Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


welche sich das Wasser ausleere. Nach de l'Isle aber (Mem. de Paris 1720. p. 495.) hat Peter der Große bey seinem Aufenthalte in Paris das Daseyn solcher Strudel gänzlich geläugnet. Nach Bergmanns Ueberschlage ist die Ausdünstung unzureichend, das Phänomen zu erklären; denn wenn man sie jährlich auf 30 Zoll und die Oberfläche des Sees 3650 schwed. Quadratmeilen (10 1/2 auf den Grad, jede zu 36000 Fuß) setzt, so findet sich die jährliche Ausdünstung wenig über 14 Billionen Cubikfuß, da der Zufluß nach der obigen Berechnung über 23 1/2 Billionen Cubikfuß im Jahre betragen müßte. Inzwischen verdünstet doch nach Gmelins Meinung (Reise durch Rußland, dritter Theil, St. Petersb. 1774.) eben so viel Wasser, als der See wieder bekömmt, ohne daß er etwas in das schwarze Meer oder den persischen Meerbusen ausleeret.

Das Wasser des kaspischen Sees ist nach den Ufern zu süß. Gmelin fand darinn viel Glaubersalz, und eine eigne von der des Meerwassers unterschiedene Bitterkeit, die er mit der von Galle vergleicht, und der Naphtha zuschreibt. Nach Pallas sind ehemals die Ufer des hyrkanischen Meeres viel weiter ausgebreitet gewesen, und es hat die ganze Crimmische, Kumanische, Wolgaische und Jaikische Steppe mit den Ebnen der großen Tatarey ein allgemeines Meer ausgemacht, welches an dem jetzigen kaspischen und schwarzen Meere zween große und tiefe Busen hatte. Durch einen Durchbruch der Gebirge des thracischen Bosphorus entlud sich das schwarze Meer durch den Propontischen Busen; dadurch ward ein großer Theil des alten Meeres zur Salzsteppe, und der kaspische See zu einem einzelnen Landsee.

Der See Aral fasset ungefähr 650 Quadratmeilen, wird aber jährlich größer, seitdem man den Gihon in ihn geleitet hat. Er wird vom kaspischen See durch ein 50 Meilen breites Sandfeld getrennt; daher sich vermuthen läßt, daß beyde vordem zusammengehangen haben, und das Sandfeld blos eine Aufhäufung von Materien ist, welche die Zuflüsse des Arals mit sich geführt haben.

Das todte Meer (Mare Asphalticum) in Palästina ist nur 17 Meilen lang, und 4 Meilen breit, und nimmt


welche ſich das Waſſer ausleere. Nach de l'Isle aber (Mém. de Paris 1720. p. 495.) hat Peter der Große bey ſeinem Aufenthalte in Paris das Daſeyn ſolcher Strudel gaͤnzlich gelaͤugnet. Nach Bergmanns Ueberſchlage iſt die Ausduͤnſtung unzureichend, das Phaͤnomen zu erklaͤren; denn wenn man ſie jaͤhrlich auf 30 Zoll und die Oberflaͤche des Sees 3650 ſchwed. Quadratmeilen (10 1/2 auf den Grad, jede zu 36000 Fuß) ſetzt, ſo findet ſich die jaͤhrliche Ausduͤnſtung wenig uͤber 14 Billionen Cubikfuß, da der Zufluß nach der obigen Berechnung uͤber 23 1/2 Billionen Cubikfuß im Jahre betragen muͤßte. Inzwiſchen verduͤnſtet doch nach Gmelins Meinung (Reiſe durch Rußland, dritter Theil, St. Petersb. 1774.) eben ſo viel Waſſer, als der See wieder bekoͤmmt, ohne daß er etwas in das ſchwarze Meer oder den perſiſchen Meerbuſen ausleeret.

