Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Der Spießglaskönig verbindet sich mit allen Metallen. Er macht dieselben spröder, und ihre Farbe bleicher. Rohes Spießglas mit Gold zusammengeschmolzen, wird zersetzt; sein Schwefel verbindet sich alsdann mit den andern dem Golde etwa noch beygemischten Metallen zu einer oben schwimmenden Schlacke, und der Spiesglaskönig, der sich statt ihrer mit dem Golde vereiniget, läßt sich durch die Hitze davon treiben. Dieses Gießen des Goldes durch Spießglas ist also ein vortrefliches Reinigungsmittel des edlen Metalls, daher auch die ältern Chymisten das Spießglas den Wolf der Metalle und das Bad des Königs (balneum regis s. Solis) genannt haben. Ueberhaupt hat man ehedem im Spießglase viele Geheimnisse gesucht, und sogar den straligen Stern, den sein König wegen der blättrigen Krystallisation auf der Oberfläche zeigt, für eine Anzeige wundervoller Wirkungen gehalten. Aeltere chymische Bücher (z. B. Basil. Valentini currus triumphalis antimonii, comment. illustratus a Theod. Kerkringio. Amst. 1671. 12.) tragen die schätzbarsten Entdeckungen vom Spießglase in einer geheimnißvollen Sprache vor, und erst Lemery (Traite de l'antimoine. a Paris. 1707. 8.) hat deutlicher und bestimmter darüber zu schreiben angefangen. Noch jetzt, obgleich die alten Träume verschwunden sind, bleibt der Spießglaskönig wegen der kräftigen Arzeneymittel, die er verschaft, einer der wichtigsten metallischen Stoffe. In Substanz genommen, bewirkt er Abführungen und Brechen, wiewohl auf eine sehr unsichere Art, die von seiner Zersetzung durch die im Körper befindlichen Materien abhängt. Man gab ihn ehedem in Gestalt der ewigen Pillen, welche unzähligemale gebraucht werden konnten, oder ließ Wein aus Bechern von Spießglaskönig trinken. Nachher hat man, nach einem heftigen Streite über den medicinischen Gebrauch der Antimonialien, die zahlreichen Bereitungen aus dem rohen Spießglase und Könige dienlicher gefunden, worunter die meisten unvollkommene Kalke sind, die als Brech-und Abführunsmittel von sehr
Der Spießglaskoͤnig verbindet ſich mit allen Metallen. Er macht dieſelben ſproͤder, und ihre Farbe bleicher. Rohes Spießglas mit Gold zuſammengeſchmolzen, wird zerſetzt; ſein Schwefel verbindet ſich alsdann mit den andern dem Golde etwa noch beygemiſchten Metallen zu einer oben ſchwimmenden Schlacke, und der Spiesglaskoͤnig, der ſich ſtatt ihrer mit dem Golde vereiniget, laͤßt ſich durch die Hitze davon treiben. Dieſes Gießen des Goldes durch Spießglas iſt alſo ein vortrefliches Reinigungsmittel des edlen Metalls, daher auch die aͤltern Chymiſten das Spießglas den Wolf der Metalle und das Bad des Koͤnigs (balneum regis ſ. Solis) genannt haben. Ueberhaupt hat man ehedem im Spießglaſe viele Geheimniſſe geſucht, und ſogar den ſtraligen Stern, den ſein Koͤnig wegen der blaͤttrigen Kryſtalliſation auf der Oberflaͤche zeigt, fuͤr eine Anzeige wundervoller Wirkungen gehalten. Aeltere chymiſche Buͤcher (z. B. Baſil. Valentini currus triumphalis antimonii, comment. illuſtratus a Theod. Kerkringio. Amſt. 1671. 12.) tragen die ſchaͤtzbarſten Entdeckungen vom Spießglaſe in einer geheimnißvollen Sprache vor, und erſt Lemery (Traité de l'antimoine. à Paris. 1707. 8.) hat deutlicher und beſtimmter daruͤber zu ſchreiben angefangen. Noch jetzt, obgleich die alten Traͤume verſchwunden ſind, bleibt der Spießglaskoͤnig wegen der kraͤftigen Arzeneymittel, die er verſchaft, einer der wichtigſten metalliſchen Stoffe. In Subſtanz genommen, bewirkt er Abfuͤhrungen und Brechen, wiewohl auf eine ſehr unſichere Art, die von ſeiner Zerſetzung durch die im Koͤrper befindlichen Materien abhaͤngt. Man gab ihn ehedem in Geſtalt der ewigen Pillen, welche unzaͤhligemale gebraucht werden konnten, oder ließ Wein aus Bechern von Spießglaskoͤnig trinken. Nachher hat man, nach einem heftigen Streite uͤber den mediciniſchen Gebrauch der Antimonialien, die zahlreichen Bereitungen aus dem rohen Spießglaſe und Koͤnige dienlicher gefunden, worunter die meiſten unvollkommene Kalke ſind, die als Brech-und Abfuͤhrunsmittel von ſehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0167" xml:id="P.4.157" n="157"/><lb/> iſt. Durch Aufguͤſſe des Weingeiſts auf die Spießglasbereitungen entſtehen die <hi rendition="#b">Spießglastinkturen.