Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Unter den Meerbusen ist der größte und merkwürdigste das mittelländische Meer (Mare mediterraneum), welches sich zwischen Europa, Afrika und Asien über 50 Grad weit ins Land hineinstreckt, und nur durch die enge Straße bey Gibraltar mit dem atlantischen Ocean zusammenhängt. Es wird seiner ansehnlichen Größe wegen wiederum in verschiedene Theile getheilt, wovon wir nur das adriatische, das ägeische Meer, das Mare di Marmora (Propontis) und das schwarze Meer (Pontus Euxinus s. mare nigrum) bemerken wollen. Das letztere ist mit dem Mare di Marmora durch die Straße bey Constontincpel (Bosphorus thracicus), und dieses mit dem ägeischen Meere durch den Hellespont oder die Dardanellen verbunden. Durch die Meerenge bey Gibraltar geht in der Mitte ein beständiger Strom aus dem atlantischen Meere in das mittelländische; auf den Seiten aber geht er zweymal im Tage ein und zurück. Auch das schwarze Meer strömt durch den Bosphorus und die Dardanellen ein, und führt das Wasser der großen Flüsse, die es aufnimmt, dem mittelländischen Meere zu. Außerdem ergießen sich in dieses Meer noch eine Menge ansehnlicher Ströme, ohne daß man irgendwo einen Ausfluß ins Weltmeer oder ein bleibendes Anwachsen des Wassers wahrnimmt. Es entsteht also die Frage, wo dieses Wasser bleibe? Rircher (Mund. subterran. To. I.) glaubt, es werde durch unterirdische Gänge, besonders unter der Landenge zwischen Afrika und Asien, abgeführt; Halley (Miscellan. curiosa, To. I.) und Buffon (Hist. naturelle, To. I. p. 399.) hingegen lassen es burch die Ausdünstung hinweggehen, wobey Popowitsch (Untersuchungen vom Meere, Frf. u. Leipz. 1750. 4.) noch die unterirdische Wärme zu Hülfe nimmt. Alle diese Schriftsteller aber setzen bey ihren Berechnungen die Menge des einströmenden Wassers bey weitem zu gering an. Nach Bergmanns Ueberschlage führt der Strom in der Meerenge bey Gibraltar soviel Wasser ein, daß dadurch die Oberfläche des mittelländischen Meeres in einem Jahre gegen 22 Fuß hüper werden
Unter den Meerbuſen iſt der groͤßte und merkwuͤrdigſte das mittellaͤndiſche Meer (Mare mediterraneum), welches ſich zwiſchen Europa, Afrika und Aſien uͤber 50 Grad weit ins Land hineinſtreckt, und nur durch die enge Straße bey Gibraltar mit dem atlantiſchen Ocean zuſammenhaͤngt. Es wird ſeiner anſehnlichen Groͤße wegen wiederum in verſchiedene Theile getheilt, wovon wir nur das adriatiſche, das aͤgeiſche Meer, das Mare di Marmora (Propontis) und das ſchwarze Meer (Pontus Euxinus ſ. mare nigrum) bemerken wollen. Das letztere iſt mit dem Mare di Marmora durch die Straße bey Conſtontincpel (Boſphorus thracicus), und dieſes mit dem aͤgeiſchen Meere durch den Helleſpont oder die Dardanellen verbunden. Durch die Meerenge bey Gibraltar geht in der Mitte ein beſtaͤndiger Strom aus dem atlantiſchen Meere in das mittellaͤndiſche; auf den Seiten aber geht er zweymal im Tage ein und zuruͤck. Auch das ſchwarze Meer ſtroͤmt durch den Boſphorus und die Dardanellen ein, und