Das Waſſer des kaſpiſchen Sees iſt nach den Ufern zu ſuͤß. Gmelin fand darinn viel Glauberſalz, und eine eigne von der des Meerwaſſers unterſchiedene Bitterkeit, die er mit der von Galle vergleicht, und der Naphtha zuſchreibt. Nach Pallas ſind ehemals die Ufer des hyrkaniſchen Meeres viel weiter ausgebreitet geweſen, und es hat die ganze Crimmiſche, Kumaniſche, Wolgaiſche und Jaikiſche Steppe mit den Ebnen der großen Tatarey ein allgemeines Meer ausgemacht, welches an dem jetzigen kaſpiſchen und ſchwarzen Meere zween große und tiefe Buſen hatte. Durch einen Durchbruch der Gebirge des thraciſchen Boſphorus entlud ſich das ſchwarze Meer durch den Propontiſchen Buſen; dadurch ward ein großer Theil des alten Meeres zur Salzſteppe, und der kaſpiſche See zu einem einzelnen Landſee.

Der See Aral faſſet ungefaͤhr 650 Quadratmeilen, wird aber jaͤhrlich groͤßer, ſeitdem man den Gihon in ihn geleitet hat. Er wird vom kaſpiſchen See durch ein 50 Meilen breites Sandfeld getrennt; daher ſich vermuthen laͤßt, daß beyde vordem zuſammengehangen haben, und das Sandfeld blos eine Aufhaͤufung von Materien iſt, welche die Zufluͤſſe des Arals mit ſich gefuͤhrt haben.

