Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


ab, sondern kömmt auch auf Verwandschaft und Anhängen der Luft an. Man darf also nicht mit Nollet schließen, die Luft habe gröbere Theile, als das Wasser, weil sie nicht durch nasses Leder geht.

An viele Körper hängt sich die Luft stark und häufig, und kan nur mit großer Schwierigkeit aus ihren Zwischenräumen gebracht werden. So ist das Holz gewöhnlich voll Luft. Auch in flüßigen Körpern, z. B. Wasser, Bier, Milch, Seifenwasser, hält sie sich in großer Menge auf, und steigt aus denselben, wenn man sie erwärmt, oder unter die Glocke der Luftpumpe bringt, in Blasen in die Höhe. Legt man Holz mit einer daran gebundnen Bleykugel unter Wasser, und pumpt die Luft darüber hinweg, so steigen diese Blasen in noch größerer Menge auf, und das Holz sinkt nach Anstellung dieses Versuchs im Wasser unter -- ein Zeichen, daß es bloß megen der Menge seiner mit Luft angefüllten Zwischenräume auf dem Wasser schwimmt. Selbst im Quecksilber hält sich Luft auf, und es kostet Mühe, sie herauszutreiben, s. Barometer. Auch nehmen Körper, welche von der Luft befreyt worden sind, dergleichen wieder in sich, wenn sie ihr eine Zeitlang ausgesetzt werden.

Außer dieser Luft in den Zwischenräumen der Körper (aer porositatis) nahm man sonst noch eine zu ihren Bestandtheilen selbst gehörige und mit ihnen gleichsam verkörperte Luft (aer mixtionis) an. Man sahe nemlich aus den meisten Körpern, wenn sie durch Säuren, Feuer u. dgl. zersetzt wurden, einen luftförmigen Stof hervorgehen, der oft einen viele hundertmal größern Raum einnahm, als der zersetzte Körper selbst. Eben darin besteht das bey Auflösungen so gewöhnliche Aufbrausen. Boyle, Hales u. a. glaubten, dieser Stof sey wesentlich luftartig, und mache, als ein solcher, einen Bestandtheil der Körper aus. Sie nannten ihn künstliche oder figirte, feste Luft (aer factitius, fixus), und als neuere Untersuchungen lehrten, daß es mehrere und sehr wesentlich unterschiedene Stoffe dieser Art gebe (s. Gas), so glaubten die meisten Physiker, diese Luftgattungen wären als ursprünglich luftartige


ab, ſondern koͤmmt auch auf Verwandſchaft und Anhaͤngen der Luft an. Man darf alſo nicht mit Nollet ſchließen, die Luft habe groͤbere Theile, als das Waſſer, weil ſie nicht durch naſſes Leder geht.

An viele Koͤrper haͤngt ſich die Luft ſtark und haͤufig, und kan nur mit großer Schwierigkeit aus ihren Zwiſchenraͤumen gebracht werden. So iſt das Holz gewoͤhnlich voll Luft. Auch in fluͤßigen Koͤrpern, z. B. Waſſer, Bier, Milch, Seifenwaſſer, haͤlt ſie ſich in großer Menge auf, und ſteigt aus denſelben, wenn man ſie erwaͤrmt, oder unter die Glocke der Luftpumpe bringt, in Blaſen in die Hoͤhe. Legt man Holz mit einer daran gebundnen Bleykugel unter Waſſer, und pumpt die Luft daruͤber hinweg, ſo ſteigen dieſe Blaſen in noch groͤßerer Menge auf, und das Holz ſinkt nach Anſtellung dieſes Verſuchs im Waſſer unter — ein Zeichen, daß es bloß megen der Menge ſeiner mit Luft angefuͤllten Zwiſchenraͤume auf dem Waſſer ſchwimmt. Selbſt im Queckſilber haͤlt ſich Luft auf, und es koſtet Muͤhe, ſie herauszutreiben, ſ. Barometer. Auch nehmen Koͤrper, welche von der Luft befreyt worden ſind, dergleichen wieder in ſich, wenn ſie ihr eine Zeitlang ausgeſetzt werden.

Außer dieſer Luft in den Zwiſchenraͤumen der Koͤrper (aër poroſitatis) nahm man ſonſt noch eine zu ihren Beſtandtheilen ſelbſt gehoͤrige und mit ihnen gleichſam verkoͤrperte Luft (aer mixtionis) an. Man ſahe nemlich aus den meiſten Koͤrpern, wenn ſie durch Saͤuren, Feuer u. dgl. zerſetzt wurden, einen luftfoͤrmigen Stof hervorgehen, der oft einen viele hundertmal groͤßern Raum einnahm, als der zerſetzte Koͤrper ſelbſt. Eben darin beſteht das bey Aufloͤſungen ſo gewoͤhnliche Aufbrauſen. Boyle, Hales u. a. glaubten, dieſer Stof ſey weſentlich luftartig, und mache, als ein ſolcher, einen Beſtandtheil der Koͤrper aus. Sie nannten ihn kuͤnſtliche oder figirte, feſte Luft (aër factitius, fixus), und als neuere Unterſuchungen lehrten, daß es mehrere und ſehr weſentlich unterſchiedene Stoffe dieſer Art gebe (ſ. Gas), ſo glaubten die meiſten Phyſiker, dieſe Luftgattungen waͤren als urſpruͤnglich luftartige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0033" xml:id="P.3.27" n="27"/><lb/>
ab, &#x017F;ondern ko&#x0364;mmt auch auf Verwand&#x017F;chaft und Anha&#x0364;ngen der Luft an. Man darf al&#x017F;o nicht mit <hi rendition="#b">Nollet</hi> &#x017F;chließen, die Luft habe gro&#x0364;bere Theile, als das Wa&#x017F;&#x017F;er, weil &#x017F;ie nicht durch na&#x017F;&#x017F;es Leder geht.</p>
            <p>An viele Ko&#x0364;rper ha&#x0364;ngt &#x017F;ich die Luft &#x017F;tark und ha&#x0364;ufig, und kan nur mit großer Schwierigkeit aus ihren Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen gebracht werden. So i&#x017F;t das Holz gewo&#x0364;hnlich voll Luft. Auch in flu&#x0364;ßigen Ko&#x0364;rpern, z. B. Wa&#x017F;&#x017F;er, Bier, Milch, Seifenwa&#x017F;&#x017F;er, ha&#x0364;lt &#x017F;ie &#x017F;ich in großer Menge auf, und &#x017F;teigt aus den&#x017F;elben, wenn man &#x017F;ie erwa&#x0364;rmt, oder unter die Glocke der Luftpumpe bringt, in Bla&#x017F;en in die Ho&#x0364;he. Legt man Holz mit einer daran gebundnen Bleykugel unter Wa&#x017F;&#x017F;er, und pumpt die Luft daru&#x0364;ber hinweg, &#x017F;o &#x017F;teigen die&#x017F;e Bla&#x017F;en in noch gro&#x0364;ßerer Menge auf, und das Holz &#x017F;inkt nach An&#x017F;tellung die&#x017F;es Ver&#x017F;uchs im Wa&#x017F;&#x017F;er unter &#x2014; ein Zeichen, daß es bloß megen der Menge &#x017F;einer mit Luft angefu&#x0364;llten Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chwimmt. Selb&#x017F;t im Queck&#x017F;ilber ha&#x0364;lt &#x017F;ich Luft auf, und es ko&#x017F;tet Mu&#x0364;he, &#x017F;ie herauszutreiben, &#x017F;. <hi rendition="#b">Barometer.</hi> Auch nehmen Ko&#x0364;rper, welche von der Luft befreyt worden &#x017F;ind, dergleichen wieder in &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie ihr eine Zeitlang ausge&#x017F;etzt werden.</p>
            <p><hi rendition="#b">Außer die&#x017F;er</hi> Luft in den Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen der Ko&#x0364;rper <hi rendition="#aq">(aër poro&#x017F;itatis)</hi> nahm man &#x017F;on&#x017F;t noch eine zu ihren Be&#x017F;tandtheilen &#x017F;elb&#x017F;t geho&#x0364;rige und mit ihnen gleich&#x017F;am <hi rendition="#b">verko&#x0364;rperte Luft</hi> <hi rendition="#aq">(aer mixtionis)</hi> an. Man &#x017F;ahe nemlich aus den mei&#x017F;ten Ko&#x0364;rpern, wenn &#x017F;ie durch