crest aber nimmt die Sache so, daß seine Temperatur der Erdkugel der Standpunkt ist, von dem aus die Materien der Wärme und der Kälte gleiche oder verhältnißmäßige Ausdehnungen oder Verdichtungen bewirken sollen. Diese Gleichheit glaubt er nun beym Weingeiste zu finden, beym Quecksilber aber nicht, wenn er die äußersten Temperaturen auf der Erde, die Wärme in Senegal und die Kälte in Kamschatka, mit dem gemäßigten Mittel vergleicht. Es kan seyn, daß sich bey der angeführten Kälte das Quecksilber schon unregelmäßig verdichtet: aber die angenommenen Vergleichungspunkte beruhen überhaupt nur auf einer leeren Hypothese. Herrn de Lüc Versuche zeigen im Gegentheil, daß zwischen Süd- und Eispunkte und bey mindern Graden der Kälte die Verdichtungen des Quecksilbers in Vergleichung mit der Wärme selbst keineswegs zunehmend, sondern nur weniger abnehmend sind als die des Weingeists.
Gegen die Versuche und Sätze des Herrn de Lüc hat der verstorbene Strohmeyer (Anleit übereinstimm Thermomet. zu verf. Gött. 1775. 8.) einige Widersprüche erregt. Die Behauptung dieses Schriftstellers (S. 12.), daß der Weingeist in tiefern Graden der Kälte vorzuziehen sey, verdient auch unstreitig Beyfall. Bey einer äußern Temperatur von--16 nach Fahr. blieb der Weingeist in einer Mischung von Schnee und rauchendem Salpetergeist noch vollkommen flüßig, da das Quecksilber schon wie ein weiches Amalgama gerann, und sich im Anfange des Gerinnens sehr schleunig zusammenzog, nachher aber, wie ein Faden, hängen blieb.
Im übrigen aber hat dieser fleißige und erfahrne Praktiker den Sinn des Herrn de Luc nichtrichtig gesaßt, wenn er (S. 11.) sagt, "den Hauptgrund, den de Lüc einwende, "als wenn der Weingeist einen ungleichen Gang ha"be, werde er durch Versuche widerlegen." Eines solchen Grundes bedient sich de Lüc nirgends; er müßte sonst das Quecksilber selbst verwerfen, von dem er ja nicht läugnet, daß sein Gang auch ungleich sey. Nur das ist seine Meinung, daß das Quecksilber dem gleichen Gange der Wärme selbst näher, als der Weingeist, komme. Dies widerlegen nun die Versuche nicht, die Strohmeyer gar nicht einmal anführt, sondern nur überhaupt von ihnen sagt, sie stimmten ganz
creſt aber nimmt die Sache ſo, daß ſeine Temperatur der Erdkugel der Standpunkt iſt, von dem aus die Materien der Waͤrme und der Kaͤlte gleiche oder verhaͤltnißmaͤßige Ausdehnungen oder Verdichtungen bewirken ſollen. Dieſe Gleichheit glaubt er nun beym Weingeiſte zu finden, beym Queckſilber aber nicht, wenn er die aͤußerſten Temperaturen auf der Erde, die Waͤrme in Senegal und die Kaͤlte in Kamſchatka, mit dem gemaͤßigten Mittel vergleicht. Es kan ſeyn, daß ſich bey der angefuͤhrten Kaͤlte das Queckſilber ſchon unregelmaͤßig verdichtet: aber die angenommenen Vergleichungspunkte beruhen uͤberhaupt nur auf einer leeren Hypotheſe. Herrn de Luͤc Verſuche zeigen im Gegentheil, daß zwiſchen Suͤd- und Eispunkte und bey mindern Graden der Kaͤlte die Verdichtungen des Queckſilbers in Vergleichung mit der Waͤrme ſelbſt keineswegs zunehmend, ſondern nur weniger abnehmend ſind als die des Weingeiſts.
Gegen die Verſuche und Saͤtze des Herrn de Luͤc hat der verſtorbene Strohmeyer (Anleit uͤbereinſtimm Thermomet. zu verf. Goͤtt. 1775. 8.) einige Widerſpruͤche erregt. Die Behauptung dieſes Schriftſtellers (S. 12.), daß der Weingeiſt in tiefern Graden der Kaͤlte vorzuziehen ſey, verdient auch unſtreitig Beyfall. Bey einer aͤußern Temperatur von—16 nach Fahr. blieb der Weingeiſt in einer Miſchung von Schnee und rauchendem Salpetergeiſt noch vollkommen fluͤßig, da das Queckſilber ſchon wie ein weiches Amalgama gerann, und ſich im Anfange des Gerinnens ſehr ſchleunig zuſammenzog, nachher aber, wie ein Faden, haͤngen blieb.
