Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Tobias Meyer (Exp. circa visus aciem, in Comment. Gotting. To. IV. p. 97.) schließt aus Versuchen mit einem schwarzen Flecken auf sehr weißem Papiere, der kleinste Sehewinkel sey im Durchschnitte = 34 Secunden. Schwarze Striche mit Zwischenraumen von größerer Breite, als sie selbst hatten, waren auf größere Weiten kenntlich, als wenn die Zwischenräume nur eben so breit, als die Striche selbst, waren. Bey schwachen Erleuchtungen schien sich der kleinste Sehewinkel, wie die Cubikwurzel aus der Entfernung des Lichts von der Sache, zu verhalten. Dennoch verschwinden uns die kleinen Theile der Gegenstände, z. B. die Blätter der Bäume rc., wenn sie so weit entfernt sind, daß sie unter einem kleinern Winkel, als 30-40 Sec. ins Auge fallen. Man sieht alsdann nur den Umriß des Gegenstandes selbst, ohne seine Theile zu unterscheiden. So erscheinen entfernte Thürme rund, weil man ihre Kanten und Ecken nicht gewahr wird. Wälder, Kornfelder u. dergl. zeigen sich in der Ferne wie zusammenhängende Massen, weil man die Zwischenräume der einzelnen Bäume und Aehren nicht mehr unterscheidet. Parallele Neihen von Bäumen scheinen zusammenzulaufen, weil ihre Breite in der Ferne unter immer kleinern Sehewinkeln ins Auge fällt. Wenn eine Allee über 5000 mal länger als breit ist, so muß sie sich einem Zuschauer, der im Eingange steht, am Ende ganz zuzuschließen scheinen, indem dem Abstande der letzten Bäume nur 40" Sehewinkel zukömmt. Wir sehen eigentlich nur das deutlich, was in der Axe des Auges, oder doch nahe an derselben liegt. Indeß lehrt doch die Erfahrung, daß wir alle die Gegenstände
Tobias Meyer (Exp. circa viſus aciem, in Comment. Gotting. To. IV. p. 97.) ſchließt aus Verſuchen mit einem ſchwarzen Flecken auf ſehr weißem Papiere, der kleinſte Sehewinkel ſey im Durchſchnitte = 34 Secunden. Schwarze Striche mit Zwiſchenraumen von groͤßerer Breite, als ſie ſelbſt hatten, waren auf groͤßere Weiten kenntlich, als wenn die Zwiſchenraͤume nur eben ſo breit, als die Striche ſelbſt, waren. Bey ſchwachen Erleuchtungen ſchien ſich der kleinſte Sehewinkel, wie die Cubikwurzel aus der Entfernung des Lichts von der Sache, zu verhalten. Dennoch verſchwinden uns die kleinen Theile der Gegenſtaͤnde, z. B. die Blaͤtter der Baͤume rc., wenn ſie ſo weit entfernt ſind, daß ſie unter einem kleinern Winkel, als 30-40 Sec. ins Auge fallen. Man ſieht alsdann nur den Umriß des Gegenſtandes ſelbſt, ohne ſeine Theile zu unterſcheiden. So erſcheinen entfernte Thuͤrme rund, weil man ihre Kanten und Ecken nicht gewahr wird. Waͤlder, Kornfelder u. dergl. zeigen ſich in der Ferne wie zuſammenhaͤngende Maſſen, weil man die Zwiſchenraͤume der einzelnen Baͤume und Aehren nicht mehr unterſcheidet. Parallele Neihen von Baͤumen ſcheinen zuſammenzulaufen, weil ihre Breite in der Ferne unter immer kleinern Sehewinkeln ins Auge faͤllt. Wenn eine Allee uͤber 5000 mal laͤnger als breit iſt, ſo muß ſie ſich einem Zuſchauer, der im Eingange ſteht, am Ende ganz zuzuſchließen ſcheinen, indem dem Abſtande der letzten Baͤume nur 40″ Sehewinkel zukoͤmmt. Wir ſehen eigentlich nur das deutlich, was in der Axe des Auges, oder doch nahe an derſelben liegt. Indeß lehrt doch die Erfahrung, daß wir alle die Gegenſtaͤnde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" xml:id="P.4.33" n="33"/><lb/> Zwiſchenraͤume. Innerhalb der Grenzen des deutlichen Sehens iſt der kleinſte Sehewinkel fuͤr einen Zwiſchenraum etwa um ein Viertel groͤßer, als der fuͤr ein einzelnes Object, z. B. 75 Sec., wenn der letztere 1 Min. iſt. Auſſerhalb dieſer Grenzen aber wird der Unterſchied weit betraͤchtlicher, weil die Zerſtreuungskreiſe die Bilder der Gegenſtaͤnde vergroͤßern, die der Zwiſchenraͤume hingegen verkleinern.