die Rhone, der Rhein und der Po entspringen, während der sechs Wintermonate mit hohem Schnee bedeckt sind, wobey diese Entstehung der Quellen nicht statt findet, und die Flüsse versiegen müßten, da doch die vier genannten Ströme den ganzen Winter hindurch keinen Mangel an Wasser haben. Allein Herr de Lüc (Untersuchungen über die Atmosphäre. Erster Theil; a. d. Frz. Leipz. 1776. gr. 8. § 155.), an der Stelle, wo er Woodwards Hypothese von einem großen unterirdischen Wasserbehälter widerlegt, zeigt unwidersprechlich, daß diese großen Ströme im Winter in der That weit schwächer, als im Sommer, sind, da hingegen die Seine, die ihr Wasser aus niedrigen Quellen, und größtentheils durch den Regen erhält, im Winter weit mehr, als im Sommer, anschwillt. In den hohen Gebirgen hören die meisten Bäche im Winter auf zu fließen, die Quellen nehmen ab und vertrocknen zum Theil, und die Gletscher geben nur eine geringe Menge Wasser, welches durch die Wärme des Bodens nach und nach von dem untern Theile des Eises abschmelzt. Mit der Rückkehr des Frühlings schmelzt der Schnee am Fuße der Gebirge, und die untern Bäche entspringen wieder: wenn aber die Sonne vollends ihren höchsten Stand erreicht, so sieht man auf allen Seiten Bäche und Wasserfälle, die aus den unerschöpflichen Eisklumpen den ganzen Sommer hindurch mit gleicher Stärke unterhalten werden, und die Flüsse anschwellen. Die Rhone steigt auch regelmäßig vom März bis zum August, und fällt eben so in den Wintermonaten. Diese Phänomene widerlegen nun zwar die gemachte Einwendung, scheinen aber doch die Verdichtung der Dünste an den Bergen wenigstens nicht als unmittelbare Ursache der Quellen anzugeben.
Ein andrer Einwurf gegen Halley's Erklärung ist von der Menge der Quellen hergenommen, die fern von den hohen Gebirgen am Fuße niedriger Hügel entspringen. Derham (Physicotheologie, II. B. 5. Cap.) führt das Beyspiel der Quelle bey Upminster in Essex an, welche nicht mehr als 100 Fuß über der Meeresfläche liegt, und ihr reichliches Wasser aus einem etwa 15 bis 16 Fuß höhern
die Rhone, der Rhein und der Po entſpringen, waͤhrend der ſechs Wintermonate mit hohem Schnee bedeckt ſind, wobey dieſe Entſtehung der Quellen nicht ſtatt findet, und die Fluͤſſe verſiegen muͤßten, da doch die vier genannten Stroͤme den ganzen Winter hindurch keinen Mangel an Waſſer haben. Allein Herr de Luͤc (Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre. Erſter Theil; a. d. Frz. Leipz. 1776. gr. 8. § 155.), an der Stelle, wo er Woodwards Hypotheſe von einem großen unterirdiſchen Waſſerbehaͤlter widerlegt, zeigt unwiderſprechlich, daß dieſe großen Stroͤme im Winter in der That weit ſchwaͤcher, als im Sommer, ſind, da hingegen die Seine, die ihr Waſſer aus niedrigen Quellen, und groͤßtentheils durch den Regen erhaͤlt, im Winter weit mehr, als im Sommer, anſchwillt. In den hohen Gebirgen hoͤren die meiſten Baͤche im Winter auf zu fließen, die Quellen nehmen ab und vertrocknen zum Theil, und die Gletſcher geben nur eine geringe Menge Waſſer, welches durch die Waͤrme des Bodens nach und nach von dem untern Theile des Eiſes abſchmelzt. Mit der Ruͤckkehr des Fruͤhlings ſchmelzt der Schnee am Fuße der Gebirge, und die untern Baͤche entſpringen wieder: wenn aber die Sonne vollends ihren hoͤchſten Stand erreicht, ſo ſieht man auf allen Seiten Baͤche und Waſſerfaͤlle, die aus den unerſchoͤpflichen Eisklumpen den ganzen Sommer hindurch mit gleicher Staͤrke unterhalten werden, und die Fluͤſſe anſchwellen. Die Rhone ſteigt auch regelmaͤßig vom Maͤrz bis zum Auguſt, und faͤllt eben ſo in den Wintermonaten. Dieſe Phaͤnomene widerlegen nun zwar die gemachte Einwendung, ſcheinen aber doch die Verdichtung der Duͤnſte an den Bergen wenigſtens nicht als unmittelbare Urſache der Quellen anzugeben.