</hi></p> <p>Der Spießglaskoͤnig verbindet ſich mit allen Metallen. Er macht dieſelben ſproͤder, und ihre Farbe bleicher. Rohes Spießglas mit Gold zuſammengeſchmolzen, wird zerſetzt; ſein Schwefel verbindet ſich alsdann mit den andern dem Golde etwa noch beygemiſchten Metallen zu einer oben ſchwimmenden Schlacke, und der Spiesglaskoͤnig, der ſich ſtatt ihrer mit dem Golde vereiniget, laͤßt ſich durch die Hitze davon treiben. Dieſes <hi rendition="#b">Gießen des Goldes durch Spießglas</hi> iſt alſo ein vortrefliches Reinigungsmittel des edlen Metalls, daher auch die aͤltern Chymiſten das Spießglas den Wolf der Metalle und das Bad des Koͤnigs (<hi rendition="#aq">balneum regis ſ. Solis</hi>) genannt haben. Ueberhaupt hat man ehedem im Spießglaſe viele Geheimniſſe geſucht, und ſogar den ſtraligen Stern, den ſein Koͤnig wegen der blaͤttrigen Kryſtalliſation auf der Oberflaͤche zeigt, fuͤr eine Anzeige wundervoller Wirkungen gehalten. Aeltere chymiſche Buͤcher (z. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Baſil. Valentini</hi> currus triumphalis antimonii, comment. illuſtratus a <hi rendition="#i">Theod. Kerkringio.</hi> Amſt. 1671. 12.</hi>) tragen die ſchaͤtzbarſten Entdeckungen vom Spießglaſe in einer geheimnißvollen Sprache vor, und erſt <hi rendition="#b">Lemery</hi> (<hi rendition="#aq">Traité de l'antimoine. à Paris. 1707. 8.</hi>) hat deutlicher und beſtimmter daruͤber zu ſchreiben angefangen.</p> <p>Noch jetzt, obgleich die alten Traͤume verſchwunden ſind, bleibt der Spießglaskoͤnig wegen der kraͤftigen Arzeneymittel, die er verſchaft, einer der wichtigſten metalliſchen Stoffe. In Subſtanz genommen, bewirkt er Abfuͤhrungen und Brechen, wiewohl auf eine ſehr unſichere Art, die von ſeiner Zerſetzung durch die im Koͤrper befindlichen Materien abhaͤngt. Man gab ihn ehedem in Geſtalt der <hi rendition="#b">ewigen Pillen,</hi> welche unzaͤhligemale gebraucht werden konnten, oder ließ Wein aus Bechern von Spießglaskoͤnig trinken. Nachher hat man, nach einem heftigen Streite uͤber den mediciniſchen Gebrauch der Antimonialien, die zahlreichen Bereitungen aus dem rohen Spießglaſe und Koͤnige dienlicher gefunden, worunter die meiſten unvollkommene Kalke ſind, die als Brech-und Abfuͤhrunsmittel von ſehr<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [157/0167]
iſt. Durch Aufguͤſſe des Weingeiſts auf die Spießglasbereitungen entſtehen die Spießglastinkturen.
Der Spießglaskoͤnig verbindet ſich mit allen Metallen. Er macht dieſelben ſproͤder, und ihre Farbe bleicher. Rohes Spießglas mit Gold zuſammengeſchmolzen, wird zerſetzt; ſein Schwefel verbindet ſich alsdann mit den andern dem Golde etwa noch beygemiſchten Metallen zu einer oben ſchwimmenden Schlacke, und der Spiesglaskoͤnig, der ſich ſtatt ihrer mit dem Golde vereiniget, laͤßt ſich durch die Hitze davon treiben. Dieſes Gießen des Goldes durch Spießglas iſt alſo ein vortrefliches Reinigungsmittel des edlen Metalls, daher auch die aͤltern Chymiſten das Spießglas den Wolf der Metalle und das Bad des Koͤnigs (balneum regis ſ. Solis) genannt haben. Ueberhaupt hat man ehedem im Spießglaſe viele Geheimniſſe geſucht, und ſogar den ſtraligen Stern, den ſein Koͤnig wegen der blaͤttrigen Kryſtalliſation auf der Oberflaͤche zeigt, fuͤr eine Anzeige wundervoller Wirkungen gehalten. Aeltere chymiſche Buͤcher (z. B. Baſil. Valentini currus triumphalis antimonii, comment. illuſtratus a Theod. Kerkringio. Amſt. 1671. 12.) tragen die ſchaͤtzbarſten Entdeckungen vom Spießglaſe in einer geheimnißvollen Sprache vor, und erſt Lemery (Traité de l'antimoine. à Paris. 1707. 8.) hat deutlicher und beſtimmter daruͤber zu ſchreiben angefangen.
Noch jetzt, obgleich die alten Traͤume verſchwunden ſind, bleibt der Spießglaskoͤnig wegen der kraͤftigen Arzeneymittel, die er verſchaft, einer der wichtigſten metalliſchen Stoffe. In Subſtanz genommen, bewirkt er Abfuͤhrungen und Brechen, wiewohl auf eine ſehr unſichere Art, die von ſeiner Zerſetzung durch die im Koͤrper befindlichen Materien abhaͤngt. Man gab ihn ehedem in Geſtalt der ewigen Pillen, welche unzaͤhligemale gebraucht werden konnten, oder ließ Wein aus Bechern von Spießglaskoͤnig trinken. Nachher hat man, nach einem heftigen Streite uͤber den mediciniſchen Gebrauch der Antimonialien, die zahlreichen Bereitungen aus dem rohen Spießglaſe und Koͤnige dienlicher gefunden, worunter die meiſten unvollkommene Kalke ſind, die als Brech-und Abfuͤhrunsmittel von ſehr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |