Da wir durch einen bekannten Gesichtsbetrug alle Winkel nach dem Horizonte hin größer schätzen, als gleiche höher gesehene, s. Himmel, so halten wir den Regenbogen unten für breiter, als oben. Aus eben dem Grunde kan der Bogen eine elliptische Gestalt erhalten; er kan auch schief zu liegen scheinen, wenn die Tropfen verschiedene Entfernungen vom Auge haben, und der Zuschauer durch irgend einen Umstand Anlaß bekömmt, diese Verschiedenheit zu bemerken.
Zu Bestärkung der Theorie des Regenbogens dient folgender leichte Versuch. Eine hohle mit Wasser gefüllte Glaskugel wird an einer Schnur aufgehangen, die man über eine Rolle zieht, um die Kugel weiter herauf- oder herablassen zu können. Wird diese Kugel von der Sonne beschienen, und das Auge so gestellt, daß die Gesichtslinie mit den Sonnenstralen einen Winkel von 42° macht, so sieht man an der untern oder von der Sonne abgewendeten Seite der Kugel ein sehr lebhaftes Roth; läßt man die Kugel weiter herab, so daß der Winkel mit den Sonnenstralen ein Paar Grade kleiner wird, so erscheinen statt der rothen Farbe nach und nach Gelb, Grün und Blau. Zieht man die Kugel weiter auf bis zum Winkel von 51°, so erscheint Roth auf der obern oder gegen die Sonne zu gekehrten Seite, und die andern Farben folgen, wenn man durch weiteres Aufziehen der Kugel den Winkel noch um etwas vergrößert. Die Kugel verhält sich gerade so, wie die Tropfen A, B, Taf. XX. Fig. 109. Die nemlichen Wirkungen erfolgen, wenn die Kugel unbewegt bleibt und das Auge seine Stelle auf die gehörige Art ändert.
Die Theorie des Regenbogens giebt ein vortrefliches Beyspiel einer vollständigen physikalischen Erklärung aus den Naturgesetzen. So verwickelt auch die Wirkung ist, so hängt sie doch mit den Gesetzen selbst durch die schönste Reihe von nothwendigen Folgerungen zusammen. Der Regenbogen ließe sich aus den Gesetzen der Brechung, Zurückwerfung und Farbenverbreitung errathen und vorhersagen, wenn man auch nie einen gesehen hätte, wie man z. B. den dritten und vierten Bogen zur Zeit nur blos au<*>
Da wir durch einen bekannten Geſichtsbetrug alle Winkel nach dem Horizonte hin groͤßer ſchaͤtzen, als gleiche hoͤher geſehene, ſ. Himmel, ſo halten wir den Regenbogen unten fuͤr breiter, als oben. Aus eben dem Grunde kan der Bogen eine elliptiſche Geſtalt erhalten; er kan auch ſchief zu liegen ſcheinen, wenn die Tropfen verſchiedene Entfernungen vom Auge haben, und der Zuſchauer durch irgend einen Umſtand Anlaß bekoͤmmt, dieſe Verſchiedenheit zu bemerken.
Zu Beſtaͤrkung der Theorie des Regenbogens dient folgender leichte Verſuch. Eine hohle mit Waſſer gefuͤllte Glaskugel wird an einer Schnur aufgehangen, die man uͤber eine Rolle zieht, um die Kugel weiter herauf- oder herablaſſen zu koͤnnen. Wird dieſe Kugel von der Sonne beſchienen, und das Auge ſo geſtellt, daß die Geſichtslinie mit den Sonnenſtralen einen Winkel von 42° macht, ſo ſieht man an der untern oder von der Sonne abgewendeten Seite der Kugel ein ſehr lebhaftes Roth; laͤßt man die Kugel weiter herab, ſo daß der Winkel mit den Sonnenſtralen ein Paar Grade kleiner wird, ſo erſcheinen ſtatt der rothen Farbe nach und nach Gelb, Gruͤn und Blau. Zieht man die Kugel weiter auf bis zum Winkel von 51°, ſo erſcheint Roth auf der obern oder gegen die Sonne zu gekehrten Seite, und die andern Farben folgen, wenn man durch weiteres Aufziehen der Kugel den Winkel noch um etwas vergroͤßert. Die Kugel verhaͤlt ſich gerade ſo, wie die Tropfen A, B, Taf. XX. Fig. 109. Die nemlichen Wirkungen erfolgen, wenn die Kugel unbewegt bleibt und das Auge ſeine Stelle auf die gehoͤrige Art aͤndert.
Die Theorie des Regenbogens giebt ein vortrefliches Beyſpiel einer vollſtaͤndigen phyſikaliſchen Erklaͤrung aus den Naturgeſetzen. So verwickelt auch die Wirkung iſt, ſo haͤngt ſie doch mit den Geſetzen ſelbſt durch die ſchoͤnſte Reihe von nothwendigen Folgerungen zuſammen. Der Regenbogen ließe ſich aus den Geſetzen der Brechung, Zuruͤckwerfung und Farbenverbreitung errathen und vorherſagen, wenn man auch nie einen geſehen haͤtte, wie man z. B. den dritten und vierten Bogen zur Zeit nur blos au<*>
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Da wir durch einen bekannten Geſichtsbetrug alle Winkel nach dem Horizonte hin groͤßer ſchaͤtzen, als gleiche hoͤher geſehene, ſ. Himmel, ſo halten wir den Regenbogen unten fuͤr breiter, als oben. Aus eben dem Grunde kan der Bogen eine elliptiſche Geſtalt erhalten; er kan auch ſchief zu liegen ſcheinen, wenn die Tropfen verſchiedene Entfernungen vom Auge haben, und der Zuſchauer durch irgend einen Umſtand Anlaß bekoͤmmt, dieſe Verſchiedenheit zu bemerken.
Zu Beſtaͤrkung der Theorie des Regenbogens dient folgender leichte Verſuch. Eine hohle mit Waſſer gefuͤllte Glaskugel wird an einer Schnur aufgehangen, die man uͤber eine Rolle zieht, um die Kugel weiter herauf- oder herablaſſen zu koͤnnen. Wird dieſe Kugel von der Sonne beſchienen, und das Auge ſo geſtellt, daß die Geſichtslinie mit den Sonnenſtralen einen Winkel von 42° macht, ſo ſieht man an der untern oder von der Sonne abgewendeten Seite der Kugel ein ſehr lebhaftes Roth; laͤßt man die Kugel weiter herab, ſo daß der Winkel mit den Sonnenſtralen ein Paar Grade kleiner wird, ſo erſcheinen ſtatt der rothen Farbe nach und nach Gelb, Gruͤn und Blau. Zieht man die Kugel weiter auf bis zum Winkel von 51°, ſo erſcheint Roth auf der obern oder gegen die Sonne zu gekehrten Seite, und die andern Farben folgen, wenn man durch weiteres Aufziehen der Kugel den Winkel noch um etwas vergroͤßert. Die Kugel verhaͤlt ſich gerade ſo, wie die Tropfen A, B, Taf. XX. Fig. 109. Die nemlichen Wirkungen erfolgen, wenn die Kugel unbewegt bleibt und das Auge ſeine Stelle auf die gehoͤrige Art aͤndert.
Die Theorie des Regenbogens giebt ein vortrefliches Beyſpiel einer vollſtaͤndigen phyſikaliſchen Erklaͤrung aus den Naturgeſetzen. So verwickelt auch die Wirkung iſt, ſo haͤngt ſie doch mit den Geſetzen ſelbſt durch die ſchoͤnſte Reihe von nothwendigen Folgerungen zuſammen. Der Regenbogen ließe ſich aus den Geſetzen der Brechung, Zuruͤckwerfung und Farbenverbreitung errathen und vorherſagen, wenn man auch nie einen geſehen haͤtte, wie man z. B. den dritten und vierten Bogen zur Zeit nur blos au<*>
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/680>, abgerufen am 16.07.2024.
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