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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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sich um eine feste Axe dreht, so sind diese beyden Punkte nicht allemal einerley.

Wallis hat das Wort in dem zuerst angeführten Sinne genommen, so wie auch die beyden Bernoullis: Euler (in Kobins erläuterter Artillerie, S. 182.) nimmt es im letztern. Wallis betrachtete aber blos den Stoß einer Ebene, die sich um eine in ihr selbst befindliche Axe dreht, in welchem Falle die Mittelpunkte des Stoßes und des Schwunges einerley sind. Er fand also eben die Formel, durch welche man den Mittelpunkt des Schwunges bestimmt. Dadurch hat sich Stone (Analyse des infiniment petits, trad. de l'Angl. par Rondet. Paris, 1735. 4. Sect. VII. p. 131.) verleiten lassen, beyde Mittelpunkte überhaupt für einerley anzunehmen, welches auch sogar Jacob Bernoulli (Opp. To. II. n. C. p. 951.) behauptet. Johann Bernoulli aber (Opp. To. IV. n. 170. p. 180. sq.) erinnert sehr richtig, daß diese Uebereinstimmung nur zufällig sey, und blos sür einige besondere Fälle statt finde. Ausführlicher trägt die Theorie von den Mittelpunkten des Stoßes Karsten (Lehrbegriff der gesammten Math. IV. Theil, Mechanik, im XVIII. Abschnitte) vor.

Mittelpunkt der Umdrehung

Centrum rotationis, Centre de rotation. Derjenige Punkt, um welchen sich ein Körper drehet. In den meisten Fällen kan man das so nennen, was sonst Mittelpunkt der Bewegung heißt, z. B. den Ruhepunkt, um den sich der Hebel dreht, den Aufhängungspunkt, um den das Pendel schwingt, u. s. w.

In einer besondern Bedeutung aber heißt freywilliger Mittelpunkt der Umdrehung (centrum rotationis spontaneum, centre spontane de rotation) derjenige Punkt, welcher unbewegt bleibt, und um welchen sich der Körper zu drehen anfängt, wenn er eineh eccentrischen Stoß erhält, d. i. einen solchen, dessen Richtung nicht durch den Schwerpunkt geht. Durch einen solchen Stoß nehmlich erhält der Körper nicht allein eine fortgehende Bewegung (motum progressiuum) aller seiner Theile, sondern auch


ſich um eine feſte Axe dreht, ſo ſind dieſe beyden Punkte nicht allemal einerley.

Wallis hat das Wort in dem zuerſt angefuͤhrten Sinne genommen, ſo wie auch die beyden Bernoullis: Euler (in Kobins erlaͤuterter Artillerie, S. 182.) nimmt es im letztern. Wallis betrachtete aber blos den Stoß einer Ebene, die ſich um eine in ihr ſelbſt befindliche Axe dreht, in welchem Falle die Mittelpunkte des Stoßes und des Schwunges einerley ſind. Er fand alſo eben die Formel, durch welche man den Mittelpunkt des Schwunges beſtimmt. Dadurch hat ſich Stone (Analyſe des infiniment petits, trad. de l'Angl. par Rondet. Paris, 1735. 4. Sect. VII. p. 131.) verleiten laſſen, beyde Mittelpunkte uͤberhaupt fuͤr einerley anzunehmen, welches auch ſogar Jacob Bernoulli (Opp. To. II. n. C. p. 951.) behauptet. Johann Bernoulli aber (Opp. To. IV. n. 170. p. 180. ſq.) erinnert ſehr richtig, daß dieſe Uebereinſtimmung nur zufaͤllig ſey, und blos ſuͤr einige beſondere Faͤlle ſtatt finde. Ausfuͤhrlicher traͤgt die Theorie von den Mittelpunkten des Stoßes Karſten (Lehrbegriff der geſammten Math. IV. Theil, Mechanik, im XVIII. Abſchnitte) vor.

Mittelpunkt der Umdrehung

Centrum rotationis, Centre de rotation. Derjenige Punkt, um welchen ſich ein Koͤrper drehet. In den meiſten Faͤllen kan man das ſo nennen, was ſonſt Mittelpunkt der Bewegung heißt, z. B. den Ruhepunkt, um den ſich der Hebel dreht, den Aufhaͤngungspunkt, um den das Pendel ſchwingt, u. ſ. w.

In einer beſondern Bedeutung aber heißt freywilliger Mittelpunkt der Umdrehung (centrum rotationis ſpontaneum, centre ſpontané de rotation) derjenige Punkt, welcher unbewegt bleibt, und um welchen ſich der Koͤrper zu drehen anfaͤngt, wenn er eineh eccentriſchen Stoß erhaͤlt, d. i. einen ſolchen, deſſen Richtung nicht durch den Schwerpunkt geht. Durch einen ſolchen Stoß nehmlich erhaͤlt der Koͤrper nicht allein eine fortgehende Bewegung (motum progreſſiuum) aller ſeiner Theile, ſondern auch

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[258/0264] ſich um eine feſte Axe dreht, ſo ſind dieſe beyden Punkte nicht allemal einerley. Wallis hat das Wort in dem zuerſt angefuͤhrten Sinne genommen, ſo wie auch die beyden Bernoullis: Euler (in Kobins erlaͤuterter Artillerie, S. 182.) nimmt es im letztern. Wallis betrachtete aber blos den Stoß einer Ebene, die ſich um eine in ihr ſelbſt befindliche Axe dreht, in welchem Falle die Mittelpunkte des Stoßes und des Schwunges einerley ſind. Er fand alſo eben die Formel, durch welche man den Mittelpunkt des Schwunges beſtimmt. Dadurch hat ſich Stone (Analyſe des infiniment petits, trad. de l'Angl. par Rondet. Paris, 1735. 4. Sect. VII. p. 131.) verleiten laſſen, beyde Mittelpunkte uͤberhaupt fuͤr einerley anzunehmen, welches auch ſogar Jacob Bernoulli (Opp. To. II. n. C. p. 951.) behauptet. Johann Bernoulli aber (Opp. To. IV. n. 170. p. 180. ſq.) erinnert ſehr richtig, daß dieſe Uebereinſtimmung nur zufaͤllig ſey, und blos ſuͤr einige beſondere Faͤlle ſtatt finde. Ausfuͤhrlicher traͤgt die Theorie von den Mittelpunkten des Stoßes Karſten (Lehrbegriff der geſammten Math. IV. Theil, Mechanik, im XVIII. Abſchnitte) vor. Mittelpunkt der Umdrehung Centrum rotationis, Centre de rotation. Derjenige Punkt, um welchen ſich ein Koͤrper drehet. In den meiſten Faͤllen kan man das ſo nennen, was ſonſt Mittelpunkt der Bewegung heißt, z. B. den Ruhepunkt, um den ſich der Hebel dreht, den Aufhaͤngungspunkt, um den das Pendel ſchwingt, u. ſ. w. In einer beſondern Bedeutung aber heißt freywilliger Mittelpunkt der Umdrehung (centrum rotationis ſpontaneum, centre ſpontané de rotation) derjenige Punkt, welcher unbewegt bleibt, und um welchen ſich der Koͤrper zu drehen anfaͤngt, wenn er eineh eccentriſchen Stoß erhaͤlt, d. i. einen ſolchen, deſſen Richtung nicht durch den Schwerpunkt geht. Durch einen ſolchen Stoß nehmlich erhaͤlt der Koͤrper nicht allein eine fortgehende Bewegung (motum progreſſiuum) aller ſeiner Theile, ſondern auch

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/264>, abgerufen am 13.05.2024.