfallen, der in allen benachbarten Gebirgen und Ebenen eben so lang fortdauerte; und nachdem alles vorüber war, zeigte die Luft eben den Grad der Feuchtheit, wie vorher. Eine solche Erscheinung, bey der auch die Ursache nicht in der Erkältung der Luft liegen konnte, zeigt wohl, daß der Regen nicht schlechthin der umgekehrte Berdampfungsproceß seyn kan.

Was de Lüc gegen D. Hutton's Theorie, daß die Feuchtigkeit bey Vermischung zwoer ungleich warmer Luftmassen größer werde, und gegen die baraus abgeleitete Erklärung der Wolken und des Regens erinnert, ist bereits beym Worte Regen (Th. III. S. 659.) angeführt worden. Diese Theorie erklärt nur eine augenblickliche Entstehung von Wolken, welche bald wieder verschwinden und sich in der Luft auflösen müssen, so wie der sichtbare Hauch der Thiere in der Kälte fogleich wieder verschwindet. Uebrigens scheint Herrn de L. dieser Hauch der Thiere noch etwas von dem gewöhnlichen Verdampfen verschiedenes zu seyn, dessen Erklärung vielleicht nicht der Hygrologie allein, sondern zum Theil der Physiologie zugehöre.

Herr de Saussure findet selbst, daß ein pariser Cubikfuß Luft, bey der Wärme von 70 fahrenheitischen Graden, im Zustande der vollkommenen Sättigung, nicht mehr, als 10 Gran Wasser, enthalten könne. Dies ist aber zu Erklärung der Menge von Wasser, welche die Wolken herabgießen, schlechterdings nicht zureichend; daher Hr. de S. darauf rechnen muß, daß sich diese große Wassermenge in Gestalt des Vesicularniederschlags im Luftkreise aufhalte, bey welchem es für die Menge der Bläschen in einem bestimmten Raume keine andere Grenze, als ihre unmittelbare Berührung, gebe. Herr de Lüc zeigt dagegen mit großer Stärke, wie wenig dies zu Erklärung des Regens hinreiche, und wie Herr de S. dieses selbst sühle, und daber zu Unterhaltung des Regenquells ein fortdauerndes


auf dem Buet bey großer Trockenheit der Luft (da das Thermometer 45 1/2 Grad nach Fahrenheit zeigte, und das Hygrometer 66 1/2 Grad von der Saͤttigung entſernt war) ploͤtzlich von einem 18ſtuͤndigen Regen mit Sturm, Hagel und Donner uͤberfallen, der in allen benachbarten Gebirgen und Ebenen eben ſo lang fortdauerte; und nachdem alles voruͤber war, zeigte die Luft eben den Grad der Feuchtheit, wie vorher. Eine ſolche Erſcheinung, bey der auch die Urſache nicht in der Erkaͤltung der Luft liegen konnte, zeigt wohl, daß der Regen nicht ſchlechthin der umgekehrte Berdampfungsproceß ſeyn kan.

Was de Luͤc gegen D. Hutton's Theorie, daß die Feuchtigkeit bey Vermiſchung zwoer ungleich warmer Luftmaſſen groͤßer werde, und gegen die baraus abgeleitete Erklaͤrung der Wolken und des Regens erinnert, iſt bereits beym Worte Regen (Th. III. S. 659.) angefuͤhrt worden. Dieſe Theorie erklaͤrt nur eine augenblickliche Entſtehung von Wolken, welche bald wieder verſchwinden und ſich in der Luft aufloͤſen muͤſſen, ſo wie der ſichtbare Hauch der Thiere in der Kaͤlte fogleich wieder verſchwindet. Uebrigens ſcheint Herrn de L. dieſer Hauch der Thiere noch etwas von dem gewoͤhnlichen Verdampfen verſchiedenes zu ſeyn, deſſen Erklaͤrung vielleicht nicht der Hygrologie allein, ſondern zum Theil der Phyſiologie zugehoͤre.

Herr de Sauſſure findet ſelbſt, daß ein pariſer Cubikfuß Luft, bey der Waͤrme von 70 fahrenheitiſchen Graden, im Zuſtande der vollkommenen Saͤttigung, nicht mehr, als 10 Gran Waſſer, enthalten koͤnne. Dies iſt aber zu Erklaͤrung der Menge von Waſſer, welche die Wolken herabgießen, ſchlechterdings nicht zureichend; daher Hr. de S. darauf rechnen muß, daß ſich dieſe große Waſſermenge in Geſtalt des Veſicularniederſchlags im Luftkreiſe aufhalte, bey welchem es fuͤr die Menge der Blaͤschen in einem beſtimmten Raume keine andere Grenze, als ihre unmittelbare Beruͤhrung, gebe. Herr de Luͤc zeigt dagegen mit großer Staͤrke, wie wenig dies zu Erklaͤrung des Regens hinreiche, und wie Herr de S. dieſes ſelbſt ſuͤhle, und daber zu Unterhaltung des Regenquells ein fortdauerndes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0830" xml:id="P.4.820" n="820"/><lb/>
auf dem <hi rendition="#b">Buet</hi> bey großer Trockenheit der Luft (da das Thermometer 45 1/2 Grad nach Fahrenheit zeigte, und das Hygrometer 66 1/2 Grad von der Sa&#x0364;ttigung ent&#x017F;ernt war) plo&#x0364;tzlich von einem 18&#x017F;tu&#x0364;ndigen Regen mit Sturm, Hagel und Donner u&#x0364;berfallen, der in allen benachbarten Gebirgen und Ebenen eben &#x017F;o lang fortdauerte; und nachdem alles voru&#x0364;ber war, zeigte die Luft eben den Grad der Feuchtheit, wie vorher. Eine &#x017F;olche Er&#x017F;cheinung, bey der auch die Ur&#x017F;ache nicht in der Erka&#x0364;ltung der Luft liegen konnte, zeigt wohl, daß der Regen nicht &#x017F;chlechthin der umgekehrte Berdampfungsproceß &#x017F;eyn kan.</p>
            <p>Was <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c gegen D. Hutton's</hi> Theorie, daß die Feuchtigkeit bey Vermi&#x017F;chung zwoer ungleich warmer Luftma&#x017F;&#x017F;en gro&#x0364;ßer werde, und gegen die baraus abgeleitete Erkla&#x0364;rung der Wolken und des Regens erinnert, i&#x017F;t bereits beym Worte <hi rendition="#b">Regen</hi> (Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 659.) angefu&#x0364;hrt worden. Die&#x017F;e Theorie erkla&#x0364;rt nur eine augenblickliche Ent&#x017F;tehung von Wolken, welche bald wieder ver&#x017F;chwinden und &#x017F;ich in der Luft auflo&#x0364;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wie der &#x017F;ichtbare Hauch der Thiere in der Ka&#x0364;lte fogleich wieder ver&#x017F;chwindet. Uebrigens &#x017F;cheint Herrn de L. die&#x017F;er Hauch der Thiere noch etwas von dem gewo&#x0364;hnlichen Verdampfen ver&#x017F;chiedenes zu &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en Erkla&#x0364;rung vielleicht nicht der Hygrologie allein, &#x017F;ondern zum Theil der Phy&#x017F;iologie zugeho&#x0364;re.</p>
            <p>Herr <hi rendition="#b">de Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> findet &#x017F;elb&#x017F;t, daß ein pari&#x017F;er Cubikfuß Luft, bey der Wa&#x0364;rme von 70 fahrenheiti&#x017F;chen Graden, im Zu&#x017F;tande der vollkommenen Sa&#x0364;ttigung, nicht mehr, als 10 Gran Wa&#x017F;&#x017F;er, enthalten ko&#x0364;nne. Dies i&#x017F;t aber zu Erkla&#x0364;rung der Menge von Wa&#x017F;&#x017F;er, welche die Wolken herabgießen, &#x017F;chlechterdings nicht zureichend; daher Hr. de S. darauf rechnen muß, daß &#x017F;ich die&#x017F;e große Wa&#x017F;&#x017F;ermenge in Ge&#x017F;talt des Ve&#x017F;icularnieder&#x017F;chlags im Luftkrei&#x017F;e aufhalte, bey welchem es fu&#x0364;r die Menge der Bla&#x0364;schen in einem be&#x017F;timmten Raume keine andere Grenze, als ihre unmittelbare Beru&#x0364;hrung, gebe. Herr <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c</hi> zeigt dagegen mit großer Sta&#x0364;rke, wie wenig dies zu Erkla&#x0364;rung des Regens hinreiche, und wie Herr de S. die&#x017F;es &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;u&#x0364;hle, und daber zu Unterhaltung des Regenquells ein fortdauerndes<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[820/0830] auf dem Buet bey großer Trockenheit der Luft (da das Thermometer 45 1/2 Grad nach Fahrenheit zeigte, und das Hygrometer 66 1/2 Grad von der Saͤttigung entſernt war) ploͤtzlich von einem 18ſtuͤndigen Regen mit Sturm, Hagel und Donner uͤberfallen, der in allen benachbarten Gebirgen und Ebenen eben ſo lang fortdauerte; und nachdem alles voruͤber war, zeigte die Luft eben den Grad der Feuchtheit, wie vorher. Eine ſolche Erſcheinung, bey der auch die Urſache nicht in der Erkaͤltung der Luft liegen konnte, zeigt wohl, daß der Regen nicht ſchlechthin der umgekehrte Berdampfungsproceß ſeyn kan. Was de Luͤc gegen D. Hutton's Theorie, daß die Feuchtigkeit bey Vermiſchung zwoer ungleich warmer Luftmaſſen groͤßer werde, und gegen die baraus abgeleitete Erklaͤrung der Wolken und des Regens erinnert, iſt bereits beym Worte Regen (Th. III. S. 659.) angefuͤhrt worden. Dieſe Theorie erklaͤrt nur eine augenblickliche Entſtehung von Wolken, welche bald wieder verſchwinden und ſich in der Luft aufloͤſen muͤſſen, ſo wie der ſichtbare Hauch der Thiere in der Kaͤlte fogleich wieder verſchwindet. Uebrigens ſcheint Herrn de L. dieſer Hauch der Thiere noch etwas von dem gewoͤhnlichen Verdampfen verſchiedenes zu ſeyn, deſſen Erklaͤrung vielleicht nicht der Hygrologie allein, ſondern zum Theil der Phyſiologie zugehoͤre. Herr de Sauſſure findet ſelbſt, daß ein pariſer Cubikfuß Luft, bey der Waͤrme von 70 fahrenheitiſchen Graden, im Zuſtande der vollkommenen Saͤttigung, nicht mehr, als 10 Gran Waſſer, enthalten koͤnne. Dies iſt aber zu Erklaͤrung der Menge von Waſſer, welche die Wolken herabgießen, ſchlechterdings nicht zureichend; daher Hr. de S. darauf rechnen muß, daß ſich dieſe große Waſſermenge in Geſtalt des Veſicularniederſchlags im Luftkreiſe aufhalte, bey welchem es fuͤr die Menge der Blaͤschen in einem beſtimmten Raume keine andere Grenze, als ihre unmittelbare Beruͤhrung, gebe. Herr de Luͤc zeigt dagegen mit großer Staͤrke, wie wenig dies zu Erklaͤrung des Regens hinreiche, und wie Herr de S. dieſes ſelbſt ſuͤhle, und daber zu Unterhaltung des Regenquells ein fortdauerndes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/830
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/830>, abgerufen am 23.11.2024.