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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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vordere Seite eben die Lage, welche sein Bild i gegen des Spiegels hintere Seite hat. Nimmt man im Gegenstande selbst eine Reihe Punkte von C bis c, so findet sich vollkommen eben die Reihe von Punkten im Bilde Ii; oder das Bild ist dem Gegenstande gleich und ähnlich. Man sieht also im Planspiegel die Dinge vollkommen so, als ob sie eben so weit hinter dem Spiegel stünden, als sie vor demselben stehen, ohne Aenderung ihrer Gestalt und scheinbaren Größe, nur mit scheinbarer Verwechselung der rechten und linken Seite, weil das Bild seine Vorderseite gegen des Spiegels Hinterfläche kehrt.

Hieraus erklärt man sehr leicht eine Menge Erscheinungen im einzelnen Planspiegel. Ist der Gegenstand gegen die Spiegelfläche geneigt, so scheint das Bild unter eben dem Winkel gegen die hintere Fläche des Spiegels geneigt, und macht also mit dem Gegenstande selbst einen doppelt so großen Winkel. Daher scheinen in Spiegeln, welche mit dem Horizonte Winkel von 45° machen, stehende Dinge zu liegen, liegende aufrecht zu stehen, fallende Körper horizontal fortzulaufen u. d. gl. Liegt der Spiegel selbst wagerecht, so erscheinen aufrechtstehende Gegenstände umgekehrt, wie sich Bäume, Häuser u. dergl. in der Oberfläche des Wassers spiegeln. Ein Spiegel, wagrecht an der Decke des Zimmers angebracht, zeigt die Dinge auf dem Fußboden, über der Decke in umgekehrter Stellung schwebend, und eine auf den Boden fallende Kugel sieht man darinn in die Höhe steigen.

Eine Kugel, welche auf der schiefen Fläche SB Taf. XXII. Fig. 16. von A nach B herabrollt, scheint im Spiegel SV lothrecht von a nach b aufzusteigen, wenn die Richtung des Spiegels SV den Winkel bSB halbirt. Hiezu muß also der Winkel des Spiegels mit der Vertikallinie bS, oder x = 1/2 bSB = 1/2 (90° +m) = 45°+1/2 m seyn. Ist z. B. die Fläche SB gegen den Horizont um 30° geneigt, so wird erfordert, daß der Spiegel mit der Scheitellinie einen Winkel von 45° +15° = 60°, also mit dem Horizonte auch einen von 30° mache. Kan man dem Auge die Fläche mit der Kugel verbergen, und den Spiegel


vordere Seite eben die Lage, welche ſein Bild i gegen des Spiegels hintere Seite hat. Nimmt man im Gegenſtande ſelbſt eine Reihe Punkte von C bis c, ſo findet ſich vollkommen eben die Reihe von Punkten im Bilde Ii; oder das Bild iſt dem Gegenſtande gleich und aͤhnlich. Man ſieht alſo im Planſpiegel die Dinge vollkommen ſo, als ob ſie eben ſo weit hinter dem Spiegel ſtuͤnden, als ſie vor demſelben ſtehen, ohne Aenderung ihrer Geſtalt und ſcheinbaren Groͤße, nur mit ſcheinbarer Verwechſelung der rechten und linken Seite, weil das Bild ſeine Vorderſeite gegen des Spiegels Hinterflaͤche kehrt.

Hieraus erklaͤrt man ſehr leicht eine Menge Erſcheinungen im einzelnen Planſpiegel. Iſt der Gegenſtand gegen die Spiegelflaͤche geneigt, ſo ſcheint das Bild unter eben dem Winkel gegen die hintere Flaͤche des Spiegels geneigt, und macht alſo mit dem Gegenſtande ſelbſt einen doppelt ſo großen Winkel. Daher ſcheinen in Spiegeln, welche mit dem Horizonte Winkel von 45° machen, ſtehende Dinge zu liegen, liegende aufrecht zu ſtehen, fallende Koͤrper horizontal fortzulaufen u. d. gl. Liegt der Spiegel ſelbſt wagerecht, ſo erſcheinen aufrechtſtehende Gegenſtaͤnde umgekehrt, wie ſich Baͤume, Haͤuſer u. dergl. in der Oberflaͤche des Waſſers ſpiegeln. Ein Spiegel, wagrecht an der Decke des Zimmers angebracht, zeigt die Dinge auf dem Fußboden, uͤber der Decke in umgekehrter Stellung ſchwebend, und eine auf den Boden fallende Kugel ſieht man darinn in die Hoͤhe ſteigen.

Eine Kugel, welche auf der ſchiefen Flaͤche SB Taf. XXII. Fig. 16. von A nach B herabrollt, ſcheint im Spiegel SV lothrecht von a nach b aufzuſteigen, wenn die Richtung des Spiegels SV den Winkel bSB halbirt. Hiezu muß alſo der Winkel des Spiegels mit der Vertikallinie bS, oder x = 1/2 bSB = 1/2 (90° +m) = 45°+1/2 m ſeyn. Iſt z. B. die Flaͤche SB gegen den Horizont um 30° geneigt, ſo wird erfordert, daß der Spiegel mit der Scheitellinie einen Winkel von 45° +15° = 60°, alſo mit dem Horizonte auch einen von 30° mache. Kan man dem Auge die Flaͤche mit der Kugel verbergen, und den Spiegel

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[125/0135] vordere Seite eben die Lage, welche ſein Bild i gegen des Spiegels hintere Seite hat. Nimmt man im Gegenſtande ſelbſt eine Reihe Punkte von C bis c, ſo findet ſich vollkommen eben die Reihe von Punkten im Bilde Ii; oder das Bild iſt dem Gegenſtande gleich und aͤhnlich. Man ſieht alſo im Planſpiegel die Dinge vollkommen ſo, als ob ſie eben ſo weit hinter dem Spiegel ſtuͤnden, als ſie vor demſelben ſtehen, ohne Aenderung ihrer Geſtalt und ſcheinbaren Groͤße, nur mit ſcheinbarer Verwechſelung der rechten und linken Seite, weil das Bild ſeine Vorderſeite gegen des Spiegels Hinterflaͤche kehrt. Hieraus erklaͤrt man ſehr leicht eine Menge Erſcheinungen im einzelnen Planſpiegel. Iſt der Gegenſtand gegen die Spiegelflaͤche geneigt, ſo ſcheint das Bild unter eben dem Winkel gegen die hintere Flaͤche des Spiegels geneigt, und macht alſo mit dem Gegenſtande ſelbſt einen doppelt ſo großen Winkel. Daher ſcheinen in Spiegeln, welche mit dem Horizonte Winkel von 45° machen, ſtehende Dinge zu liegen, liegende aufrecht zu ſtehen, fallende Koͤrper horizontal fortzulaufen u. d. gl. Liegt der Spiegel ſelbſt wagerecht, ſo erſcheinen aufrechtſtehende Gegenſtaͤnde umgekehrt, wie ſich Baͤume, Haͤuſer u. dergl. in der Oberflaͤche des Waſſers ſpiegeln. Ein Spiegel, wagrecht an der Decke des Zimmers angebracht, zeigt die Dinge auf dem Fußboden, uͤber der Decke in umgekehrter Stellung ſchwebend, und eine auf den Boden fallende Kugel ſieht man darinn in die Hoͤhe ſteigen. Eine Kugel, welche auf der ſchiefen Flaͤche SB Taf. XXII. Fig. 16. von A nach B herabrollt, ſcheint im Spiegel SV lothrecht von a nach b aufzuſteigen, wenn die Richtung des Spiegels SV den Winkel bSB halbirt. Hiezu muß alſo der Winkel des Spiegels mit der Vertikallinie bS, oder x = 1/2 bSB = 1/2 (90° +m) = 45°+1/2 m ſeyn. Iſt z. B. die Flaͤche SB gegen den Horizont um 30° geneigt, ſo wird erfordert, daß der Spiegel mit der Scheitellinie einen Winkel von 45° +15° = 60°, alſo mit dem Horizonte auch einen von 30° mache. Kan man dem Auge die Flaͤche mit der Kugel verbergen, und den Spiegel

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/135>, abgerufen am 22.11.2024.