Sa&#x0364;uren, Feuer u. dgl. zer&#x017F;etzt wurden, einen luftfo&#x0364;rmigen Stof hervorgehen, der oft einen viele hundertmal gro&#x0364;ßern Raum einnahm, als der zer&#x017F;etzte Ko&#x0364;rper &#x017F;elb&#x017F;t. Eben darin be&#x017F;teht das bey Auflo&#x0364;&#x017F;ungen &#x017F;o gewo&#x0364;hnliche <hi rendition="#b">Aufbrau&#x017F;en. Boyle, Hales</hi> u. a. glaubten, die&#x017F;er Stof &#x017F;ey we&#x017F;entlich luftartig, und mache, als ein &#x017F;olcher, einen Be&#x017F;tandtheil der Ko&#x0364;rper aus. Sie nannten ihn <hi rendition="#b">ku&#x0364;n&#x017F;tliche</hi> oder <hi rendition="#b">figirte, fe&#x017F;te Luft</hi> <hi rendition="#aq">(aër factitius, fixus),</hi> und als neuere Unter&#x017F;uchungen lehrten, daß es mehrere und &#x017F;ehr we&#x017F;entlich unter&#x017F;chiedene Stoffe die&#x017F;er Art gebe (&#x017F;. <hi rendition="#b">Gas</hi>), &#x017F;o glaubten die mei&#x017F;ten Phy&#x017F;iker, die&#x017F;e Luftgattungen wa&#x0364;ren als ur&#x017F;pru&#x0364;nglich luftartige<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0033] ab, ſondern koͤmmt auch auf Verwandſchaft und Anhaͤngen der Luft an. Man darf alſo nicht mit Nollet ſchließen, die Luft habe groͤbere Theile, als das Waſſer, weil ſie nicht durch naſſes Leder geht. An viele Koͤrper haͤngt ſich die Luft ſtark und haͤufig, und kan nur mit großer Schwierigkeit aus ihren Zwiſchenraͤumen gebracht werden. So iſt das Holz gewoͤhnlich voll Luft. Auch in fluͤßigen Koͤrpern, z. B. Waſſer, Bier, Milch, Seifenwaſſer, haͤlt ſie ſich in großer Menge auf, und ſteigt aus denſelben, wenn man ſie erwaͤrmt, oder unter die Glocke der Luftpumpe bringt, in Blaſen in die Hoͤhe. Legt man Holz mit einer daran gebundnen Bleykugel unter Waſſer, und pumpt die Luft daruͤber hinweg, ſo ſteigen dieſe Blaſen in noch groͤßerer Menge auf, und das Holz ſinkt nach Anſtellung dieſes Verſuchs im Waſſer unter — ein Zeichen, daß es bloß megen der Menge ſeiner mit Luft angefuͤllten Zwiſchenraͤume auf dem Waſſer ſchwimmt. Selbſt im Queckſilber haͤlt ſich Luft auf, und es koſtet Muͤhe, ſie herauszutreiben, ſ. Barometer. Auch nehmen Koͤrper, welche von der Luft befreyt worden ſind, dergleichen wieder in ſich, wenn ſie ihr eine Zeitlang ausgeſetzt werden. Außer dieſer Luft in den Zwiſchenraͤumen der Koͤrper (aër poroſitatis) nahm man ſonſt noch eine zu ihren Beſtandtheilen ſelbſt gehoͤrige und mit ihnen gleichſam verkoͤrperte Luft (aer mixtionis) an. Man ſahe nemlich aus den meiſten Koͤrpern, wenn ſie durch Saͤuren, Feuer u. dgl. zerſetzt wurden, einen luftfoͤrmigen Stof hervorgehen, der oft einen viele hundertmal groͤßern Raum einnahm, als der zerſetzte Koͤrper ſelbſt. Eben darin beſteht das bey Aufloͤſungen ſo gewoͤhnliche Aufbrauſen. Boyle, Hales u. a. glaubten, dieſer Stof ſey weſentlich luftartig, und mache, als ein ſolcher, einen Beſtandtheil der Koͤrper aus. Sie nannten ihn kuͤnſtliche oder figirte, feſte Luft (aër factitius, fixus), und als neuere Unterſuchungen lehrten, daß es mehrere und ſehr weſentlich unterſchiedene Stoffe dieſer Art gebe (ſ. Gas), ſo glaubten die meiſten Phyſiker, dieſe Luftgattungen waͤren als urſpruͤnglich luftartige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/33
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/33>, abgerufen am 23.11.2024.