Im uͤbrigen aber hat dieſer fleißige und erfahrne Praktiker den Sinn des Herrn de Luc nichtrichtig geſaßt, wenn er (S. 11.) ſagt, ”den Hauptgrund, den de Luͤc einwende, ”als wenn der Weingeiſt einen ungleichen Gang ha”be, werde er durch Verſuche widerlegen.“ Eines ſolchen Grundes bedient ſich de Luͤc nirgends; er muͤßte ſonſt das Queckſilber ſelbſt verwerfen, von dem er ja nicht laͤugnet, daß ſein Gang auch ungleich ſey. Nur das iſt ſeine Meinung, daß das Queckſilber dem gleichen Gange der Waͤrme ſelbſt naͤher, als der Weingeiſt, komme. Dies widerlegen nun die Verſuche nicht, die Strohmeyer gar nicht einmal anfuͤhrt, ſondern nur uͤberhaupt von ihnen ſagt, ſie ſtimmten ganz
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creſt aber nimmt die Sache ſo, daß ſeine Temperatur der Erdkugel der Standpunkt iſt, von dem aus die Materien der Waͤrme und der Kaͤlte gleiche oder verhaͤltnißmaͤßige Ausdehnungen oder Verdichtungen bewirken ſollen. Dieſe Gleichheit glaubt er nun beym Weingeiſte zu finden, beym Queckſilber aber nicht, wenn er die aͤußerſten Temperaturen auf der Erde, die Waͤrme in Senegal und die Kaͤlte in Kamſchatka, mit dem gemaͤßigten Mittel vergleicht. Es kan ſeyn, daß ſich bey der angefuͤhrten Kaͤlte das Queckſilber ſchon unregelmaͤßig verdichtet: aber die angenommenen Vergleichungspunkte beruhen uͤberhaupt nur auf einer leeren Hypotheſe. Herrn de Luͤc Verſuche zeigen im Gegentheil, daß zwiſchen Suͤd- und Eispunkte und bey mindern Graden der Kaͤlte die Verdichtungen des Queckſilbers in Vergleichung mit der Waͤrme ſelbſt keineswegs zunehmend, ſondern nur weniger abnehmend ſind als die des Weingeiſts.
Gegen die Verſuche und Saͤtze des Herrn de Luͤc hat der verſtorbene Strohmeyer (Anleit uͤbereinſtimm Thermomet. zu verf. Goͤtt. 1775. 8.) einige Widerſpruͤche erregt. Die Behauptung dieſes Schriftſtellers (S. 12.), daß der Weingeiſt in tiefern Graden der Kaͤlte vorzuziehen ſey, verdient auch unſtreitig Beyfall. Bey einer aͤußern Temperatur von—16 nach Fahr. blieb der Weingeiſt in einer Miſchung von Schnee und rauchendem Salpetergeiſt noch vollkommen fluͤßig, da das Queckſilber ſchon wie ein weiches Amalgama gerann, und ſich im Anfange des Gerinnens ſehr ſchleunig zuſammenzog, nachher aber, wie ein Faden, haͤngen blieb.
Im uͤbrigen aber hat dieſer fleißige und erfahrne Praktiker den Sinn des Herrn de Luc nichtrichtig geſaßt, wenn er (S. 11.) ſagt, ”den Hauptgrund, den de Luͤc einwende, ”als wenn der Weingeiſt einen ungleichen Gang ha”be, werde er durch Verſuche widerlegen.“ Eines ſolchen Grundes bedient ſich de Luͤc nirgends; er muͤßte ſonſt das Queckſilber ſelbſt verwerfen, von dem er ja nicht laͤugnet, daß ſein Gang auch ungleich ſey. Nur das iſt ſeine Meinung, daß das Queckſilber dem gleichen Gange der Waͤrme ſelbſt naͤher, als der Weingeiſt, komme. Dies widerlegen nun die Verſuche nicht, die Strohmeyer gar nicht einmal anfuͤhrt, ſondern nur uͤberhaupt von ihnen ſagt, ſie ſtimmten ganz
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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