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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Die Namen zeigen offenbar, daß diese Eintheilung von deutschen oder holländischen Schiffern herrührt. Sie werden aber jetzt von allen Europäern gebraucht. Die Namen der Griechen und Römer kommen mit unsern Weltgegenden nicht genau überein, weil jene den Horizont, in 12 oder 24 Theile theilten (s. Riccioli Almag. nov. II. 17.). Lateinische Namen für unsere Winde schlägt Varenius (Geogr. gener. L. I. c. 20. prop. 4-8.) vor.

Man findet die Weltgegenden, wenn die Mittagslinie des Orts bestimmt ist, vermittelst der Windrose, von der noch ein eigner Artikel dieses Wörterbuchs handelt.

Man hat gefragt, ob wohl die Lage der Weltgegenden an einerley Orte der Erde stets unverändert bleibe, oder was eben so viel ist, ob die Mittagslinie eines jeden Orts immer eben dieselbe fey. Picard (Voyage d'Uranibourg. a Paris 1680. fol.) fand die Positionswinkel verschiedener Orte mit der Mittagslinie durch Uranienburg sämtlich um 18 Minuten anders, als Tycho dieselben fast hundert Jahr vorher angegeben hatte. Picard selbst vermuthet, Tycho habe diese Winkel nicht mit der größten Schärfe bestimmt, weil seine Absicht blos auf eine Situationskarte der Insel Huen gegangen sey. Dennoch war in diesen Bestimmungen der Fehler von 18 Minuten in der Lage der Mittagslinie offenbar, und schien zu beträchtlich, um ihn einem Astronomen von Tychos Sorgfalt und Geschicklichkeit zuzutrauen. Dies brachte nun einige, besonders Wallis (Philos. Transact. num. 255. p. 289.) auf die Vermuthung, daß die Mittagslinie, und mit ihr alle Weltgegenden, an jedem Orte ihre Lage von Zeit zu Zeit änderten.

Es hat sich aber diese Muthmaßung nicht bestätiget. Cassini hatte zwar an dem von Egnaz Dante errichteten Gnomon in der Petroniuskirche zu Bologna bey der ersten Prüfung 1655 die Mittagslinie fehlerhaft gefunden, und daher eine neue gezogen. Diese aber fand er 1695 noch immer in der vorigen Lage, und sie hat sich noch in der Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts durch Manfredi's zahlreiche Beobachtungen (Comm. Bonon. Tom. II. u. De


Die Namen zeigen offenbar, daß dieſe Eintheilung von deutſchen oder hollaͤndiſchen Schiffern herruͤhrt. Sie werden aber jetzt von allen Europaͤern gebraucht. Die Namen der Griechen und Roͤmer kommen mit unſern Weltgegenden nicht genau uͤberein, weil jene den Horizont, in 12 oder 24 Theile theilten (ſ. Riccioli Almag. nov. II. 17.). Lateiniſche Namen fuͤr unſere Winde ſchlaͤgt Varenius (Geogr. gener. L. I. c. 20. prop. 4-8.) vor.

Man findet die Weltgegenden, wenn die Mittagslinie des Orts beſtimmt iſt, vermittelſt der Windroſe, von der noch ein eigner Artikel dieſes Woͤrterbuchs handelt.

Man hat gefragt, ob wohl die Lage der Weltgegenden an einerley Orte der Erde ſtets unveraͤndert bleibe, oder was eben ſo viel iſt, ob die Mittagslinie eines jeden Orts immer eben dieſelbe fey. Picard (Voyage d'Uranibourg. à Paris 1680. fol.) fand die Poſitionswinkel verſchiedener Orte mit der Mittagslinie durch Uranienburg ſaͤmtlich um 18 Minuten anders, als Tycho dieſelben faſt hundert Jahr vorher angegeben hatte. Picard ſelbſt vermuthet, Tycho habe dieſe Winkel nicht mit der groͤßten Schaͤrfe beſtimmt, weil ſeine Abſicht blos auf eine Situationskarte der Inſel Huen gegangen ſey. Dennoch war in dieſen Beſtimmungen der Fehler von 18 Minuten in der Lage der Mittagslinie offenbar, und ſchien zu betraͤchtlich, um ihn einem Aſtronomen von Tychos Sorgfalt und Geſchicklichkeit zuzutrauen. Dies brachte nun einige, beſonders Wallis (Philoſ. Transact. num. 255. p. 289.) auf die Vermuthung, daß die Mittagslinie, und mit ihr alle Weltgegenden, an jedem Orte ihre Lage von Zeit zu Zeit aͤnderten.