</p> <p><hi rendition="#b">Tobias Meyer</hi> (<hi rendition="#aq">Exp. circa viſus aciem, in Comment. Gotting. To. IV. p. 97.</hi>) ſchließt aus Verſuchen mit einem ſchwarzen Flecken auf ſehr weißem Papiere, der kleinſte Sehewinkel ſey im Durchſchnitte = 34 Secunden. Schwarze Striche mit Zwiſchenraumen von groͤßerer Breite, als ſie ſelbſt hatten, waren auf groͤßere Weiten kenntlich, als wenn die Zwiſchenraͤume nur eben ſo breit, als die Striche ſelbſt, waren. Bey ſchwachen Erleuchtungen ſchien ſich der kleinſte Sehewinkel, wie die Cubikwurzel aus der Entfernung des Lichts von der Sache, zu verhalten.</p> <p>Dennoch verſchwinden uns die kleinen Theile der Gegenſtaͤnde, z. B. die Blaͤtter der Baͤume rc., wenn ſie ſo weit entfernt ſind, daß ſie unter einem kleinern Winkel, als 30-40 Sec. ins Auge fallen. Man ſieht alsdann nur den Umriß des Gegenſtandes ſelbſt, ohne ſeine Theile zu unterſcheiden. So erſcheinen entfernte Thuͤrme rund, weil man ihre Kanten und Ecken nicht gewahr wird. Waͤlder, Kornfelder u. dergl. zeigen ſich in der Ferne wie zuſammenhaͤngende Maſſen, weil man die Zwiſchenraͤume der einzelnen Baͤume und Aehren nicht mehr unterſcheidet.</p> <p>Parallele Neihen von Baͤumen ſcheinen zuſammenzulaufen, weil ihre Breite in der Ferne unter immer kleinern Sehewinkeln ins Auge faͤllt. Wenn eine Allee uͤber 5000 mal laͤnger als breit iſt, ſo muß ſie ſich einem Zuſchauer, der im Eingange ſteht, am Ende ganz zuzuſchließen ſcheinen, indem dem Abſtande der letzten Baͤume nur 40″ Sehewinkel zukoͤmmt.</p> <p>Wir ſehen eigentlich nur das deutlich, was in der Axe des Auges, oder doch nahe an derſelben liegt. Indeß lehrt doch die Erfahrung, daß wir alle die Gegenſtaͤnde<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0043]
Zwiſchenraͤume. Innerhalb der Grenzen des deutlichen Sehens iſt der kleinſte Sehewinkel fuͤr einen Zwiſchenraum etwa um ein Viertel groͤßer, als der fuͤr ein einzelnes Object, z. B. 75 Sec., wenn der letztere 1 Min. iſt. Auſſerhalb dieſer Grenzen aber wird der Unterſchied weit betraͤchtlicher, weil die Zerſtreuungskreiſe die Bilder der Gegenſtaͤnde vergroͤßern, die der Zwiſchenraͤume hingegen verkleinern.
Tobias Meyer (Exp. circa viſus aciem, in Comment. Gotting. To. IV. p. 97.) ſchließt aus Verſuchen mit einem ſchwarzen Flecken auf ſehr weißem Papiere, der kleinſte Sehewinkel ſey im Durchſchnitte = 34 Secunden. Schwarze Striche mit Zwiſchenraumen von groͤßerer Breite, als ſie ſelbſt hatten, waren auf groͤßere Weiten kenntlich, als wenn die Zwiſchenraͤume nur eben ſo breit, als die Striche ſelbſt, waren. Bey ſchwachen Erleuchtungen ſchien ſich der kleinſte Sehewinkel, wie die Cubikwurzel aus der Entfernung des Lichts von der Sache, zu verhalten.
Dennoch verſchwinden uns die kleinen Theile der Gegenſtaͤnde, z. B. die Blaͤtter der Baͤume rc., wenn ſie ſo weit entfernt ſind, daß ſie unter einem kleinern Winkel, als 30-40 Sec. ins Auge fallen. Man ſieht alsdann nur den Umriß des Gegenſtandes ſelbſt, ohne ſeine Theile zu unterſcheiden. So erſcheinen entfernte Thuͤrme rund, weil man ihre Kanten und Ecken nicht gewahr wird. Waͤlder, Kornfelder u. dergl. zeigen ſich in der Ferne wie zuſammenhaͤngende Maſſen, weil man die Zwiſchenraͤume der einzelnen Baͤume und Aehren nicht mehr unterſcheidet.
Parallele Neihen von Baͤumen ſcheinen zuſammenzulaufen, weil ihre Breite in der Ferne unter immer kleinern Sehewinkeln ins Auge faͤllt. Wenn eine Allee uͤber 5000 mal laͤnger als breit iſt, ſo muß ſie ſich einem Zuſchauer, der im Eingange ſteht, am Ende ganz zuzuſchließen ſcheinen, indem dem Abſtande der letzten Baͤume nur 40″ Sehewinkel zukoͤmmt.
Wir ſehen eigentlich nur das deutlich, was in der Axe des Auges, oder doch nahe an derſelben liegt. Indeß lehrt doch die Erfahrung, daß wir alle die Gegenſtaͤnde
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