Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.Man muß aber bedenken, daß kleine Sachen, in der Nähe betrachtet, schon dem bloßen Auge sehr groß erscheinen würden, wenn man sie nur nahe genug bringen könnte, ohne Undeutlichkeit zu verursachen. Es giebt eine gewisse Weite des deutlichen Sehens (distantia visionis distinctae), die eigentlich für jedes Auge eine andere ist, im Durchschnitte aber für die meisten Augen auf 8 Zoll gesetzt werden kan. Ist nun cF, oder die Brennweite des Glases, weit unter 8 Zoll, so wird das bloße Auge, in c gesetzt, den Gegenstand CD unter einem ungemein großen Sehewinkel, freylich aber sehr undeutlich, sehen. Setzt man hingegen das Glas in c, so sieht das Auge in O die Sache, unter eben dem ungemein großen Sehewinkel, nunmehr deutlich. Die Wirkung des Glases ist also die, daß man die Sache viel näher, als an das bloße Auge, rücken, und doch deutlich sehen kan. In der Figur z. B. sieht man sie so groß, als ob sie um die Weite Fc vom Auge abstünde, da man sie mit dem bloßen Auge nicht näher, als in der Weite von 8 Zollen, betrachten könnte. Da sich nun kleine Sehewinkel umgekehrt, wie die Abstände der Sache vom Auge verhalten, s. Sehewinkel, so verhält sich die scheinbare Größe, die das Mikroskop zeigt, zu der, die das bloße Auge sieht, wie 8 Zoll zu Fc; oder die Vergroßetung (worunter hier das Verhältniß des Winkels gOd zu dem, unter welchem CD im Abstande von 8 Zollen erscheint, verstanden wird) ist = (8 Zoll/Fc) d. i. gleich der Weite des deutlichen Sehens, dividirt durch die Brennweite der Linse. In diesem Sinne vergrößert ein einfaches Mikroskop desto stärker, je kürzer seine Brennweite ist. Ein Glas, das eine Brennweite von 1/20 Zoll hat, wird 160mal vergrößern. Es verstattet nemlich, die Sache so zu betrachten, als ob sie dem Auge 160mal näher stünde, als gewöhnlich, und sie doch deutlich zu sehen. Das Gesichtsfeld hiebey hat einen Halbmesser, der dem scheinbaren Halbmesser der Oefnung des Glases gOF gleich ist. Weil nun dieser desto mehr wächst, je näher Man muß aber bedenken, daß kleine Sachen, in der Naͤhe betrachtet, ſchon dem bloßen Auge ſehr groß erſcheinen wuͤrden, wenn man ſie nur nahe genug bringen koͤnnte, ohne Undeutlichkeit zu verurſachen. Es giebt eine gewiſſe Weite des deutlichen Sehens (diſtantia viſionis diſtinctae), die eigentlich fuͤr jedes Auge eine andere iſt, im Durchſchnitte aber fuͤr die meiſten Augen auf 8 Zoll geſetzt werden kan. Iſt nun cF, oder die Brennweite des Glaſes, weit unter 8 Zoll, ſo wird das bloße Auge, in c geſetzt, den Gegenſtand CD unter einem ungemein großen Sehewinkel, freylich aber ſehr undeutlich, ſehen. Setzt man hingegen das Glas in c, ſo ſieht das Auge in O die Sache, unter eben dem ungemein großen Sehewinkel, nunmehr deutlich. Die Wirkung des Glaſes iſt alſo die, daß man die Sache viel naͤher, als an das bloße Auge, ruͤcken, und doch deutlich ſehen kan. In der Figur z. B. ſieht man ſie ſo groß, als ob ſie um die Weite Fc vom Auge abſtuͤnde, da man ſie mit dem bloßen Auge nicht naͤher, als in der Weite von 8 Zollen, betrachten koͤnnte. Da ſich nun kleine Sehewinkel umgekehrt, wie die Abſtaͤnde der Sache vom Auge verhalten, ſ. Sehewinkel, ſo verhaͤlt ſich die ſcheinbare Groͤße, die das Mikroſkop zeigt, zu der, die das bloße Auge ſieht, wie 8 Zoll zu Fc; oder die Vergroßetung (worunter hier das Verhaͤltniß des Winkels γOδ zu dem, unter welchem CD im Abſtande von 8 Zollen erſcheint, verſtanden wird) iſt = (8 Zoll/Fc) d. i. gleich der Weite des deutlichen Sehens, dividirt durch die Brennweite der Linſe. In dieſem Sinne vergroͤßert ein einfaches Mikroſkop deſto ſtaͤrker, je kuͤrzer ſeine Brennweite iſt. Ein Glas, das eine Brennweite von 1/20 Zoll hat, wird 160mal vergroͤßern. Es verſtattet nemlich, die Sache ſo zu betrachten, als ob ſie dem Auge 160mal naͤher ſtuͤnde, als gewoͤhnlich, und ſie doch deutlich zu ſehen. Das Geſichtsfeld hiebey hat einen Halbmeſſer, der dem ſcheinbaren Halbmeſſer der Oefnung des Glaſes γOF gleich iſt. Weil nun dieſer deſto mehr waͤchſt, je naͤher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0224" xml:id="P.3.218" n="218"/><lb/> </p> <p>Man muß aber bedenken, daß kleine Sachen, in der Naͤhe betrachtet, ſchon dem bloßen Auge ſehr groß erſcheinen wuͤrden, wenn man ſie nur nahe genug bringen koͤnnte, ohne Undeutlichkeit zu verurſachen. Es giebt eine gewiſſe <hi rendition="#b">Weite des deutlichen Sehens</hi> <hi rendition="#aq">(diſtantia viſionis diſtinctae),</hi> die eigentlich fuͤr jedes Auge eine andere iſt, im Durchſchnitte aber fuͤr die meiſten Augen auf 8 Zoll geſetzt werden kan. Iſt nun <hi rendition="#aq">cF,</hi> oder die Brennweite des Glaſes, weit unter 8 Zoll, ſo wird das bloße Auge, in <hi rendition="#aq">c</hi> geſetzt, den Gegenſtand <hi rendition="#aq">CD</hi> unter einem ungemein großen Sehewinkel, freylich aber ſehr undeutlich, ſehen. Setzt man hingegen das Glas in <hi rendition="#aq">c,</hi> ſo ſieht das Auge in <hi rendition="#aq">O</hi> die Sache, unter eben dem ungemein großen Sehewinkel, nunmehr deutlich. Die Wirkung des Glaſes iſt alſo die, daß man die Sache viel naͤher, als an das bloße Auge, ruͤcken, und doch deutlich ſehen kan. In der Figur z. B. ſieht man ſie ſo groß, als ob ſie um die Weite <hi rendition="#aq">Fc</hi> vom Auge abſtuͤnde, da man ſie mit dem bloßen Auge nicht naͤher, als in der Weite von 8 Zollen, betrachten koͤnnte. Da ſich nun kleine Sehewinkel umgekehrt, wie die Abſtaͤnde der Sache vom Auge verhalten, ſ. <hi rendition="#b">Sehewinkel,</hi> ſo verhaͤlt ſich die ſcheinbare Groͤße, die das Mikroſkop zeigt, zu der, die das bloße Auge ſieht, wie 8 Zoll zu <hi rendition="#aq">Fc;</hi> oder die <hi rendition="#b">Vergroßetung</hi> (worunter hier das Verhaͤltniß des Winkels <foreign xml:lang="grc">γ</foreign><hi rendition="#aq">O</hi><foreign xml:lang="grc">δ</foreign> zu dem, unter welchem <hi rendition="#aq">CD</hi> im Abſtande von 8 Zollen erſcheint, verſtanden wird) iſt = (8 Zoll/<hi rendition="#aq">Fc</hi>) d. i. gleich der Weite des deutlichen Sehens, dividirt durch die Brennweite der Linſe.</p> <p>In dieſem Sinne vergroͤßert ein einfaches Mikroſkop deſto ſtaͤrker, je kuͤrzer ſeine Brennweite iſt. Ein Glas, das eine Brennweite von 1/20 Zoll hat, wird 160mal vergroͤßern. Es verſtattet nemlich, die Sache ſo zu betrachten, als ob ſie dem Auge 160mal naͤher ſtuͤnde, als gewoͤhnlich, und ſie doch deutlich zu ſehen.</p> <p>Das Geſichtsfeld hiebey hat einen Halbmeſſer, der dem ſcheinbaren Halbmeſſer der Oefnung des Glaſes <foreign xml:lang="grc">γ</foreign><hi rendition="#aq">OF</hi> gleich iſt. Weil nun dieſer deſto mehr waͤchſt, je naͤher<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0224]
Man muß aber bedenken, daß kleine Sachen, in der Naͤhe betrachtet, ſchon dem bloßen Auge ſehr groß erſcheinen wuͤrden, wenn man ſie nur nahe genug bringen koͤnnte, ohne Undeutlichkeit zu verurſachen. Es giebt eine gewiſſe Weite des deutlichen Sehens (diſtantia viſionis diſtinctae), die eigentlich fuͤr jedes Auge eine andere iſt, im Durchſchnitte aber fuͤr die meiſten Augen auf 8 Zoll geſetzt werden kan. Iſt nun cF, oder die Brennweite des Glaſes, weit unter 8 Zoll, ſo wird das bloße Auge, in c geſetzt, den Gegenſtand CD unter einem ungemein großen Sehewinkel, freylich aber ſehr undeutlich, ſehen. Setzt man hingegen das Glas in c, ſo ſieht das Auge in O die Sache, unter eben dem ungemein großen Sehewinkel, nunmehr deutlich. Die Wirkung des Glaſes iſt alſo die, daß man die Sache viel naͤher, als an das bloße Auge, ruͤcken, und doch deutlich ſehen kan. In der Figur z. B. ſieht man ſie ſo groß, als ob ſie um die Weite Fc vom Auge abſtuͤnde, da man ſie mit dem bloßen Auge nicht naͤher, als in der Weite von 8 Zollen, betrachten koͤnnte. Da ſich nun kleine Sehewinkel umgekehrt, wie die Abſtaͤnde der Sache vom Auge verhalten, ſ. Sehewinkel, ſo verhaͤlt ſich die ſcheinbare Groͤße, die das Mikroſkop zeigt, zu der, die das bloße Auge ſieht, wie 8 Zoll zu Fc; oder die Vergroßetung (worunter hier das Verhaͤltniß des Winkels γOδ zu dem, unter welchem CD im Abſtande von 8 Zollen erſcheint, verſtanden wird) iſt = (8 Zoll/Fc) d. i. gleich der Weite des deutlichen Sehens, dividirt durch die Brennweite der Linſe.
In dieſem Sinne vergroͤßert ein einfaches Mikroſkop deſto ſtaͤrker, je kuͤrzer ſeine Brennweite iſt. Ein Glas, das eine Brennweite von 1/20 Zoll hat, wird 160mal vergroͤßern. Es verſtattet nemlich, die Sache ſo zu betrachten, als ob ſie dem Auge 160mal naͤher ſtuͤnde, als gewoͤhnlich, und ſie doch deutlich zu ſehen.
Das Geſichtsfeld hiebey hat einen Halbmeſſer, der dem ſcheinbaren Halbmeſſer der Oefnung des Glaſes γOF gleich iſt. Weil nun dieſer deſto mehr waͤchſt, je naͤher
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |