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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Parallaxe, Parallaxis, Parallaxe.

Im weitläuftigsten Sinne heißt Parallaxe der Unterschied oder Abstand zweener optischen Orte eines Gegenstands, der aus zween verschiedenen Ständen gesehen wird. So ist Taf. XVIII. Fig. 65. ab die Parallaxe des Punkts C auf der Fläche DE, wenn er aus A und B betrachtet wird, s. Ort, optischer. Das griechische Wort ([fremdsprachliches Material]) bedeutet Veränderung, Verrücken oder Verschieben. Die Stelle des Punkts C verschirbt sich durch ab, wenn man den Gesichtspunkt von A nach B verlegt. Dies ist der allgemeine optische Begrif von Parallaxe.

In der Astronomie wendet man diesen Begrif so an. Ein Gestirn kan aus unzählbaren Orten der Erde betrachtet, und aus jedem an einer andern Stelle der Himmelskugel gesehen werden. Für jede zween Beobachtungsorte gäbe es also einen Unterschied der optischen Orte, oder eine Parallaxe. Der Astronom aber versetzt den einen Zuschauer in den Mittelpunkt der Erde, weil dies ein und derselbe Punkt für alle Erdbewohner ist, stellt sich den Ort, wo dieser das Gestirn sieht, als den wahren Ort desselben, und den, wo es ein Beobachter aus der Oberflache sieht, als den scheinbaren Ort vor, und nennt den Unterschied zwischen beyden die Parallaxe, auch die tägliche Parallaxe.

So wird Taf. XVIII. Fig. 67. das Gestirn P aus dem Mittelpunkte der Erde T in b, aus A auf der Oberfläche in h gesehen, und hb ist seine Parallaxe. Des wahren Orts b Abstand vom Scheitel Z ist Zb, oder der Winkel ZTb, des scheinbaren Orts Abstand Zh, oder der Winkel ZAh; beyder Unterschied ist hb, oder ZAh -- ZTb = APT, daher auch der Winkel P die Parallaxe oder der parallaktische Winkel heißt. Dies ist der Winkel, den die beyden Gesichtslinien TP und AP am Gestirne P mit einander bilden.

Steht hiebey das Gestirn eben im scheinbaren Horizont hr des Beobachtungsorts A, wie der Fall in der Figur angenommen ist, so heißt dieser Winkel P die Horizontalparallaxe (parallaxis horizontalis) desselben. Diese Horizontalparallaxe


Parallaxe, Parallaxis, Parallaxe.

Im weitlaͤuftigſten Sinne heißt Parallaxe der Unterſchied oder Abſtand zweener optiſchen Orte eines Gegenſtands, der aus zween verſchiedenen Staͤnden geſehen wird. So iſt Taf. XVIII. Fig. 65. ab die Parallaxe des Punkts C auf der Flaͤche DE, wenn er aus A und B betrachtet wird, ſ. Ort, optiſcher. Das griechiſche Wort ([fremdsprachliches Material]) bedeutet Veraͤnderung, Verruͤcken oder Verſchieben. Die Stelle des Punkts C verſchirbt ſich durch ab, wenn man den Geſichtspunkt von A nach B verlegt. Dies iſt der allgemeine optiſche Begrif von Parallaxe.

In der Aſtronomie wendet man dieſen Begrif ſo an. Ein Geſtirn kan aus unzaͤhlbaren Orten der Erde betrachtet, und aus jedem an einer andern Stelle der Himmelskugel geſehen werden. Fuͤr jede zween Beobachtungsorte gaͤbe es alſo einen Unterſchied der optiſchen Orte, oder eine Parallaxe. Der Aſtronom aber verſetzt den einen Zuſchauer in den Mittelpunkt der Erde, weil dies ein und derſelbe Punkt fuͤr alle Erdbewohner iſt, ſtellt ſich den Ort, wo dieſer das Geſtirn ſieht, als den wahren Ort deſſelben, und den, wo es ein Beobachter auſ der Oberflache ſieht, als den ſcheinbaren Ort vor, und nennt den Unterſchied zwiſchen beyden die Parallaxe, auch die taͤgliche Parallaxe.

So wird Taf. XVIII. Fig. 67. das Geſtirn P aus dem Mittelpunkte der Erde T in b, aus A auf der Oberflaͤche in h geſehen, und hb iſt ſeine Parallaxe. Des wahren Orts b Abſtand vom Scheitel Z iſt Zb, oder der Winkel ZTb, des ſcheinbaren Orts Abſtand Zh, oder der Winkel ZAh; beyder Unterſchied iſt hb, oder ZAh — ZTb = APT, daher auch der Winkel P die Parallaxe oder der parallaktiſche Winkel heißt. Dies iſt der Winkel, den die beyden Geſichtslinien TP und AP am Geſtirne P mit einander bilden.

Steht hiebey das Geſtirn eben im ſcheinbaren Horizont hr des Beobachtungsorts A, wie der Fall in der Figur angenommen iſt, ſo heißt dieſer Winkel P die Horizontalparallaxe (parallaxis horizontalis) deſſelben. Dieſe Horizontalparallaxe

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[399/0405] Parallaxe, Parallaxis, Parallaxe. Im weitlaͤuftigſten Sinne heißt Parallaxe der Unterſchied oder Abſtand zweener optiſchen Orte eines Gegenſtands, der aus zween verſchiedenen Staͤnden geſehen wird. So iſt Taf. XVIII. Fig. 65. ab die Parallaxe des Punkts C auf der Flaͤche DE, wenn er aus A und B betrachtet wird, ſ. Ort, optiſcher. Das griechiſche Wort (_ ) bedeutet Veraͤnderung, Verruͤcken oder Verſchieben. Die Stelle des Punkts C verſchirbt ſich durch ab, wenn man den Geſichtspunkt von A nach B verlegt. Dies iſt der allgemeine optiſche Begrif von Parallaxe. In der Aſtronomie wendet man dieſen Begrif ſo an. Ein Geſtirn kan aus unzaͤhlbaren Orten der Erde betrachtet, und aus jedem an einer andern Stelle der Himmelskugel geſehen werden. Fuͤr jede zween Beobachtungsorte gaͤbe es alſo einen Unterſchied der optiſchen Orte, oder eine Parallaxe. Der Aſtronom aber verſetzt den einen Zuſchauer in den Mittelpunkt der Erde, weil dies ein und derſelbe Punkt fuͤr alle Erdbewohner iſt, ſtellt ſich den Ort, wo dieſer das Geſtirn ſieht, als den wahren Ort deſſelben, und den, wo es ein Beobachter auſ der Oberflache ſieht, als den ſcheinbaren Ort vor, und nennt den Unterſchied zwiſchen beyden die Parallaxe, auch die taͤgliche Parallaxe. So wird Taf. XVIII. Fig. 67. das Geſtirn P aus dem Mittelpunkte der Erde T in b, aus A auf der Oberflaͤche in h geſehen, und hb iſt ſeine Parallaxe. Des wahren Orts b Abſtand vom Scheitel Z iſt Zb, oder der Winkel ZTb, des ſcheinbaren Orts Abſtand Zh, oder der Winkel ZAh; beyder Unterſchied iſt hb, oder ZAh — ZTb = APT, daher auch der Winkel P die Parallaxe oder der parallaktiſche Winkel heißt. Dies iſt der Winkel, den die beyden Geſichtslinien TP und AP am Geſtirne P mit einander bilden. Steht hiebey das Geſtirn eben im ſcheinbaren Horizont hr des Beobachtungsorts A, wie der Fall in der Figur angenommen iſt, ſo heißt dieſer Winkel P die Horizontalparallaxe (parallaxis horizontalis) deſſelben. Dieſe Horizontalparallaxe

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/405>, abgerufen am 17.05.2024.