Ein andrer Einwurf gegen Halley's Erklaͤrung iſt von der Menge der Quellen hergenommen, die fern von den hohen Gebirgen am Fuße niedriger Huͤgel entſpringen. Derham (Phyſicotheologie, II. B. 5. Cap.) fuͤhrt das Beyſpiel der Quelle bey Upminſter in Eſſex an, welche nicht mehr als 100 Fuß uͤber der Meeresflaͤche liegt, und ihr reichliches Waſſer aus einem etwa 15 bis 16 Fuß hoͤhern
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die Rhone, der Rhein und der Po entſpringen, waͤhrend der ſechs Wintermonate mit hohem Schnee bedeckt ſind, wobey dieſe Entſtehung der Quellen nicht ſtatt findet, und die Fluͤſſe verſiegen muͤßten, da doch die vier genannten Stroͤme den ganzen Winter hindurch keinen Mangel an Waſſer haben. Allein Herr de Luͤc (Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre. Erſter Theil; a. d. Frz. Leipz. 1776. gr. 8. § 155.), an der Stelle, wo er Woodwards Hypotheſe von einem großen unterirdiſchen Waſſerbehaͤlter widerlegt, zeigt unwiderſprechlich, daß dieſe großen Stroͤme im Winter in der That weit ſchwaͤcher, als im Sommer, ſind, da hingegen die Seine, die ihr Waſſer aus niedrigen Quellen, und groͤßtentheils durch den Regen erhaͤlt, im Winter weit mehr, als im Sommer, anſchwillt. In den hohen Gebirgen hoͤren die meiſten Baͤche im Winter auf zu fließen, die Quellen nehmen ab und vertrocknen zum Theil, und die Gletſcher geben nur eine geringe Menge Waſſer, welches durch die Waͤrme des Bodens nach und nach von dem untern Theile des Eiſes abſchmelzt. Mit der Ruͤckkehr des Fruͤhlings ſchmelzt der Schnee am Fuße der Gebirge, und die untern Baͤche entſpringen wieder: wenn aber die Sonne vollends ihren hoͤchſten Stand erreicht, ſo ſieht man auf allen Seiten Baͤche und Waſſerfaͤlle, die aus den unerſchoͤpflichen Eisklumpen den ganzen Sommer hindurch mit gleicher Staͤrke unterhalten werden, und die Fluͤſſe anſchwellen. Die Rhone ſteigt auch regelmaͤßig vom Maͤrz bis zum Auguſt, und faͤllt eben ſo in den Wintermonaten. Dieſe Phaͤnomene widerlegen nun zwar die gemachte Einwendung, ſcheinen aber doch die Verdichtung der Duͤnſte an den Bergen wenigſtens nicht als unmittelbare Urſache der Quellen anzugeben.
Ein andrer Einwurf gegen Halley's Erklaͤrung iſt von der Menge der Quellen hergenommen, die fern von den hohen Gebirgen am Fuße niedriger Huͤgel entſpringen. Derham (Phyſicotheologie, II. B. 5. Cap.) fuͤhrt das Beyſpiel der Quelle bey Upminſter in Eſſex an, welche nicht mehr als 100 Fuß uͤber der Meeresflaͤche liegt, und ihr reichliches Waſſer aus einem etwa 15 bis 16 Fuß hoͤhern
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/614>, abgerufen am 22.11.2024.
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