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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Aus dem Angeführten ist leicht zu übersehen, daß die reine Mathematik eine für den Naturforscher ganz unentbehrliche Hülfswissenschaft sey. Die Frage: wie groß? mischt sich auf eine unvermeidliche Art in alle Beobachtungen und Versuche, auf welchen doch die richtige Naturlehre ganz allein beruhen muß. Und selbst bey Erforschung der Ursachen geben Verhältnisse und Vergleichungen der Größen den besten Leitsaden ab: Größe der Wirkung läßt uns auf die Größe der Ursache schließen, und entdeckt dadurch oft die Natur und Beschaffenheit der Ursache selbst. Daher muß die Erfahrung, und die auf Erfahrung gegründete Physik, sters von der Mathematik geleitet werden.

Die Hauptabschnitte der angewandten Mathematik sind wirklich Theile der Naturlehre selbst, die man nur wegen der Weitläuftigkeit des Gegenstands als besondere Wissenschaften zu behandeln pflegt, die sich aber nie ganz von der Physik trennen lassen, wenn anders diese Wissenschaft aus etwas mehr, als einigen unvollkommnen und übel verbundenen Vruchstücken bestehen soll. Es ist schwer, die Grenzen zu bestimmen, welche man bey einem zweckmäßigen Vortrage der Naturlehre zwischen ihr und der angewandten Mathematik zu ziehen hat. Viele ältere Lehrbücher der Physik tragen fast nichts, als mathematische Lehren vor, und vernachläßigen darüber die chymischen Untersuchungen, welche doch eben sowohl einen wesentlichen Theil der Naturlehre ausmachen, gänzlich. So gemiß es ist, daß sich in vielen Fällen die angewandte Mathematik von der Physik gar nicht trennen läßt, so kan doch auch die letztere nicht ganz allein auf mathematische Betrachtungen eingeschränkt werden, aus denen wir nur die Größe und das Maaß der Wirkungen, nicht aber ihre innern Ursachen und Beschaffenheiten kennen lernen. Schon Baco erinnerte im neuen Organon: "naturalem philosophiam infe"ctam esse et corruptam in secunda schola Platonis, Pro"cli et aliorum per Mathematicam, quae terminare eam, "non generare aut procreare debeat." Herr Karsten (Vom eigenthümlichen Geblet der Naturlehre, in s. phys.


Aus dem Angefuͤhrten iſt leicht zu uͤberſehen, daß die reine Mathematik eine fuͤr den Naturforſcher ganz unentbehrliche Huͤlfswiſſenſchaft ſey. Die Frage: wie groß? miſcht ſich auf eine unvermeidliche Art in alle Beobachtungen und Verſuche, auf welchen doch die richtige Naturlehre ganz allein beruhen muß. Und ſelbſt bey Erforſchung der Urſachen geben Verhaͤltniſſe und Vergleichungen der Groͤßen den beſten Leitſaden ab: Groͤße der Wirkung laͤßt uns auf die Groͤße der Urſache ſchließen, und entdeckt dadurch oft die Natur und Beſchaffenheit der Urſache ſelbſt. Daher muß die Erfahrung, und die auf Erfahrung gegruͤndete Phyſik, ſters von der Mathematik geleitet werden.

