Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Sehr oft kan man von einem Phänomen oder einer Naturbegebenheit die Ursachen durch viele Glieder der Kette zurück verfolgen. Die Erklärung ist desto schöner und vollständiger, je weiter dies möglich ist. Endlich aber kömmt man gewiß auf ein Glied, wo die Erklärung hypothetisch bleiben muß, und keine Angabe einer gewissen Ursache mehr verstattet. Bey diesem Gliede ist es allemal sehr rathsam aufzuhören, wenn man nicht Träume für Wahrheit erhaschen will. Aber bey unzählbaren Phänomenen ist schon der erste Schritt, oder die Angabe der nächsten Ursache, nicht anders, als durch Hypothesen, möglich. Dies ist gemeiniglich der Fall bey sehr allgemeinen Phänomenen, die schon eine Menge einzelner individueller Erscheinungen in sich begreifen, z. B. bey der Bewegung, Gravitation, Elektricität, Magnetismus; ingleichen bey verwickelten Naturbegebenheiten, die aus mehrern Ursachen zugleich entstehen, z. B. den Witterungen, Winden, Barometerveränderungen u. s. w. Was nun die allgemeinen Phänomene betrift, so ist die Untersuchung ihrer Gesetze immer weit lehrreicher und für praktische Endzwecke wichtiger, als die Aufsuchung der Ursachen, s. Naturgesetze. Jch habe daher in diesem Wörterbuche immer mehr von den Gesetzen, als von den Ursachen, geredet, und über die letztern nur Meinungen der besten Denker angeführt. Bey den verwickelten Wirkungen aber ist es allerdings nöthig, durch vervielfältigte Beobachtung, Ausmessung und Vergleichung den Ursachen nachzuspüren, welche man hiebey wohl noch zu finden Hofnung hat, weil man vom letzten Gliede der Kette noch ziemlich entfernt ist.
Sehr oft kan man von einem Phaͤnomen oder einer Naturbegebenheit die Urſachen durch viele Glieder der Kette zuruͤck verfolgen. Die Erklaͤrung iſt deſto ſchoͤner und vollſtaͤndiger, je weiter dies moͤglich iſt. Endlich aber koͤmmt man gewiß auf ein Glied, wo die Erklaͤrung hypothetiſch bleiben muß, und keine Angabe einer gewiſſen Urſache mehr verſtattet. Bey dieſem Gliede iſt es allemal ſehr rathſam aufzuhoͤren, wenn man nicht Traͤume fuͤr Wahrheit erhaſchen will. Aber bey unzaͤhlbaren Phaͤnomenen iſt ſchon der erſte Schritt, oder die Angabe der naͤchſten Urſache, nicht anders, als durch Hypotheſen, moͤglich. Dies iſt gemeiniglich der Fall bey ſehr allgemeinen Phaͤnomenen, die ſchon eine Menge einzelner individueller Erſcheinungen in ſich begreifen, z. B. bey der Bewegung, Gravitation, Elektricitaͤt, Magnetismus; ingleichen bey verwickelten Naturbegebenheiten, die aus mehrern Urſachen zugleich entſtehen, z. B. den Witterungen, Winden, Barometerveraͤnderungen u. ſ. w. Was nun die allgemeinen Phaͤnomene betrift, ſo iſt die Unterſuchung ihrer Geſetze immer weit lehrreicher und fuͤr praktiſche Endzwecke wichtiger, als die Aufſuchung der Urſachen, ſ. Naturgeſetze. Jch habe daher in dieſem Woͤrterbuche immer mehr von den Geſetzen, als von den Urſachen, geredet, und uͤber die letztern nur Meinungen der beſten Denker angefuͤhrt. Bey den verwickelten Wirkungen aber iſt es allerdings noͤthig, durch vervielfaͤltigte Beobachtung, Ausmeſſung und Vergleichung den Urſachen nachzuſpuͤren, welche man hiebey wohl noch zu finden Hofnung hat, weil man vom letzten Gliede der Kette noch ziemlich entfernt iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0462" xml:id="P.3.456" n="456"/><lb/> Gottheit oder, nach einem gleichbedeutenden bildlichen Ausdrucke, den Neigungen und Trieben der Natur zuſchrieben. Dies heißt die Kette abſchneiden, nicht entwickeln. Man muß vielmehr in ſolchen Faͤllen ſeine Unwiſſenheit beſcheiden geſtehen, und bey weitern Vermuthungen uͤber die Urſachen die Regeln nicht vergeſſen, von welchen bey dem Worte <hi rendition="#b">Hypotheſen</hi> geredet worden iſt.