fuͤhrt das Waſſer der großen Fluͤſſe, die es aufnimmt, dem mittellaͤndiſchen Meere zu. Außerdem ergießen ſich in dieſes Meer noch eine Menge anſehnlicher Stroͤme, ohne daß man irgendwo einen Ausfluß ins Weltmeer oder ein bleibendes Anwachſen des Waſſers wahrnimmt. Es entſteht alſo die Frage, wo dieſes Waſſer bleibe? Rircher (Mund. ſubterran. To. I.) glaubt, es werde durch unterirdiſche Gaͤnge, beſonders unter der Landenge zwiſchen Afrika und Aſien, abgefuͤhrt; Halley (Miſcellan. curioſa, To. I.) und Buffon (Hiſt. naturelle, To. I. p. 399.) hingegen laſſen es burch die Ausduͤnſtung hinweggehen, wobey Popowitſch (Unterſuchungen vom Meere, Frf. u. Leipz. 1750. 4.) noch die unterirdiſche Waͤrme zu Huͤlfe nimmt. Alle dieſe Schriftſteller aber ſetzen bey ihren Berechnungen die Menge des einſtroͤmenden Waſſers bey weitem zu gering an. Nach Bergmanns Ueberſchlage fuͤhrt der Strom in der Meerenge bey Gibraltar ſoviel Waſſer ein, daß dadurch die Oberflaͤche des mittellaͤndiſchen Meeres in einem Jahre gegen 22 Fuß huͤper werden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0181" xml:id="P.3.175" n="175"/><lb/> Aſien; endlich das indiſche <hi rendition="#b">Meer</hi> <hi rendition="#aq">(Oceanus indicus)</hi> geht von Aſiens ſuͤdlichſten Kuͤſten gegen den Suͤdpol herab.</p> <p>Unter den Meerbuſen iſt der groͤßte und merkwuͤrdigſte das <hi rendition="#b">mittellaͤndiſche Meer</hi> <hi rendition="#aq">(Mare mediterraneum),</hi> welches ſich zwiſchen Europa, Afrika und Aſien uͤber 50 Grad weit ins Land hineinſtreckt, und nur durch die enge Straße bey Gibraltar mit dem atlantiſchen Ocean zuſammenhaͤngt. Es wird ſeiner anſehnlichen Groͤße wegen wiederum in verſchiedene Theile getheilt, wovon wir nur das <hi rendition="#b">adriatiſche,</hi> das aͤgeiſche <hi rendition="#b">Meer,</hi> das <hi rendition="#b">Mare di Marmora</hi> <hi rendition="#aq">(Propontis)</hi> und das <hi rendition="#b">ſchwarze Meer</hi> <hi rendition="#aq">(Pontus Euxinus ſ. mare nigrum)</hi> bemerken wollen. Das letztere iſt mit dem Mare di Marmora durch die Straße bey Conſtontincpel <hi rendition="#aq">(Boſphorus thracicus),</hi> und dieſes mit dem aͤgeiſchen Meere durch den <hi rendition="#b">Helleſpont</hi> oder die <hi rendition="#b">Dardanellen</hi> verbunden.</p> <p>Durch die Meerenge bey Gibraltar geht in der Mitte ein beſtaͤndiger Strom aus dem atlantiſchen Meere in das mittellaͤndiſche; auf den Seiten aber geht er zweymal im Tage ein und zuruͤck. Auch das ſchwarze Meer ſtroͤmt durch den Boſphorus und die Dardanellen ein, und fuͤhrt das Waſſer der großen Fluͤſſe, die es aufnimmt, dem mittellaͤndiſchen Meere zu. Außerdem ergießen ſich in dieſes Meer noch eine Menge anſehnlicher Stroͤme, ohne daß man irgendwo einen Ausfluß ins Weltmeer oder ein bleibendes Anwachſen des Waſſers wahrnimmt. Es entſteht alſo die Frage, wo dieſes Waſſer bleibe? <hi rendition="#b">Rircher</hi> <hi rendition="#aq">(Mund. ſubterran. To. I.)</hi> glaubt, es werde durch unterirdiſche Gaͤnge, beſonders unter der Landenge zwiſchen Afrika und Aſien, abgefuͤhrt; <hi rendition="#b">Halley</hi> <hi rendition="#aq">(Miſcellan. curioſa, To. I.)</hi> und <hi rendition="#b">Buffon</hi> <hi rendition="#aq">(Hiſt. naturelle, To. I. p. 399.)</hi> hingegen laſſen es burch die Ausduͤnſtung hinweggehen, wobey <hi rendition="#b">Popowitſch</hi> (Unterſuchungen vom Meere, Frf. u. Leipz. 1750. 4.) noch die unterirdiſche Waͤrme zu Huͤlfe nimmt. Alle dieſe Schriftſteller aber ſetzen bey ihren Berechnungen die Menge des einſtroͤmenden Waſſers bey weitem zu gering an. Nach <hi rendition="#b">Bergmanns</hi> Ueberſchlage fuͤhrt der Strom in der Meerenge bey Gibraltar ſoviel Waſſer ein, daß dadurch die Oberflaͤche des mittellaͤndiſchen Meeres in einem Jahre gegen 22 Fuß huͤper werden<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0181]
Aſien; endlich das indiſche Meer (Oceanus indicus) geht von Aſiens ſuͤdlichſten Kuͤſten gegen den Suͤdpol herab.
Unter den Meerbuſen iſt der groͤßte und merkwuͤrdigſte das mittellaͤndiſche Meer (Mare mediterraneum), welches ſich zwiſchen Europa, Afrika und Aſien uͤber 50 Grad weit ins Land hineinſtreckt, und nur durch die enge Straße bey Gibraltar mit dem atlantiſchen Ocean zuſammenhaͤngt. Es wird ſeiner anſehnlichen Groͤße wegen wiederum in verſchiedene Theile getheilt, wovon wir nur das adriatiſche, das aͤgeiſche Meer, das Mare di Marmora (Propontis) und das ſchwarze Meer (Pontus Euxinus ſ. mare nigrum) bemerken wollen. Das letztere iſt mit dem Mare di Marmora durch die Straße bey Conſtontincpel (Boſphorus thracicus), und dieſes mit dem aͤgeiſchen Meere durch den Helleſpont oder die Dardanellen verbunden.
Durch die Meerenge bey Gibraltar geht in der Mitte ein beſtaͤndiger Strom aus dem atlantiſchen Meere in das mittellaͤndiſche; auf den Seiten aber geht er zweymal im Tage ein und zuruͤck. Auch das ſchwarze Meer ſtroͤmt durch den Boſphorus und die Dardanellen ein, und fuͤhrt das Waſſer der großen Fluͤſſe, die es aufnimmt, dem mittellaͤndiſchen Meere zu. Außerdem ergießen ſich in dieſes Meer noch eine Menge anſehnlicher Stroͤme, ohne daß man irgendwo einen Ausfluß ins Weltmeer oder ein bleibendes Anwachſen des Waſſers wahrnimmt. Es entſteht alſo die Frage, wo dieſes Waſſer bleibe? Rircher (Mund. ſubterran. To. I.) glaubt, es werde durch unterirdiſche Gaͤnge, beſonders unter der Landenge zwiſchen Afrika und Aſien, abgefuͤhrt; Halley (Miſcellan. curioſa, To. I.) und Buffon (Hiſt. naturelle, To. I. p. 399.) hingegen laſſen es burch die Ausduͤnſtung hinweggehen, wobey Popowitſch (Unterſuchungen vom Meere, Frf. u. Leipz. 1750. 4.) noch die unterirdiſche Waͤrme zu Huͤlfe nimmt. Alle dieſe Schriftſteller aber ſetzen bey ihren Berechnungen die Menge des einſtroͤmenden Waſſers bey weitem zu gering an. Nach Bergmanns Ueberſchlage fuͤhrt der Strom in der Meerenge bey Gibraltar ſoviel Waſſer ein, daß dadurch die Oberflaͤche des mittellaͤndiſchen Meeres in einem Jahre gegen 22 Fuß huͤper werden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |