es eine Tropfenwand giebt, welche die Sonne bescheinet, und von deren gehörigen Stellen die Stralen frey ins Auge gelangen können. Die Tropfen, die diese Wand bilden, sind zwar beständig im Fallen, und der, welcher zuerst rothes Licht ins Auge sendete, schickt demselben gleich darauf gelbes, grünes und endlich blaues Licht zu: allein beständig tritt ein anderer Tropfen an die Stelle des vorigen, daher man sie alle als unbeweglich ansehen kan, so lange es regnet. Auch kömmt nichts auf die Entsernung der Tropfen vom Auge an, und wenn also in der Vorderfläche der Regenmasse an manchen Stellen Tropfen fehlen, so sind doch tiefer hinein beständig andere da, die dem Auge nach eben der Linie Licht von eben der Farbe zusenden. Daher ist der Regenbogen dem Scheine nach beständig, ob er gleich in der That alle Augenblicke von andern Tropfen kömmt, auch jeder Zuschauer seinen eignen Regenbogen sieht. Regnet aber die Wolke nicht an allen Stellen, oder stehen nur einzelne unterbrochne Regenwolken am Himmel, so sieht man nur an den Stellen, wo wirklich Tropfen sind, einzelne Stücken des Bogens, die man insgemein Regengallen nennet.
Man sagt insgemein, daß der Horizont einen Theil des Regenbogens verdecke. Es kömmt aber hieben nicht sowohl auf den Horizont, als auf den Umfang der sichtharen Tropfenwand an. So weit dieser Umfang reicht, und so weit ihn die Sonne bescheint, so weit erstreckt sich auch der gesehene Vogen. Im platten Lande, und wenn der Regen vom Auge sehr entfernt ist, wird freylich die Tropfenwand, und also auch der Regenbogen, unten vom Horizonte begrenzt. Steht aber der Zuschauer hoch, und sieht einen Regen, dessen Tropfen bis in tiefere Gegenden fallen, so geht der Regenbogen so weit, als die Tropfen reichen, und scheint alsdann mit seinen Schenkeln gleichsam auf den Feldern aufzustehen, auf welchen die vordersten Tropfen niederfallen. Der Aberglaube schmeichelte sich ehedem, da, wo man die Schenkel des Regenbogens stehen sähe, goldne Schüsseln zu finden; Niemand aber konnte den Ort erreichen, weil beym Fortgehen des Auges der Bogen seine Stelle verändert, und gleichsam vor dem Verfolger flieht.
es eine Tropfenwand giebt, welche die Sonne beſcheinet, und von deren gehoͤrigen Stellen die Stralen frey ins Auge gelangen koͤnnen. Die Tropfen, die dieſe Wand bilden, ſind zwar beſtaͤndig im Fallen, und der, welcher zuerſt rothes Licht ins Auge ſendete, ſchickt demſelben gleich darauf gelbes, gruͤnes und endlich blaues Licht zu: allein beſtaͤndig tritt ein anderer Tropfen an die Stelle des vorigen, daher man ſie alle als unbeweglich anſehen kan, ſo lange es regnet. Auch koͤmmt nichts auf die Entſernung der Tropfen vom Auge an, und wenn alſo in der Vorderflaͤche der Regenmaſſe an manchen Stellen Tropfen fehlen, ſo ſind doch tiefer hinein beſtaͤndig andere da, die dem Auge nach eben der Linie Licht von eben der Farbe zuſenden. Daher iſt der Regenbogen dem Scheine nach beſtaͤndig, ob er gleich in der That alle Augenblicke von andern Tropfen koͤmmt, auch jeder Zuſchauer ſeinen eignen Regenbogen ſieht. Regnet aber die Wolke nicht an allen Stellen, oder ſtehen nur einzelne unterbrochne Regenwolken am Himmel, ſo ſieht man nur an den Stellen, wo wirklich Tropfen ſind, einzelne Stuͤcken des Bogens, die man insgemein Regengallen nennet.
Man ſagt insgemein, daß der Horizont einen Theil des Regenbogens verdecke. Es koͤmmt aber hieben nicht ſowohl auf den Horizont, als auf den Umfang der ſichtharen Tropfenwand an. So weit dieſer Umfang reicht, und ſo weit ihn die Sonne beſcheint, ſo weit erſtreckt ſich auch der geſehene Vogen. Im platten Lande, und wenn der Regen vom Auge ſehr entfernt iſt, wird freylich die Tropfenwand, und alſo auch der Regenbogen, unten vom Horizonte begrenzt. Steht aber der Zuſchauer hoch, und ſieht einen Regen, deſſen Tropfen bis in tiefere Gegenden fallen, ſo geht der Regenbogen ſo weit, als die Tropfen reichen, und ſcheint alsdann mit ſeinen Schenkeln gleichſam auf den Feldern aufzuſtehen, auf welchen die vorderſten Tropfen niederfallen. Der Aberglaube ſchmeichelte ſich ehedem, da, wo man die Schenkel des Regenbogens ſtehen ſaͤhe, goldne Schuͤſſeln zu finden; Niemand aber konnte den Ort erreichen, weil beym Fortgehen des Auges der Bogen ſeine Stelle veraͤndert, und gleichſam vor dem Verfolger flieht.
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es eine Tropfenwand giebt, welche die Sonne beſcheinet, und von deren gehoͤrigen Stellen die Stralen frey ins Auge gelangen koͤnnen. Die Tropfen, die dieſe Wand bilden, ſind zwar beſtaͤndig im Fallen, und der, welcher zuerſt rothes Licht ins Auge ſendete, ſchickt demſelben gleich darauf gelbes, gruͤnes und endlich blaues Licht zu: allein beſtaͤndig tritt ein anderer Tropfen an die Stelle des vorigen, daher man ſie alle als unbeweglich anſehen kan, ſo lange es regnet. Auch koͤmmt nichts auf die Entſernung der Tropfen vom Auge an, und wenn alſo in der Vorderflaͤche der Regenmaſſe an manchen Stellen Tropfen fehlen, ſo ſind doch tiefer hinein beſtaͤndig andere da, die dem Auge nach eben der Linie Licht von eben der Farbe zuſenden. Daher iſt der Regenbogen dem Scheine nach <hirendition="#b">beſtaͤndig,</hi> ob er gleich in der That alle Augenblicke von andern Tropfen koͤmmt, auch jeder Zuſchauer ſeinen eignen Regenbogen ſieht. Regnet aber die Wolke nicht an allen Stellen, oder ſtehen nur einzelne unterbrochne Regenwolken am Himmel, ſo ſieht man nur an den Stellen, wo wirklich Tropfen ſind, einzelne Stuͤcken des Bogens, die man insgemein <hirendition="#b">Regengallen</hi> nennet.</p><p>Man ſagt insgemein, daß der Horizont einen Theil des Regenbogens verdecke. Es koͤmmt aber hieben nicht ſowohl auf den Horizont, als auf den Umfang der ſichtharen Tropfenwand an. So weit dieſer Umfang reicht, und ſo weit ihn die Sonne beſcheint, ſo weit erſtreckt ſich auch der geſehene Vogen. Im platten Lande, und wenn der Regen vom Auge ſehr entfernt iſt, wird freylich die Tropfenwand, und alſo auch der Regenbogen, unten vom Horizonte begrenzt. Steht aber der Zuſchauer hoch, und ſieht einen Regen, deſſen Tropfen bis in tiefere Gegenden fallen, ſo geht der Regenbogen ſo weit, als die Tropfen reichen, und ſcheint alsdann mit ſeinen Schenkeln gleichſam auf den Feldern aufzuſtehen, auf welchen die vorderſten Tropfen niederfallen. Der Aberglaube ſchmeichelte ſich ehedem, da, wo man die Schenkel des Regenbogens ſtehen ſaͤhe, goldne Schuͤſſeln zu finden; Niemand aber konnte den Ort erreichen, weil beym Fortgehen des Auges der Bogen ſeine Stelle veraͤndert, und gleichſam vor dem Verfolger flieht.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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es eine Tropfenwand giebt, welche die Sonne beſcheinet, und von deren gehoͤrigen Stellen die Stralen frey ins Auge gelangen koͤnnen. Die Tropfen, die dieſe Wand bilden, ſind zwar beſtaͤndig im Fallen, und der, welcher zuerſt rothes Licht ins Auge ſendete, ſchickt demſelben gleich darauf gelbes, gruͤnes und endlich blaues Licht zu: allein beſtaͤndig tritt ein anderer Tropfen an die Stelle des vorigen, daher man ſie alle als unbeweglich anſehen kan, ſo lange es regnet. Auch koͤmmt nichts auf die Entſernung der Tropfen vom Auge an, und wenn alſo in der Vorderflaͤche der Regenmaſſe an manchen Stellen Tropfen fehlen, ſo ſind doch tiefer hinein beſtaͤndig andere da, die dem Auge nach eben der Linie Licht von eben der Farbe zuſenden. Daher iſt der Regenbogen dem Scheine nach beſtaͤndig, ob er gleich in der That alle Augenblicke von andern Tropfen koͤmmt, auch jeder Zuſchauer ſeinen eignen Regenbogen ſieht. Regnet aber die Wolke nicht an allen Stellen, oder ſtehen nur einzelne unterbrochne Regenwolken am Himmel, ſo ſieht man nur an den Stellen, wo wirklich Tropfen ſind, einzelne Stuͤcken des Bogens, die man insgemein Regengallen nennet.
Man ſagt insgemein, daß der Horizont einen Theil des Regenbogens verdecke. Es koͤmmt aber hieben nicht ſowohl auf den Horizont, als auf den Umfang der ſichtharen Tropfenwand an. So weit dieſer Umfang reicht, und ſo weit ihn die Sonne beſcheint, ſo weit erſtreckt ſich auch der geſehene Vogen. Im platten Lande, und wenn der Regen vom Auge ſehr entfernt iſt, wird freylich die Tropfenwand, und alſo auch der Regenbogen, unten vom Horizonte begrenzt. Steht aber der Zuſchauer hoch, und ſieht einen Regen, deſſen Tropfen bis in tiefere Gegenden fallen, ſo geht der Regenbogen ſo weit, als die Tropfen reichen, und ſcheint alsdann mit ſeinen Schenkeln gleichſam auf den Feldern aufzuſtehen, auf welchen die vorderſten Tropfen niederfallen. Der Aberglaube ſchmeichelte ſich ehedem, da, wo man die Schenkel des Regenbogens ſtehen ſaͤhe, goldne Schuͤſſeln zu finden; Niemand aber konnte den Ort erreichen, weil beym Fortgehen des Auges der Bogen ſeine Stelle veraͤndert, und gleichſam vor dem Verfolger flieht.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/678>, abgerufen am 22.11.2024.
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