Es hat ſich aber dieſe Muthmaßung nicht beſtaͤtiget. Caſſini hatte zwar an dem von Egnaz Dante errichteten Gnomon in der Petroniuskirche zu Bologna bey der erſten Pruͤfung 1655 die Mittagslinie fehlerhaft gefunden, und daher eine neue gezogen. Dieſe aber fand er 1695 noch immer in der vorigen Lage, und ſie hat ſich noch in der Mitte des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts durch Manfredi's zahlreiche Beobachtungen (Comm. Bonon. Tom. II. u. De

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[699/0709] Die Namen zeigen offenbar, daß dieſe Eintheilung von deutſchen oder hollaͤndiſchen Schiffern herruͤhrt. Sie werden aber jetzt von allen Europaͤern gebraucht. Die Namen der Griechen und Roͤmer kommen mit unſern Weltgegenden nicht genau uͤberein, weil jene den Horizont, in 12 oder 24 Theile theilten (ſ. Riccioli Almag. nov. II. 17.). Lateiniſche Namen fuͤr unſere Winde ſchlaͤgt Varenius (Geogr. gener. L. I. c. 20. prop. 4-8.) vor. Man findet die Weltgegenden, wenn die Mittagslinie des Orts beſtimmt iſt, vermittelſt der Windroſe, von der noch ein eigner Artikel dieſes Woͤrterbuchs handelt. Man hat gefragt, ob wohl die Lage der Weltgegenden an einerley Orte der Erde ſtets unveraͤndert bleibe, oder was eben ſo viel iſt, ob die Mittagslinie eines jeden Orts immer eben dieſelbe fey. Picard (Voyage d'Uranibourg. à Paris 1680. fol.) fand die Poſitionswinkel verſchiedener Orte mit der Mittagslinie durch Uranienburg ſaͤmtlich um 18 Minuten anders, als Tycho dieſelben faſt hundert Jahr vorher angegeben hatte. Picard ſelbſt vermuthet, Tycho habe dieſe Winkel nicht mit der groͤßten Schaͤrfe beſtimmt, weil ſeine Abſicht blos auf eine Situationskarte der Inſel Huen gegangen ſey. Dennoch war in dieſen Beſtimmungen der Fehler von 18 Minuten in der Lage der Mittagslinie offenbar, und ſchien zu betraͤchtlich, um ihn einem Aſtronomen von Tychos Sorgfalt und Geſchicklichkeit zuzutrauen. Dies brachte nun einige, beſonders Wallis (Philoſ. Transact. num. 255. p. 289.) auf die Vermuthung, daß die Mittagslinie, und mit ihr alle Weltgegenden, an jedem Orte ihre Lage von Zeit zu Zeit aͤnderten. Es hat ſich aber dieſe Muthmaßung nicht beſtaͤtiget. Caſſini hatte zwar an dem von Egnaz Dante errichteten Gnomon in der Petroniuskirche zu Bologna bey der erſten Pruͤfung 1655 die Mittagslinie fehlerhaft gefunden, und daher eine neue gezogen. Dieſe aber fand er 1695 noch immer in der vorigen Lage, und ſie hat ſich noch in der Mitte des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts durch Manfredi's zahlreiche Beobachtungen (Comm. Bonon. Tom. II. u. De

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/709>, abgerufen am 28.07.2024.