Die Hauptabſchnitte der angewandten Mathematik ſind wirklich Theile der Naturlehre ſelbſt, die man nur wegen der Weitlaͤuftigkeit des Gegenſtands als beſondere Wiſſenſchaften zu behandeln pflegt, die ſich aber nie ganz von der Phyſik trennen laſſen, wenn anders dieſe Wiſſenſchaft aus etwas mehr, als einigen unvollkommnen und uͤbel verbundenen Vruchſtuͤcken beſtehen ſoll. Es iſt ſchwer, die Grenzen zu beſtimmen, welche man bey einem zweckmaͤßigen Vortrage der Naturlehre zwiſchen ihr und der angewandten Mathematik zu ziehen hat. Viele aͤltere Lehrbuͤcher der Phyſik tragen faſt nichts, als mathematiſche Lehren vor, und vernachlaͤßigen daruͤber die chymiſchen Unterſuchungen, welche doch eben ſowohl einen weſentlichen Theil der Naturlehre ausmachen, gaͤnzlich. So gemiß es iſt, daß ſich in vielen Faͤllen die angewandte Mathematik von der Phyſik gar nicht trennen laͤßt, ſo kan doch auch die letztere nicht ganz allein auf mathematiſche Betrachtungen eingeſchraͤnkt werden, aus denen wir nur die Groͤße und das Maaß der Wirkungen, nicht aber ihre innern Urſachen und Beſchaffenheiten kennen lernen. Schon Baco erinnerte im neuen Organon: ”naturalem philoſophiam infe”ctam eſſe et corruptam in ſecunda ſchola Platonis, Pro”cli et aliorum per Mathematicam, quae terminare eam, ”non generare aut procreare debeat.“ Herr Karſten (Vom eigenthuͤmlichen Geblet der Naturlehre, in ſ. phyſ.

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[160/0166] Aus dem Angefuͤhrten iſt leicht zu uͤberſehen, daß die reine Mathematik eine fuͤr den Naturforſcher ganz unentbehrliche Huͤlfswiſſenſchaft ſey. Die Frage: wie groß? miſcht ſich auf eine unvermeidliche Art in alle Beobachtungen und Verſuche, auf welchen doch die richtige Naturlehre ganz allein beruhen muß. Und ſelbſt bey Erforſchung der Urſachen geben Verhaͤltniſſe und Vergleichungen der Groͤßen den beſten Leitſaden ab: Groͤße der Wirkung laͤßt uns auf die Groͤße der Urſache ſchließen, und entdeckt dadurch oft die Natur und Beſchaffenheit der Urſache ſelbſt. Daher muß die Erfahrung, und die auf Erfahrung gegruͤndete Phyſik, ſters von der Mathematik geleitet werden. Die Hauptabſchnitte der angewandten Mathematik ſind wirklich Theile der Naturlehre ſelbſt, die man nur wegen der Weitlaͤuftigkeit des Gegenſtands als beſondere Wiſſenſchaften zu behandeln pflegt, die ſich aber nie ganz von der Phyſik trennen laſſen, wenn anders dieſe Wiſſenſchaft aus etwas mehr, als einigen unvollkommnen und uͤbel verbundenen Vruchſtuͤcken beſtehen ſoll. Es iſt ſchwer, die Grenzen zu beſtimmen, welche man bey einem zweckmaͤßigen Vortrage der Naturlehre zwiſchen ihr und der angewandten Mathematik zu ziehen hat. Viele aͤltere Lehrbuͤcher der Phyſik tragen faſt nichts, als mathematiſche Lehren vor, und vernachlaͤßigen daruͤber die chymiſchen Unterſuchungen, welche doch eben ſowohl einen weſentlichen Theil der Naturlehre ausmachen, gaͤnzlich. So gemiß es iſt, daß ſich in vielen Faͤllen die angewandte Mathematik von der Phyſik gar nicht trennen laͤßt, ſo kan doch auch die letztere nicht ganz allein auf mathematiſche Betrachtungen eingeſchraͤnkt werden, aus denen wir nur die Groͤße und das Maaß der Wirkungen, nicht aber ihre innern Urſachen und Beſchaffenheiten kennen lernen. Schon Baco erinnerte im neuen Organon: ”naturalem philoſophiam infe”ctam eſſe et corruptam in ſecunda ſchola Platonis, Pro”cli et aliorum per Mathematicam, quae terminare eam, ”non generare aut procreare debeat.“ Herr Karſten (Vom eigenthuͤmlichen Geblet der Naturlehre, in ſ. phyſ.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/166>, abgerufen am 23.11.2024.