Das todte Meer (Mare Aſphalticum) in Palaͤſtina iſt nur 17 Meilen lang, und 4 Meilen breit, und nimmt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0017" xml:id="P.4.7" n="7"/><lb/>
welche &#x017F;ich das Wa&#x017F;&#x017F;er ausleere. Nach <hi rendition="#b">de l'Isle</hi> aber (<hi rendition="#aq">Mém. de Paris 1720. p. 495.</hi>) hat Peter der Große bey &#x017F;einem Aufenthalte in Paris das Da&#x017F;eyn &#x017F;olcher Strudel ga&#x0364;nzlich gela&#x0364;ugnet. Nach <hi rendition="#b">Bergmanns</hi> Ueber&#x017F;chlage i&#x017F;t die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung unzureichend, das Pha&#x0364;nomen zu erkla&#x0364;ren; denn wenn man &#x017F;ie ja&#x0364;hrlich auf 30 Zoll und die Oberfla&#x0364;che des Sees 3650 &#x017F;chwed. Quadratmeilen (10 1/2 auf den Grad, jede zu 36000 Fuß) &#x017F;etzt, &#x017F;o findet &#x017F;ich die ja&#x0364;hrliche Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung wenig u&#x0364;ber 14 Billionen Cubikfuß, da der Zufluß nach der obigen Berechnung u&#x0364;ber 23 1/2 Billionen Cubikfuß im Jahre betragen mu&#x0364;ßte. Inzwi&#x017F;chen verdu&#x0364;n&#x017F;tet doch nach Gmelins Meinung (Rei&#x017F;e durch Rußland, dritter Theil, St. Petersb. 1774.) eben &#x017F;o viel Wa&#x017F;&#x017F;er, als der See wieder beko&#x0364;mmt, ohne daß er etwas in das &#x017F;chwarze Meer oder den per&#x017F;i&#x017F;chen Meerbu&#x017F;en ausleeret.</p>
            <p>Das Wa&#x017F;&#x017F;er des ka&#x017F;pi&#x017F;chen Sees i&#x017F;t nach den Ufern zu &#x017F;u&#x0364;ß. <hi rendition="#b">Gmelin</hi> fand darinn viel Glauber&#x017F;alz, und eine eigne von der des Meerwa&#x017F;&#x017F;ers unter&#x017F;chiedene Bitterkeit, die er mit der von Galle vergleicht, und der Naphtha zu&#x017F;chreibt. Nach <hi rendition="#b">Pallas</hi> &#x017F;ind ehemals die Ufer des hyrkani&#x017F;chen Meeres viel weiter ausgebreitet gewe&#x017F;en, und es hat die ganze Crimmi&#x017F;che, Kumani&#x017F;che, Wolgai&#x017F;che und Jaiki&#x017F;che Steppe mit den Ebnen der großen Tatarey ein allgemeines Meer ausgemacht, welches an dem jetzigen ka&#x017F;pi&#x017F;chen und &#x017F;chwarzen Meere zween große und tiefe Bu&#x017F;en hatte. Durch einen Durchbruch der Gebirge des thraci&#x017F;chen Bo&#x017F;phorus entlud &#x017F;ich das &#x017F;chwarze Meer durch den Proponti&#x017F;chen Bu&#x017F;en; dadurch ward ein großer Theil des alten Meeres zur Salz&#x017F;teppe, und der ka&#x017F;pi&#x017F;che See zu einem einzelnen Land&#x017F;ee.</p>
            <p>Der See <hi rendition="#b">Aral</hi> fa&#x017F;&#x017F;et ungefa&#x0364;hr 650 Quadratmeilen, wird aber ja&#x0364;hrlich gro&#x0364;ßer, &#x017F;eitdem man den Gihon in ihn geleitet hat. Er wird vom ka&#x017F;pi&#x017F;chen See durch ein 50 Meilen breites Sandfeld getrennt; daher &#x017F;ich vermuthen la&#x0364;ßt, daß beyde vordem zu&#x017F;ammengehangen haben, und das Sandfeld blos eine Aufha&#x0364;ufung von Materien i&#x017F;t, welche die Zuflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des Arals mit &#x017F;ich gefu&#x0364;hrt haben.</p>
            <p>Das <hi rendition="#b">todte Meer</hi> (<hi rendition="#aq">Mare A&#x017F;phalticum</hi>) in Pala&#x0364;&#x017F;tina i&#x017F;t nur 17 Meilen lang, und 4 Meilen breit, und nimmt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0017] welche ſich das Waſſer ausleere. Nach de l'Isle aber (Mém. de Paris 1720. p. 495.) hat Peter der Große bey ſeinem Aufenthalte in Paris das Daſeyn ſolcher Strudel gaͤnzlich gelaͤugnet. Nach Bergmanns Ueberſchlage iſt die Ausduͤnſtung unzureichend, das Phaͤnomen zu erklaͤren; denn wenn man ſie jaͤhrlich auf 30 Zoll und die Oberflaͤche des Sees 3650 ſchwed. Quadratmeilen (10 1/2 auf den Grad, jede zu 36000 Fuß) ſetzt, ſo findet ſich die jaͤhrliche Ausduͤnſtung wenig uͤber 14 Billionen Cubikfuß, da der Zufluß nach der obigen Berechnung uͤber 23 1/2 Billionen Cubikfuß im Jahre betragen muͤßte. Inzwiſchen verduͤnſtet doch nach Gmelins Meinung (Reiſe durch Rußland, dritter Theil, St. Petersb. 1774.) eben ſo viel Waſſer, als der See wieder bekoͤmmt, ohne daß er etwas in das ſchwarze Meer oder den perſiſchen Meerbuſen ausleeret. Das Waſſer des kaſpiſchen Sees iſt nach den Ufern zu ſuͤß. Gmelin fand darinn viel Glauberſalz, und eine eigne von der des Meerwaſſers unterſchiedene Bitterkeit, die er mit der von Galle vergleicht, und der Naphtha zuſchreibt. Nach Pallas ſind ehemals die Ufer des hyrkaniſchen Meeres viel weiter ausgebreitet geweſen, und es hat die ganze Crimmiſche, Kumaniſche, Wolgaiſche und Jaikiſche Steppe mit den Ebnen der großen Tatarey ein allgemeines Meer ausgemacht, welches an dem jetzigen kaſpiſchen und ſchwarzen Meere zween große und tiefe Buſen hatte. Durch einen Durchbruch der Gebirge des thraciſchen Boſphorus entlud ſich das ſchwarze Meer durch den Propontiſchen Buſen; dadurch ward ein großer Theil des alten Meeres zur Salzſteppe, und der kaſpiſche See zu einem einzelnen Landſee. Der See Aral faſſet ungefaͤhr 650 Quadratmeilen, wird aber jaͤhrlich groͤßer, ſeitdem man den Gihon in ihn geleitet hat. Er wird vom kaſpiſchen See durch ein 50 Meilen breites Sandfeld getrennt; daher ſich vermuthen laͤßt, daß beyde vordem zuſammengehangen haben, und das Sandfeld blos eine Aufhaͤufung von Materien iſt, welche die Zufluͤſſe des Arals mit ſich gefuͤhrt haben. Das todte Meer (Mare Aſphalticum) in Palaͤſtina iſt nur 17 Meilen lang, und 4 Meilen breit, und nimmt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/17
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/17>, abgerufen am 29.03.2024.