</p> <p>Sehr oft kan man von einem Phaͤnomen oder einer Naturbegebenheit die Urſachen durch viele Glieder der Kette zuruͤck verfolgen. Die Erklaͤrung iſt deſto ſchoͤner und vollſtaͤndiger, je weiter dies moͤglich iſt. Endlich aber koͤmmt man gewiß auf ein Glied, wo die Erklaͤrung hypothetiſch bleiben muß, und keine Angabe einer <hi rendition="#b">gewiſſen</hi> Urſache mehr verſtattet. Bey dieſem Gliede iſt es allemal ſehr rathſam aufzuhoͤren, wenn man nicht Traͤume fuͤr Wahrheit erhaſchen will.</p> <p>Aber bey unzaͤhlbaren Phaͤnomenen iſt ſchon der erſte Schritt, oder die Angabe der naͤchſten Urſache, nicht anders, als durch Hypotheſen, moͤglich. Dies iſt gemeiniglich der Fall bey ſehr allgemeinen Phaͤnomenen, die ſchon eine Menge einzelner individueller Erſcheinungen in ſich begreifen, z. B. bey der Bewegung, Gravitation, Elektricitaͤt, Magnetismus; ingleichen bey verwickelten Naturbegebenheiten, die aus mehrern Urſachen zugleich entſtehen, z. B. den Witterungen, Winden, Barometerveraͤnderungen u. ſ. w. Was nun die <hi rendition="#b">allgemeinen Phaͤnomene</hi> betrift, ſo iſt die Unterſuchung ihrer Geſetze immer weit lehrreicher und fuͤr praktiſche Endzwecke wichtiger, als die Aufſuchung der Urſachen, <hi rendition="#b">ſ. Naturgeſetze.</hi> Jch habe daher in dieſem Woͤrterbuche immer mehr von den Geſetzen, als von den Urſachen, geredet, und uͤber die letztern nur Meinungen der beſten Denker angefuͤhrt. Bey den <hi rendition="#b">verwickelten Wirkungen</hi> aber iſt es allerdings noͤthig, durch vervielfaͤltigte Beobachtung, Ausmeſſung und Vergleichung den Urſachen nachzuſpuͤren, welche man hiebey wohl noch zu finden Hofnung hat, weil man vom letzten Gliede der Kette noch ziemlich entfernt iſt.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [456/0462]
Gottheit oder, nach einem gleichbedeutenden bildlichen Ausdrucke, den Neigungen und Trieben der Natur zuſchrieben. Dies heißt die Kette abſchneiden, nicht entwickeln. Man muß vielmehr in ſolchen Faͤllen ſeine Unwiſſenheit beſcheiden geſtehen, und bey weitern Vermuthungen uͤber die Urſachen die Regeln nicht vergeſſen, von welchen bey dem Worte Hypotheſen geredet worden iſt.
Sehr oft kan man von einem Phaͤnomen oder einer Naturbegebenheit die Urſachen durch viele Glieder der Kette zuruͤck verfolgen. Die Erklaͤrung iſt deſto ſchoͤner und vollſtaͤndiger, je weiter dies moͤglich iſt. Endlich aber koͤmmt man gewiß auf ein Glied, wo die Erklaͤrung hypothetiſch bleiben muß, und keine Angabe einer gewiſſen Urſache mehr verſtattet. Bey dieſem Gliede iſt es allemal ſehr rathſam aufzuhoͤren, wenn man nicht Traͤume fuͤr Wahrheit erhaſchen will.
Aber bey unzaͤhlbaren Phaͤnomenen iſt ſchon der erſte Schritt, oder die Angabe der naͤchſten Urſache, nicht anders, als durch Hypotheſen, moͤglich. Dies iſt gemeiniglich der Fall bey ſehr allgemeinen Phaͤnomenen, die ſchon eine Menge einzelner individueller Erſcheinungen in ſich begreifen, z. B. bey der Bewegung, Gravitation, Elektricitaͤt, Magnetismus; ingleichen bey verwickelten Naturbegebenheiten, die aus mehrern Urſachen zugleich entſtehen, z. B. den Witterungen, Winden, Barometerveraͤnderungen u. ſ. w. Was nun die allgemeinen Phaͤnomene betrift, ſo iſt die Unterſuchung ihrer Geſetze immer weit lehrreicher und fuͤr praktiſche Endzwecke wichtiger, als die Aufſuchung der Urſachen, ſ. Naturgeſetze. Jch habe daher in dieſem Woͤrterbuche immer mehr von den Geſetzen, als von den Urſachen, geredet, und uͤber die letztern nur Meinungen der beſten Denker angefuͤhrt. Bey den verwickelten Wirkungen aber iſt es allerdings noͤthig, durch vervielfaͤltigte Beobachtung, Ausmeſſung und Vergleichung den Urſachen nachzuſpuͤren, welche man hiebey wohl noch zu finden Hofnung hat, weil man vom letzten Gliede der Kette noch ziemlich entfernt iſt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |